Schweitzer Fachinformationen
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Portland, Oregon
Januar
Er lag auf der Lauer.
Beobachtete alles ganz genau.
Achtete auf jedes Detail, das er in dieser regnerischen Nacht im schwachen Licht der Straßenlaternen erkennen konnte.
Die beiden Frauen rannten, wurden immer schneller. Er lächelte, als die erste im Lichtkegel erschien. Angst spiegelte sich in ihrem hübschen Gesicht. Es war geradezu verzerrt vor Panik.
Genau wie er es sich vorgestellt hatte.
Gut. Sehr gut sogar.
Die zweite Frau lief etwas langsamer. Immer wieder warf sie einen Blick über die Schulter, als fühle sie sich von etwas oder jemand Mörderischem verfolgt.
Genau so hatte er es sich gedacht.
Na, los doch. Lauft weiter.
Als hätten sie ihn gehört, rannten die beiden Frauen noch schneller.
Geradezu perfekt.
Er ballte die Fäuste. Vor Aufregung schnürte sich ihm die Kehle zu.
Nur noch ein paar Schritte.
Atemlos blieb die langsamere Frau stehen. Genau unter einer der Straßenlaternen. Sie presste eine Hand auf ihre Brust und rang nach Luft. Strömender Regen ergoss sich vom nächtlichen Himmel. Das Haar klebte ihr in nassen Strähnen am Gesicht, und auch ihre weiße Jacke war vollkommen durchnässt. Abermals warf sie einen gehetzten Blick über die Schulter auf den verlassenen Gehsteig und die dunklen Schaufenster in diesem ausgestorbenen Teil der Stadt. Sie war ebenso hübsch wie die schnellere Frau. Beide waren exzellente Exemplare ihrer Art, deshalb hatte er sie für genau diesen Moment ausgesucht.
Adrenalin schoss ihm durch die Adern und ließ sein Herz rasen. In freudiger Erregung verzog er die Lippen zu einem Grinsen.
Gut. Wirklich gut.
Er durfte keinen Laut von sich geben. Aus dem Augenwinkel sah er, wie die erste Frau an ihm vorüberlief. Genau wie er gehofft hatte. Den Blick starr nach vorn gerichtet, konnte sie ihn nicht sehen. Aber sie spürte, dass er da war, dass er jede ihrer Bewegungen beobachtete, ihre Angst in allen Facetten sehen wollte. Wilde Entschlossenheit und schieres Entsetzen sprachen aus ihrem Gesicht, aus jedem ihrer keuchenden, flachen Atemzüge, aus jedem ihrer hastigen Schritte.
Dann war sie aus seinem Blickfeld verschwunden.
In die Dunkelheit am anderen Ende der Straße.
Er konzentrierte sich voll und ganz auf die zweite Frau, denn sie war es, um die es ihm eigentlich ging. Sie warf einen gehetzten Blick in seine Richtung, als spüre auch sie, dass er in der Nähe war. Als sei ihr bewusst, dass er in dem dichten Gebüsch hockte, wo ihm nichts entging.
Sein Herz setzte einen Schlag aus.
Sieh mich nicht an. Du darfst mich nicht ansehen. Sieh mich bloß nicht an.
Das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich im regennassen Asphalt und ließ ihr Gesicht verschwommen erscheinen. Aber ihre Angst war deutlich erkennbar. Todesangst. Genau so musste es sein.
Du sollst sie spüren, diese Angst.
Du sollst dich verfolgt fühlen und den Horror erleben, weil du weißt, dass du sterben wirst.
Die Frau erstarrte, als habe sie plötzlich etwas gehört. Hastig wandte sie den Kopf und spähte in die Dunkelheit.
Na also! Endlich.
Er verspürte ein wahres Triumphgefühl.
So ist es gut. Weiter so. Weiter!
Panisch rannte sie weiter. Sie rutschte aus und verlor einen ihrer High Heels. Ohne stehen zu bleiben, streifte sie hastig den anderen Schuh ab und lief barfuß weiter, mit klatschenden Schritten auf dem nassen Asphalt.
Weiter so.
Er verlagerte das Gewicht, damit er sie besser sehen konnte. Nicht das kleinste Detail durfte ihm entgehen.
Perfekt.
Sie lief genau dorthin, wo er sie haben wollte.
In dem Moment löste sich eine dunkle Gestalt aus dem Schatten eines Hauseingangs und stellte sich der Frau in den Weg.
Mit einem entsetzten Schrei geriet sie ins Stolpern, wäre beinahe ausgerutscht. Aber sie fing sich wieder und setzte alles daran, zu entkommen.
Zu spät!
Sie sah in den Lauf einer Pistole.
Bamm! Bamm! Bamm!
Drei Schüsse hallten durch die verlassene Straße, die für einen kurzen Moment vom Mündungsfeuer der Waffe grell erleuchtet wurde.
Die Frau krümmte sich, brach zusammen und blieb auf dem nassen Asphalt liegen. Blut lief ihr aus den Mundwinkeln. Auf ihrer weißen Jacke zeigte sich ein dunkler Fleck.
Perfekt, dachte er voller Genugtuung.
Endlich. Jahrelang hatte er es geplant, und nun war es vollbracht.
Shondie Kent war tot.
Er wartete einen Moment lang und betrachtete ihren reglosen Körper. Musste sichergehen, dass sie sich nicht bewegte, nicht einmal zuckte.
Hervorragend.
Er zählte rückwärts, so, wie es ihn die jahrelange Erfahrung gelehrt hatte: fünf, vier, drei, zwei, eins. Keine Regung. Der leblose Körper lag auf dem regennassen, dampfenden Asphalt, während sich der dunkle Fleck auf der weißen Jacke ausbreitete.
