Schweitzer Fachinformationen
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Horch.
Da ist es wieder. Das Geräusch. Das Klopfen, das Kratzen, das Schrammen an der Hintertür.
Terri Latham richtet die Aufmerksamkeit darauf. Als es verstummt, ärgert sie sich, weil sie Gehirnkapazität dafür verschwendet hat. Da ist nichts. Wahrscheinlich nur die Pflanzen.
Sie lacht darüber. Der Gedanke beschwört nämlich das Bild einer über zwei Meter hohen Venusfliegenfalle herauf, die mit blättriger Faust an die Tür hämmert und gefüttert werden will. Wie in diesem Film - wie heißt er noch gleich? Richtig - Der kleine Horrorladen. Ist schon komisch. Allein hier zu sitzen und hibbelig wegen einer Pflanze zu werden - das findet sie zum Schießen.
Tatsächlich hat sie eine ganze Reihe von Topfpflanzen vor der Tür, aber Terri denkt nicht an sie. Die meisten wären nicht in der Lage, durch ein Pochen Aufmerksamkeit zu erregen.
Nein, sie denkt eher in Richtung der Kletterpflanze, die das Bogenspalier an ihrer Hintertür umrankt und praktisch längst verschlungen hat. Das Gewächs scheint sich mit ungeahnter Geschwindigkeit täglich weiter auszubreiten. Sie erinnert sich noch daran, dass sie mit ein paar Freundinnen Tränen gelacht hat, als die Mädels scherzhaft meinten, Terri verbrächte offensichtlich zu viel Zeit damit, ihre Clematis zu stimulieren.
Das Problem ist nur: Das Spalier ist alt und morsch. Erst neulich hat ein Teil davon nachgegeben. Entstanden ist ein herabhängendes Gewirr aus verhedderten Holzlatten und Pflanzen, das gegen die Glasscheibe der Tür schrammte und klopfte. Zwar hat Terri das Spalier bestmöglich mit einer Schnur zusammengeflickt, war aber von Anfang an skeptisch, wie gut es ihr gelungen ist. Jetzt ist sie sich sicher. Das Ding ist wieder auseinandergefallen.
Tja, das kann warten, denkt sie. Es ist spät und dunkel. Ich stelle mich sicher nicht mitten in der Nacht draußen auf einen Stuhl, um eine dämliche Clematis wieder anzubringen.
Außerdem gehört Schlaflos in Seattle zu ihren Lieblingsfilmen, und sie will nichts davon verpassen.
Also rührt sie sich nicht von der Stelle. Stattdessen lehnt sie sich auf ihrem bequemen Sofa von IKEA vor dem Flachbildfernseher von Samsung zurück und widmet sich wieder Tom Hanks. Dazu nippt sie an dem Chardonnay, den sie beim Spirituosenladen in der Derby Lane im Sonderangebot gekauft hat. Terri nimmt sich fest vor, sich zu entspannen, damit sie die nächste rührselige Szene genießen kann.
Klopf ... kratz ... klopf.
Oh, Herrgott noch mal, denkt Terri. Sie hebt den Kopf über die Rückenlehne des Sofas. Den Pflanzen hinter dem Haus schickt sie warnende Gedanken: Noch ein gruseliges Geräusch von euch, und ich schneide euch an den Wurzeln ab. Das wird schmerzhaft. Überlegt es euch lieber!
Ein Teil von ihr weiß, dass der Zorn nicht echt ist. Er ist eine Maske, ein Schutz vor dem Unbehagen, das sich rasant in ihr ausbreitet. Außerdem weiß sie, dass dieser Schutz nicht ewig anhalten wird. Er wird Risse bekommen, bröckeln und in sich zusammenfallen. Danach wird nackte Angst zurückbleiben. Wenn es dazu nicht kommen soll, ist ein Präventivschlag nötig.
»Na gut!«, ruft sie laut, als würde sie einen unverbesserlich unartigen Welpen anbrüllen. Als würde sie widerwillig dessen Forderungen nachgeben, obwohl sie in Wirklichkeit vor dem eigenen sehnlichen Wunsch nach Vergewisserung kapituliert.
Ich gehe in die Küche, denkt sie. Ich werd hingehen und genau das sehen, was zu erwarten ist, nämlich einen Haufen Blätter, die vor der Tür baumeln und daran kratzen. Dann kann ich mich wieder dem Film und meinem Wein widmen und anschließend ruhig schlafen. Obwohl ich gar nicht das Bedürfnis haben sollte, nachzusehen. Immerhin weiß ich ja, woran es liegt. Ich führe mich bloß wie eine totale Memme auf.
Den nächsten Gedanken enthauptet sie, bevor er Schaden anrichten kann. Der Gedanke beginnt mit: Aber was, wenn ...
Mit einem schnellen Schluck Wein füllt sie ihre Mutreserven auf. Dann verlässt sie die Behaglichkeit ihres Sofas und geht in die Küche.
Ein Raum, den sie geradezu hasst. Ganz oben auf ihrer Wunschliste bei der Suche nach einem Haus haben damals ein wunderschönes Badezimmer und eine atemberaubende Küche gestanden. Bekommen hat sie beides nicht, weil sie es sich nicht leisten konnte. Die Küche ist mit einem Minimum an Geräten ausgestattet, die schon beim Einbau billig gewesen sein müssen. Die Hälfte davon löst sich inzwischen in ihre Bestandteile auf. Die Dichtung an einem der Wasserhähne ist defekt, überall sind hässliche Gas- und Wasserleitungen zu sehen, und mehrere Wandfliesen haben Sprünge.
