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Sie stürmten in Wellen über das zertretene Sommergras auf ihn zu, hochgewachsen, schlank und für den Krieg geschaffen. Ihre Speerspitzen blitzten im Licht der noch tief am Himmel stehenden Morgensonne, und ihr Kommen wurde vom Donnern ihrer Schritte begleitet. Und so, wie sie kamen, erschlug er sie.
Er war dafür geboren, Tod zu bringen. Er zersprang fast von der wilden, atavistischen Freude des Kriegers, während die Spitze seines gladius, geführt von seinem starken rechten Arm, Kehlen zerschnitt und Bäuche aufschlitzte. Jeder Hieb oder Stoß wurde von einem roten Nebel begleitet, der die einzige wahre Signatur der Schlacht ist.
Einen nach dem anderen sah er sie sterben, und er zählte seine Opfer nach den Namen der Römer, die er rächte. Für Lunaris. Für Saulus. Für Messor. Für Falco.
Für Valerius.
Beim nächsten Hieb zauderte er, und um ihn her erstarrte die Schlacht. Die Schreie der Sterbenden waren gefangen wie Fliegen in einem Netz; Speere stockten mitten im Flug, und miteinander kämpfende Feinde verharrten auf Messers Schneide zwischen Leben und Tod. Nein, nicht: »Für Valerius.« Gaius Valerius Verrens lebt. Ich bin Gaius Valerius Verrens. Die Worte hallten in seinem Kopf wider, und er fragte sich, ob er sich zu den Göttern in ihrer elysischen Feste gesellt hatte.
In diesem Augenblick spürte er, dass sie da war. Ein flammendes Rotbraun am Rande seines Gesichtsfelds. Durchdringend grüne Augen, die sich in seine Seele bohrten. Boudicca. Seine Feindin. Auf ihren unausgesprochenen Befehl hin lebte der Kampf erneut auf. Die Speere flogen wieder. Männer blieben am Leben oder starben. Doch jetzt hatte das Tempo sich verändert. Bisher hatte immer er den Vorsprung an Geschwindigkeit und Weitblick gehabt. Andere Männer waren zu langsam oder zu blind gewesen. Andere Männer waren gestorben. Jetzt aber war es anders.
Gefangen in seiner eigenen Falle, bewegte Valerius sich so benommen wie jemand, der durch einen brusthohen See watet. Das Schwert lag drückend schwer in seiner Hand, und er musste sich anstrengen, um den großen Schild mit dem geschwungenen Rand hochzuhalten. Die Waffen seiner Feinde schossen aufblitzend auf ihn zu, ein Sturm glänzender Eisenklingen, die die Schwachstellen seines Panzers und das weiche Fleisch seiner Kehle durchbohrten, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Der Biss der scharfen Schneiden ließ ihn vor Schmerz und Wut aufschreien, und zum ersten Mal erlebte er die Verzweiflung des Besiegten. Er rief seine Götter an, wusste aber, dass sie ihn verlassen hatten.
»Valerius?«
Eine Frauenhand hielt das Schwert auf, das bereit war, ihn zu töten.
»Valerius!«
Er schlug die Augen auf. »Fabia?«
»Du hast geträumt. Und laut geschrien.«
Er brauchte ein wenig, um den vertrauten Anblick und Geruch des Schlafzimmers mit dem in Einklang zu bringen, was er gerade erlebt hatte. Sein Körper zitterte vor Anspannung, und die zerknüllten Bettlaken unter ihm waren feucht von Schweiß. Dabei war es ganz anders gewesen. Damals hatte er Abstand zur Schlacht gewahrt wie ein Feigling, denn er war ein frisch verkrüppelter Mann gewesen. Männer waren zu Tausenden und Zehntausenden gestorben, doch er hatte keinen Einzigen von ihnen getötet.
Fabia beugte sich über ihn, golden und schön, ein sicherer Hafen. Sie legte ihm die kühle Hand auf die Stirn. Ihre Augen von der Farbe und dem Facettenreichtum eines geschliffenen Saphirs waren von Sorge erfüllt und noch von etwas anderem. Ein Nadelstich von Schuldgefühl durchfuhr ihn, und instinktiv griff er nach dem Anhänger, der an seinem Hals hing. Es war ein kleiner goldener Keiler, das Symbol der Zwanzigsten Legion.
»Du musst sie sehr geliebt haben.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
Ich habe sie getötet. Das stimmte nicht. Er hatte Maeve verraten, aber das Schwert, das ihr in Boudiccas letzter Schlacht das Leben genommen hatte, hatte ein anderer Mann geführt.
Fabia beugte sich über ihn und küsste den marmorierten Stumpf seines rechten Arms, ihre Brust streifte leicht über seinen Bauch. Der Verlust seiner Hand war der Preis für sein Leben gewesen. Jeden Tag war er beim Aufwachen verblüfft, dass sie nicht mehr da war. Jeden Tag ertrug er einen Schmerz, für den es kein Heilmittel gab. Es war seine Bürde, und er würde sie sein Leben lang tragen. Wie seine Schuldgefühle.
