Schweitzer Fachinformationen
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Eine Tasse Kaffee und einen Schoko-Macadamianuss-Cookie von Joltz, dem nahe gelegenen Coffeeshop, in einer Hand, in der anderen ihre Laptop-Tasche, eilte Dr. Acacia »Kacey« Lambert den Gehsteig entlang. Obwohl schon der Morgen heraufzog, waren die Straßenlaternen noch an; die Weihnachtsbeleuchtung strahlte hell, die Lichter tanzten im eisigen Novemberwind, der durch die Kleinstadt Grizzly Falls pfiff.
Der Winter war früh und mit gewaltigen Stürmen hereingebrochen, die Schnee und Eis und damit jede Menge Stromausfälle und Verkehrsprobleme mit sich brachten.
Genau wie letztes Jahr, dachte sie. So viel zum Thema globale Erwärmung.
Ein beständiger Strom von Pendlern schob sich um diese Tageszeit über die Landstraßen zum Highway - Rushhour. Fußgänger in dicken Jacken, Schals, Wollmützen und festen Stiefeln marschierten entschlossen voran, weiße Atemwölkchen vor dem Mund, die Wangen vor Kälte gerötet.
Die Winter hier waren hart, viel kälter als in Seattle, aber Kacey liebte diesen Teil des Landes und bedauerte nicht eine Sekunde, dass sie wieder in die kleine Stadt gezogen war, in der sie ihre Kindheit verbracht hatte.
An der Poliklinik angekommen, die im unteren Teil des Städtchens ganz in der Nähe des Gerichtsgebäudes lag, nicht weit von dem Fluss entfernt, dessen spektakuläre Wasserfälle Grizzly Falls zu seinem Namen verholfen hatten, jonglierte sie mit ihren Schlüsseln und schloss den Haupteingang auf. Die Poliklinik, in der Patienten tagsüber ambulant behandelt wurden, war Bestandteil eines größeren, aus mehreren Gebäuden bestehenden, frisch renovierten und vor kurzem neu eröffneten Krankenhauskomplexes, dem St. Bartholomew Hospital. Eine eisige Bö fuhr Kacey unter die Daunenjacke und rüttelte an den umliegenden Ladenfronten.
Kälter als eine Hexentitte, hätte ihr Großvater jetzt gesagt. Alfred Collins, dessen schelmische blaue Augen hinter einer Drahtgestellbrille funkelten, hatte nie seine deftige Ausdrucksweise abgelegt, obwohl ihm seine Frau, Kaceys Großmutter Ada, ständig deswegen über den Mund gefahren war.
Mitunter vermisste sie die beiden nahezu schmerzhaft. Kacey wohnte in dem Farmhaus, in dem ihre Großeltern über fünfzig Jahre miteinander gelebt hatten, und natürlich dachte sie oft an die zwei.
Ein Lastwagen rollte vorbei. Trotz der Kälte war das Beifahrerfenster ein Stück heruntergekurbelt, eine Hundenase ragte heraus, Fetzen von »Jingle Bell Rock« ertönten.
»Das ist wirklich noch zu früh«, murmelte sie, drückte die Tür auf und schlüpfte in den leeren Empfangsbereich der Klinik. Zwei Reihen leicht abgenutzter Stühle säumten die Wände, Magazine lagen auf den zerschrammten Tischen aus, in einer Ecke stand eine fast vertrocknete Betelnusspalme, neben dem Fenster, bei dem man sich anmelden konnte, waren ein paar Spielzeuge für die kleinen Patienten ordentlich aufgestapelt.
Durch eine Glaswand schien Licht; Heather Ramsey, die Rezeptionistin, saß bereits an der langen Empfangstheke auf der anderen Seite des Anmeldefensters. Heather war ganz auf den Bildschirm ihres Computers konzentriert; ihre Augen flogen über die aufgerufenen Seiten vor ihr.
Ganz bestimmt handelte es sich weder um Patientenakten noch um Aufnahmelisten noch um etwas, das auch nur annähernd mit der Klinik zu tun hatte.
Wie gewöhnlich las Heather die neuesten Internet-Klatschkolumnen und Blogs, bevor sie sich ihrer täglichen Arbeitsroutine zuwandte. »Mach dich auf was gefasst«, sagte sie, ohne aufzublicken.
»Worauf?«
»Deine Zwillingsschwester ist tot«, verkündete Heather mit betrübter Stimme. »Selbstmord.«
»Meine Zwillingsschwester?«, wiederholte Kacey und zog eine Augenbraue in die Höhe. »Und wer genau soll das sein? Schließlich bin ich ein Einzelkind!«
»Shelly Bonaventure!«
»Shelly wer? Ach, die Schauspielerin, die in . ach, ich weiß nicht mehr, wie der Film heißt . mitgewirkt hat.« Sie erinnerte sich an Shelly Bonaventure - eine attraktive Frau mit einem hübschen, ebenmäßigen Gesicht mit großen grünen Augen, einer Stupsnase, einem ausgeprägten Kinn und hohen Wangenknochen. Heathers Vergleich war definitiv ein Kompliment.
»Sie hat in vielen Filmen mitgespielt, wenn auch nicht in Hauptrollen. So aus dem Stegreif fallen mir Viel Rauch um nichts und Sorority Night ein, aber die liegen ja schon ein paar Jahre zurück, und, ach ja, war sie nicht auch in Dreißig über Nacht zu sehen?« Heather rief einen Artikel in einem Webzine auf. »Hauptsächlich ist sie durch ihre Rolle in Blutige Küsse bekannt geworden. Du weißt schon, die Vampirserie, mit der dieser süße Typ, dessen Name mir gerade nicht einfallen will, seinen Durchbruch hatte.«
»Hab ich nie gesehen«, gab Kacey zu, doch das war keine große Überraschung. Sie schaute kaum fern, da sie nicht unbedingt viel Freizeit hatte. Während sie sich durchs College, das Medizinstudium, ihre Zeit als Assistenzärztin im Krankenhaus und ihr Berufspraktikum gekämpft hatte, hatte sie offenbar die Popkultur einer ganzen Generation verpasst.