»Schnitt!«, rief er und sprang von seinem Regiestuhl auf, nachdem die Kamera herangezoomt war. Dann stieß er einen tiefen Seufzer aus. So albern es war, er fühlte sich jetzt regelrecht befreit. Endlich hatten sie die Szene fehlerfrei im Kasten. Himmel! Was für eine Erleichterung. Zigmal hatten sie die Todesszene am Tag zuvor gedreht, aber er war einfach nicht zufrieden gewesen. Immer wieder hatte etwas nicht gestimmt, mal an den Bewegungsabläufen, mal an der Atmosphäre. Aber heute lief nach einigen gescheiterten Versuchen endlich alles wie am Schnürchen. Perfektes Timing bei Schauspielern und Crew, genau die richtige Stimmung, Hochspannung bis zum Schluss. »Wir haben es!«, rief er und fügte in gedämpftem Ton hinzu: »Gott sei Dank.« Diese Szene war schlichtweg die Hölle gewesen.
Kurz darauf war die Straße in Portland hell erleuchtet. Der Asphalt schimmerte noch feucht von den Sprinklern, die für einen Wolkenbruch im ohnehin regnerischen Norden gesorgt hatten. Nach der angespannten Stille herrschte nun eine Kakofonie aus Stimmengewirr und allen möglichen Geräuschen. Kulissen wurden abgebaut und Fassaden aus dem Weg geschoben, damit die abgesperrte Straße wieder freigegeben werden konnte. Und sogleich wirkten Gehwege, Hauseingänge und Schaufenster weitaus weniger bedrohlich.
Sig Masters, der den Killer gespielt hatte, riss sich die Skimaske vom Kopf und steckte sich eine Zigarette an. Die Mitglieder der Crew zerstreuten sich langsam in verschiedene Richtungen - alle bis auf Lucinda Rinaldi, das Bodydouble von Allie Kramer, das noch immer reglos auf dem Asphalt lag.
Dean Arnette, seines Zeichens Regisseur von Dead Heat, hatte ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Der Film wurde todsicher ein Blockbuster. Rasante Story, spritzige Dialoge, fesselnde Spannung bis zum Schluss. Und Allie Kramer, die Hauptdarstellerin, war der kommende Superstar. Ihre Leinwandpräsenz war atemberaubend und ihr Privatleben genau der richtige Stoff für die Klatschpresse. Sie hatte eine berühmte Mutter, eine schwierige Vergangenheit, ein intensives Liebesleben und gerade so viel vom Image eines Bad Girls, dass sie sich nicht die Mühe machte, etwas daran zu ändern. Eine Mischung, die ihre Fans bei Laune und die Zuschauer bei der Stange hielt. In den Internetforen war Allie Kramer absolut angesagt.
Auch das lief also perfekt.
Immer noch erleichtert, griff er in die Brusttasche seines Hemds und suchte nach der nicht vorhandenen Packung Zigaretten. Tag für Tag vermisste er das Rauchen aufs Neue, besonders nach dem Sex, nach dem Essen oder, so wie jetzt, nach einem gelungenen Take bei Dreharbeiten, die sich insgesamt schwierig gestaltet hatten.
»Da stimmt etwas nicht«, flüsterte seine Assistentin ihm zu.
»Unsinn. Die Szene war perfekt.«
»Ich weiß, aber .«
»Aber was?«, gab Arnette genervt zurück. Beatrice Little fand doch immer ein Haar in der Suppe. Knapp dreißig, nicht einmal eins sechzig groß, brachte sie selbst mit durchnässter Kleidung kaum fünfzig Kilo auf die Waage. Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Pferdeschwanz hin und her schwang.
»Mit Lucinda.«
Wenn er als Regisseur mit der Szene zufrieden war, konnte der Rest der Crew es ja wohl erst recht sein, dachte Arnette. Das galt auch für Little Bea, wie sie von fast allen genannt wurde. »Was stimmt denn nicht mit Lucinda?« Arnette warf einen Blick auf das Bodydouble, das noch immer reglos am Boden verharrte. »Sie war doch toll.«
»He!«, ertönte eine energische Frauenstimme. »Das war's. Wir sind hier fertig.« Sybil Jones, eine Co-Produzentin, ging auf Lucinda zu und klatschte in die Hände. Als sie keine Antwort erhielt, verdrehte sie unter ihrer Baseballkappe die ausdrucksvollen Augen und sagte zu Arnette: »Vielleicht solltest du ihr selbst Bescheid sagen, Dean. Mich beachtet sie mal wieder nicht.«
Lucinda, allenfalls ein B-Movie-Sternchen, arbeitete stets daran, sich ins Gespräch zu bringen. Sie wollte ganz nach oben, auch wenn sie in diesem Film nur als Stand-in eingesetzt wurde. Lucinda war bekannt dafür, dass sie sich auch in die kleinsten Nebenrollen furchtbar hineinsteigerte und nach dem Dreh nicht so schnell wieder herauskam.
»Du kannst aufstehen!«, rief Arnette und ging zu ihr hinüber. »Wir sind fertig, Lucy.«
Aber sie drehte nicht einmal den Kopf in seine Richtung. Arnette spürte ein leichtes Kribbeln auf der Haut. Lucinda zeigte keinerlei Reaktion, und das war ihm nun doch nicht ganz geheuer. Von Anfang an waren diese Dreharbeiten nervenaufreibend gewesen. Ständig hatten die Stars sich in den Haaren gelegen, dann die Rivalität zwischen den...
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