Er ließ sich zurücksinken und starrte an die bemalte Decke. Unter dem wohlwollenden Blick der Göttin Diana jagten mollige, fröhliche Nymphen Rehe und Antilopen über üppige Wiesen. Mit einem Seufzer legte Fabia sich halb auf ihn, ihr Körper schmiegte sich weich an seine kantige Härte. Er stand drei Wochen vor seinem sechsundzwanzigsten Geburtstag, und es war beinahe zwei Jahre her, seit er aus dem von der römischen Rache ausgebluteten Britannien zurückgekehrt war. Man hatte ihn zum Helden Roms erklärt, und die Corona aurea war ihm von Nero persönlich aufs Haupt gesetzt worden. Diese Ehre hatte ihm einen Ruhm eingetragen, den er weder wollte noch verdient hatte, und außerdem Neros Gunst. Da man sich auf diese nicht verlassen konnte, war das eine recht zweischneidige Sache, wie er bald feststellen sollte.
Zunächst war der junge Kaiser entzückt gewesen, einen Altersgenossen - und Kriegshelden - an seiner Seite zu haben. Valerius musste jeden Tag den vergoldeten Palast auf dem Palatin aufsuchen und bei Hof anwesend sein, um Neros Versammlungen zu schmücken und ihn mit Geschichten von Schlachten, Kameradschaft und Opfermut zu begeistern. Natürlich hatte er sich geschmeichelt gefühlt: Welchem Soldaten, selbst einem so versehrten Soldaten wie ihm, wäre es anders ergangen? Zwischen den Marmorsäulen und bemalten Statuen verbeugten sich große Männer, Konsuln und Generäle vor ihm. Und schöne Frauen kamen zu ihm und führten ihn in schattige Winkel, wo sie auf ihn einflüsterten, als wäre das Unwahrscheinlichste möglich oder sogar gewiss. Die ganze Zeit spürte er dabei, wie die harten, kleinen, fiebrig glänzenden Augen des Kaisers ihm auf Schritt und Tritt folgten und immer leidenschaftlicher wurden. Er war kein Dummkopf. Er hatte die Geschichten gehört. In der Legion hatte er sein Leben mit Männern geteilt, guten und schlechten, und er wusste, dass mancher einen Geschmack hatte, der nicht der natürlichen Richtung folgte, und dass manche Männer überhaupt keine Grenzen kannten. Als Junge hatte er etwas erlebt, was er für Liebe gehalten hatte, doch was zwischen Knaben hinnehmbar war, musste zwischen Männern nicht richtig sein. Bevor ihm das Angebot gemacht wurde, ließ er erkennen, dass er es ablehnen würde.
Um dem Sturm auszuweichen, der daraufhin unvermeidlich losbrechen musste, war er ein Jahr nach Griechenland gegangen und hatte gehofft, vergessen zu werden. Das selbst auferlegte Exil verschaffte ihm die Möglichkeit, seine philosophischen Studien wieder aufzunehmen, unter dem großen Apollonius, der seine Wanderschaft für eine Weile in Athen unterbrochen hatte. Aber als Valerius zurückkehrte, stand sein Name noch immer auf der Liste mancher Höflinge. Er wurde weiterhin in den Palast eingeladen. Man beobachtete ihn. Doch jetzt war es eine andere Art von Beobachtung. Sie war gefährlich. Wenn er früher die Taktik des britischen Statthalters gelobt hatte, hatten seine Zuhörer stets Zustimmung bekundet. Jetzt dagegen wandten sie sich kopfschüttelnd ab und murmelten Worte wie »Despot« und »Schlächter«. Paulinus sei zu weit gegangen, sagten sie; er habe die Provinz ausgeplündert, wo er sie hätte wiederbeleben müssen. Seine Abberufung stand bevor. Wenn Valerius jetzt Zuhörer hatte, lauschten sie ihm nicht dankbar, das begriff er, sondern merkten sich das, was er sagte, für später, wenn .
Ein schlanker Finger wischte durch den kühl gewordenen Schweiß, der sich zwischen den Wölbungen seiner Brustmuskeln angesammelt hatte. »Wir sollten baden.«
Valerius verjagte die Melancholie aus seinem Kopf und lächelte Fabia an, die sich von seinem Körper löste und ihm in das kleine Badehaus voranging. Nachdem sie abwechselnd das caldarium und das tepidarium genossen hatten, hüllte Fabia sich in ein Tuch und führte ihn zu einem glatten Steintisch, wo sie seinen Körper mit geübter Hand einölte, jeden Muskel seiner Schultern, seines Rückens und seiner Beine ausstrich und ihn dann umdrehte, um dasselbe mit seiner Brust und seinem Bauch zu machen. Unter ihren starken Fingern spürte er erneut, wie das heiße Blut der Begierde wieder in ihm aufstieg.
Bevor er reagieren konnte, ließ sie das Tuch fallen und schwang sich zu ihm hinauf, um sich in einer einzigen gleitenden Bewegung auf ihm niederzulassen.
Die Intensität ihrer Wärme ließ ihn nach Luft schnappen.
»Das bedeutet wohl, dass ich mehr zahlen muss«, brummte er in dem Versuch, sich auf irgendetwas zu konzentrieren, was nicht unterhalb seiner Taille geschah.
»Oh nein, Valerius.« Fabias Stimme hatte ein Timbre, als würde Rohseide über raues Holz gezogen. »Das ist ein Geschenk an mich selbst. Bleib einfach so liegen, wie du bist.«
Viel...
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