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Die Fantastischen Fünf
Delta Smith warf die Metalltür ihres Spinds so energisch zu, dass der Knall wie ein Pistolenschuss durch den leeren Schulflur hallte. Sie schlug sie zu, obwohl ihre Bücher und die anderen Sachen noch im Spind lagen. Hätte sie nicht noch einmal die Zahlenkombination eingeben müssen, hätte sie die Tür erneut aufgerissen und zugeknallt, womöglich noch heftiger. Sie war so wütend, dass sie am liebsten um sich geschlagen hätte. Oder einen Urschrei ausgestoßen. Zora hatte es ihr gerade in der Pause erzählt - keine Ahnung, warum sie so lange damit hinterm Berg gehalten hatte. Amanda, dieses verfluchte Miststück! Diese eingebildete, treulose Schlampe. Ihre Freundin. Eine ihrer besten Freundinnen! Nun, jetzt nicht mehr. Man spannte seiner Freundin nicht den Freund aus und tat dann auch noch so, als wollte man weiterhin mit ihr befreundet bleiben. Als ob das funktionieren würde. Niemals!
Frustriert schlug sie mit der flachen Hand gegen die Metalltür und heulte auf vor Zorn.
Wie hatte es dazu kommen können? Wie? Amanda wusste, dass Tanner ihr gehörte. Sie wusste es. Alle wussten es. Es gab Regeln. Regeln, gegen die man besser nicht verstieß.
Delta atmete tief durch und gab sich alle Mühe, sich zu beruhigen, dann stellte sie die Zahlenkombi ein und öffnete den Spind erneut. Ihr Herz raste, ihr Atem ging schnell, ihr Gesicht brannte. Sie konnte es einfach nicht ertragen. Wollte sich gar nicht erst vorstellen, wie es wohl sein mochte, auf den Schulhof zu gehen und den anderen ins Gesicht zu blicken, denn jeder - die ganze Schule - wusste davon. Sie wussten es vermutlich schon seit dem letzten Wochenende, aber niemand hatte ihr etwas gesagt. Bis Zora sich verplappert und Delta sie gezwungen hatte, ihr reinen Wein einzuschenken. Und das wussten jetzt auch alle. Sie wussten, dass sie es wusste.
Alle wussten es! Alle!
Delta nahm Bücher, Handtasche und Handy - das von ihrer Mom, denn ihre Eltern kauften ihr kein eigenes. Handys waren teuer, und die beiden trauten ihr offenbar nicht zu, sorgfältig genug damit umzugehen. »Gib gut darauf acht«, hatte ihre Mutter sie ermahnt.
Sie schaltete das Mobiltelefon ein und rief zu Hause an. »Kann mich jemand abholen?«, bat sie ihre Mutter mit erstickter Stimme. Draußen, vor dem Fenster am Ende des Flurs, das auf den Parkplatz hinausging, sah Delta Gruppen von Kids, die zu ihren Autos oder den wartenden Eltern gingen; manche, die in der Nähe wohnten, machten sich zu Fuß auf den Heimweg.
»Ich dachte, Tanner würde dich nach Hause bringen.«
Tanner.
»Nein«, sagte Delta und gab sich alle Mühe, ruhig zu sprechen. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter das Zittern in ihrer Stimme bemerkte.
»Nun, ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen, deshalb kann ich frühestens in einer halben Stunde da sein. Könnte dich nicht jemand anderes fahren?«
Der hoffnungsvolle Unterton in der Stimme ihrer Mutter war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. »Ich warte!«, stieß Delta hervor und legte auf, dann brach sie in zornige Tränen aus.
Blind tastete sie sich zur Mädchentoilette vor, wo sie sich in eine der Kabinen einschloss, um unbemerkt die halbe Stunde zu verbringen, bis ihre Mom sie abholte. Hoffentlich waren die anderen Kids bis dahin fort!
Ein paar Minuten weinte sie leise weiter, dann wischte sie sich mit dem rechten Zeigefinger die Tränen ab. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie die winzige rot-goldene Blume auf dem Fingernagel, die genauso aussah wie Amandas. Und Carmens. Und Baileys. Und Zoras. Sie alle gehörten zu den Fantastischen Fünf, der beliebtesten Clique der ganzen Highschool. Sie alle trugen die kleine rot-goldene Blume auf dem Nagel des rechten Zeigefingers, ihre Farben - die Farben der West-Knoll-Grundschule, wo sie einander kennengelernt und festgestellt hatten, dass ihre Initialen A, B, C und D waren. Sie hatten sich auch mit Ellie angefreundet, aber die war eine schrecklich selbstgerechte Heulsuse, und so hatte Amanda vorgeschlagen, die Clique mit einem Z wie Zora anstelle mit einem E wie Ellie zu komplettieren. Bailey, die Friedensstifterin, hatte vorgeschlagen, Ellie als sechstes Mitglied aufzunehmen - aber die Fantastischen Sechs? Die Alliteration war ja gerade das Besondere an ihrem Namen, und Amanda sagte auch prompt Nein. Und wenn Amanda Nein sagte, wagte niemand zu widersprechen, denn ihre Familie war reich. Sogar reicher als die Familie von Zora. Die Forsythes besaßen die protzige Villa oberhalb des West Knoll River und das gesamte, sich meilenweit ringsherum erstreckende Gelände, mehrere Hektar. Nächsten Monat war ihre Abschlussklasse eingeladen, einen Tag dort zu verbringen. Am Abend stand ein gemeinsames Barbecue - ein Spanferkelgrillen - auf dem Programm, vielleicht durften sie sogar über Nacht bleiben, wenn die Eltern zustimmten und sich einige der Lehrer als Aufsichtspersonen zur Verfügung stellten.