»Wow, da hast du echt was versäumt! Aber das gibt's ja alles auf DVD und Blu-ray. Die komplette Serie, inklusive Pilotfilm. Blutige Küsse war einfach toll. Sie war toll.« Die Rezeptionistin kam jetzt richtig in Fahrt. »Sie kommt hier aus der Gegend und heißt mit richtigem Namen Michelle Bentley.« Heather blickte auf und blinzelte ins grelle Licht. »Sie war erst fünfunddreißig oder vielmehr: Sie wäre nächste Woche fünfunddreißig geworden.«
Noch eine Gemeinsamkeit. »Und sie hat Selbstmord begangen?«, fragte Kacey. »Wie schade!«
»Ja, sie hat aber keinen Abschiedsbrief hinterlassen, zumindest hat die Polizei bislang nichts gefunden .«
»Wirklich zu schade«, wiederholte Kacey, drehte sich um und ging in Richtung der Behandlungsräume, wobei sie die Lichter in dem kurzen Gang anknipste.
»Tja . merkwürdig. Aber sie sieht - sah - wirklich aus wie du.«
»Ja, ja, ich weiß«, sagte Kacey und betrat ihr Büro, ein kleines Zimmer voller Bücherregale mit Blick auf den Parkplatz. Graupel fiel aus dem immer noch finsteren Himmel, prasselte gegen das Fenster und hinterließ nasse Spuren auf der Scheibe. Kacey zog ihren Laptop aus der Tasche, stellte ihn auf ihren Schreibtisch, dann klappte sie ihn auf und schaltete ihn an. Während er hochfuhr, richtete sie die Lamellenjalousie so ein, dass sie hinaus-, aber niemand in ihr Büro hineinblicken konnte, anschließend setzte sie sich auf ihren Schreibtischstuhl, knabberte an ihrem Frühstückscookie und trank mit kleinen Schlückchen den mitgebrachten Kaffee. Dabei ging sie ihre E-Mails durch.
Frühestens in einer Stunde würden die ersten Patienten eintreffen, so dass sie in aller Ruhe Papierkram aufarbeiten, E-Mails beantworten und sich auf einen weiteren Tag inmitten der Grippesaison einstellen konnte. Sie erledigte ein paar Telefonate, hörte, wie der Rest des Personals eintraf, und sah stahlgraue Wolken über den Bitterroot Mountains aufziehen, an deren Fuß Grizzly Falls lag.
Sie hatte gerade ein Gespräch mit einem Kollegen in Spokane über eine Brustkrebspatientin beendet, als Heather den Kopf zur Tür hereinsteckte, die Kacey die meiste Zeit ein Stück weit offen stehen ließ. »Mrs. Ingles hat angerufen und ihren Termin abgesagt, ihr Neffe braucht einen Babysitter.«
»Okay.« Helen Ingles litt an Diabetes, Typ 2, und hätte zur Blutabnahme für den Labortest kommen sollen.
»Oh, hier ist noch etwas. Ich hab den Artikel über Shelly Bonaventure für dich ausgedruckt.«
Kacey blickte sie über den Rand ihrer Lesebrille an.
Heather trat ein und ließ mehrere Blätter auf Kaceys Schreibtisch fallen. »Ja, ja, ich weiß, es ist Zeit, sich an die Arbeit zu machen, aber« - sie zuckte ihre schmalen Schultern - »sie war eine lokale Berühmtheit, und sieh doch nur, wie sehr sie dir ähnelt!«
»Bitte, Heather, jetzt ist aber Schluss!«, sagte Kacey kopfschüttelnd und schob den Artikel zur Seite. Seit Jahren hörte sie nun schon, wie sehr sie verschiedenen Hollywood-Schauspielerinnen ähnlich sehe. Ihr breites Lächeln war mit dem von Julia Roberts verglichen worden, und sogar ihr Ex-Mann, Jeffrey Charles Lambert - oh, pardon, für seine Freunde nur JC -, hatte behauptet, sie habe dieselbe Gesichtsform wie Jennifer Garner, was ganz und gar nicht stimmte. Und was Shelly Bonaventure anging: Die einzigen Ähnlichkeiten, die Kacey auf den ausgedruckten Bildern erkennen konnte, waren vielleicht die Haarfarbe und die Form und die Farbe ihrer Augen, vorausgesetzt, Shelly hatte keine farbigen Kontaktlinsen getragen.
»Schon gut, schon gut, ich hab's kapiert.« Heather streckte beschwichtigend die Handflächen nach vorn und verließ das kleine Büro. »Mrs. Whitaker ist da.«
»Na großartig.« Constance Whitaker war eine typische Hypochonderin mit zu viel Zeit - Zeit, die sie damit verbrachte, im Internet über Krankheiten zu recherchieren. Anschließend geriet sie in Panik, da sie jedes Mal sicher war, selbst von diesem Leiden befallen zu sein. »Was ist mit Dr. Cortez?«, fragte Kacey und zog ihren Arztkittel über.
»Er hat vor fünfzehn Minuten angerufen. Ist noch unterwegs«, sagte Heather. In diesem Augenblick fiel Scheinwerferlicht durchs Fenster, und Dr. Martin Cortez' Range Rover bog auf den Parkplatz. »Rekordzeit.«
Kacey schüttelte den Kopf. »Er war schon schneller. Als er noch den Porsche hatte.«
Heather seufzte. »Ja, ich erinnere...
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