Als sie eintritt, schaltet sie das Licht nicht ein. Es würde nur für Reflexionen auf den Fenstern sorgen und ihr einen mehrfachen Blick auf den deprimierenden Raum bescheren. Stattdessen überwindet sie sich, in der Dunkelheit zu stehen und voll angespannter Ungeduld zu warten, bis sich ihre müden Augen daran anpassen.
Mit dem allmählichen Auftauchen breiter, kantiger Konturen von Möbeln lässt ihre Anspannung leicht nach. Sie stößt einen langen Atemzug aus und geht weiter in den Raum.
Durch das verdreckte Panoramafenster über dem Spülbecken sieht sie einen gelblichen Viertelmond hinter einer dichten Wolke hervorkommen. Als sich das schwache Licht in die Küche kämpft, nutzen ihre Augen die Gelegenheit, um Informationen aufzusaugen.
Mit geweiteten Pupillen nähert sich Terri der Hintertür. Wie die Küchenschränke ist auch die Tür billig, dünn und erweckt wenig Vertrauen in ihre Eignung als Schutz vor Eindringlingen. In die obere Hälfte ist eine Milchglasscheibe eingesetzt, die leicht eingeschlagen werden könnte. Eine kleine, gelenkige Person könnte sich sogar durch die Öffnung hereinschlängeln.
Terri hätte die Tür schon vor einer Ewigkeit ersetzen sollen. Andererseits hätte sie noch wesentlich mehr erledigen müssen, um das Haus sicherer zu gestalten. Das weiß Terri. Sie weiß es schon, seit sie eingezogen ist.
Die kleine Wohngegend von Liverpool, in der sie lebt, heißt Stoneycroft. Sie liegt in der Nähe der stark frequentierten Schnellstraße namens Queens Drive - eine der Hauptverkehrsadern der Stadt. Wenn Terri jemandem erklärt, wo sie wohnt, heißt es oft: »Ach, du meinst Old Swan.« Sie entgegnet dann: »Nein, es heißt Stoneycroft.« Terri findet, das klingt vornehmer.
Ist es aber nicht.
Aus ihrer Sicht steht sie gerade mal auf der ersten Stufe der Immobilientreppe. Es ist nicht das schönste Haus der Welt, und die Gegend hat so ihre Probleme. Aber wenigstens gehört das Haus ihr. In ein paar Jahren will sie es verkaufen und in etwas Besseres ziehen - vielleicht in Allerton oder Woolton oder sogar drüben auf der Halbinsel Wirral. Vorläufig reicht es hier.
Der Immobilienmakler hat das Haus als Quasi-Doppelhaushälfte beschrieben. Eine blödsinnige Umschreibung für ein Haus, das im Obergeschoss mit einem Nachbarn verbunden ist, nicht aber im Untergeschoss. Zwischen den zwei Eingangstüren verläuft ein gemauerter Tunnel direkt zur Rückseite der Grundstücke. Einige der Häuser in der Straße haben absperrbare Eisentore an den Durchgängen. Das von Terri nicht. Was bedeutet, dass jeder durchspazieren könnte. Hinzu kommt, dass ihre Holztür am anderen Ende des Tunnels auch kein Schloss besitzt. Und selbst wenn, gäbe es noch einen anderen Weg in ihren Garten, denn er grenzt an einen kleinen Park, den jeder betreten kann. Von dort wäre es einfach, ungesehen über ihren Lattenzaun zu klettern.
Insgesamt ist das Haus nicht gerade Fort Knox.
Solche Gedanken sind Terri schon oft durch den Kopf gegangen. Jedes Mal hat sie sich mental vorgemerkt, etwas zu unternehmen. Und jedes Mal ist die geistige Notiz prompt in der Unordnung untergegangen, die in ihrem Gedächtnis herrscht.
Der Grund, warum sich diese Gedanken gerade jetzt in ihrem Kopf stauen wie der Verkehr zur Stoßzeit, ist der Anblick durch das Fenster in der Tür. Oder besser gesagt, was sie nicht sieht.
Auf der anderen Seite der Glasscheibe in ihrer Tür befindet sich keine verirrte Clematis.
Obwohl es sich um Milchglas handelt, das obendrein dringend gereinigt werden müsste, lässt sich im diffusen Mondlicht deutlich erkennen, dass da kein Blattwerk ist.
Und das bedeutet, etwas anderes verursacht die Geräusche. Diese beunruhigenden Laute ...
Klopf ... klopf ... kratz ...
Als sie erneut einsetzen, weicht Terri einen Schritt in die Schatten zurück. Als wäre ihre dunkle Umarmung beruhigender als das nachtaktive Wesen draußen, worum es sich auch handeln mag.
Jedenfalls bearbeitet es emsig den unteren Teil der Tür. Auf Bodenhöhe. Also etwas Kleines, aber wild entschlossen, sich den Weg in Terris Haus zu bahnen. Warum? Was kann das Tier wollen?
Terris erster Verdacht fällt auf Shit-Sue, den kläffenden kleinen Köter von der anderen Straßenseite. Der in Wirklichkeit gar kein Shih Tzu ist. Terri nennt die Hündin deshalb Shit-Sue, weil der verantwortungslose Besitzer nicht mit ihr Gassi geht. Stattdessen scheucht er das Vieh nur zur Haustür raus. Die boshafte kleine Hündin flitzt dann regelmäßig über die Straße, zwängt sich durch die Gitterstäbe von Terris Tor, durchquert die von Moos und Unkraut überwucherte Einfahrt und huscht in den Seitengang. Dort setzt sie einen Haufen, der beinah so groß wie die Hündin selbst zu sein scheint.
Das ist Terris erster Gedanke.
Nur hat er drei Haken. Erstens: So rücksichtslos der Arsch von gegenüber ist, normalerweise lässt er Shit-Sue nicht so spät am Abend raus. Zweitens: Die Holztür am Ende des Seitengangs hat zwar kein Schloss, lässt...
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