Delta schluchzte erneut auf. Wie konnte sie dorthin gehen, jetzt, da sie von Tanner und Amanda wusste? Zora hatte die beiden am vergangenen Wochenende erwischt, wie sie bei ihr zu Hause bei einer spontanen Party rumgemacht hatten. Delta war früh gegangen, da sie am nächsten Morgen vor der Schule ihrer Mom im Laden helfen musste.
Sie hasste den Lebensmittelmarkt - Smith & Jones, zusammengesetzt aus den Nachnamen ihrer Eltern -, ein kleiner Familienbetrieb, den sich die beiden in West Knoll aufgebaut hatten. Es war ihr peinlich, dass ihre Eltern es nicht weiter gebracht hatten, auch wenn all ihre Freundinnen liebend gern vorbeikamen und mit ihrem Vater plauderten. Dad gab ihnen immer irgendetwas umsonst mit, obwohl Mom hinterher mit ihm schimpfte. »Du verschenkst die Ausbildung deiner Tochter«, pflegte sie zu sagen, aber das war Delta ohnehin herzlich egal. Sie hatte fest vor, so bald wie möglich Tanner zu heiraten. Sie waren sich auf der Highschool begegnet. Alle Mädchen hatten sich Hals über Kopf in ihn verliebt, doch er hatte sie auserwählt, Delta Smith! Sie erstrahlte förmlich im Licht seiner Aufmerksamkeit, vor allem wenn sie die missgünstigen Blicke der anderen Mädchen bemerkte, die diese ihr zuwarfen, wenn sie dachten, sie würde nicht hinsehen. Es war einfach perfekt. Tanner war perfekt. Tanner Stahd - der Kapitän der Footballmannschaft. Quarterback und Teamkapitän mit einem Stipendium für die University of Oregon. Delta gab sich alle Mühe, gute Noten zu schreiben und Geld zu sparen, damit sie ebenfalls nach Oregon gehen konnte.
Doch jetzt . jetzt waren all ihre Träume geplatzt.
Waren die dreißig Minuten schon vorüber? Wahrscheinlich nicht. Widerwillig verließ sie die WC-Kabine und betrachtete ihr fleckiges, verweintes Gesicht im Spiegel. Am liebsten wäre sie erneut in Tränen ausgebrochen. Im Waschraum drehte sie den Wasserhahn auf, hielt ihre Hände unter den Strahl und tupfte sich kaltes Wasser auf die heißen Wangen.
Gerade als sie sich wappnete, in den Flur und zum Parkplatz zu gehen, flog die Tür auf, und Zora kam herein . zusammen mit Bailey und Carmen, die sich aufführten, als wären sie siamesische Zwillinge. Sie waren immer zusammen. Die Art beste Freundinnen, bei denen man nur schwer dazwischenkam. Sie gehörten zwar zu den Fantastischen Fünf, aber man hätte Bailey und Carmen genauso gut als die Unzertrennlichen Zwei bezeichnen können.
»Da bist du ja!«, rief Zora. »Mein Gott, wir haben überall nach dir gesucht und dachten schon, du wärst mit jemand anderem nach Hause gefahren.«
»Tanner hat ebenfalls nach dir Ausschau gehalten«, sagte Bailey.
Delta konnte den verzweifelten Aufschrei nicht unterdrücken, der ihr unweigerlich über die Lippen kam. »Darauf wette ich«, entgegnete sie mit bitterer Stimme.
»Doch, hat er«, beharrte Bailey. »Ich habe keine Ahnung, was genau passiert ist, aber er wollte dich unbedingt finden.«
Als ob du nicht längst Bescheid wüsstest!
»Oh, du weißt genau, was passiert ist.« Die Worte wollten kaum aus Deltas Mund kommen. »Was macht ihr denn noch in der Schule?«
»Dich suchen«, antwortete Carmen. »Und Amanda. Aber offenbar ist sie mit ihrem Bruder Thom nach Hause gefahren.«
Delta hob abwehrend die Hände. »Ich will nichts von Amanda hören!«
Zora, Bailey und Carmen sahen einander an, als fragten sie sich stumm, wie sie weiter vorgehen sollten. Delta wandte sich verärgert ab. Sie hörte, wie Zora sagte: »Vermutlich hätte ich dir nichts von ihnen erzählen sollen. Dabei war es echt keine große Sache.«
»Keine große Sache?« Delta wirbelte herum. »Wolltest du es mir etwa verheimlichen?«
»Natürlich nicht. Ich meine nur, dass es kein Wahnsinnsding war. Sie haben bloß ein bisschen rumgeknutscht.«
»Auf dem Billardtisch deiner Eltern!«
»Na ja, sie haben . Pool gespielt«, murmelte Zora.
»Das klang bisher aber ganz anders. Du hast von >auf dem Billardtisch rummachen< gesprochen!«
»Sie haben Pool gespielt, auf dem Billardtisch. Herrgott, Delta, es war nicht so, wie du denkst!«
»Was denke ich denn?«
»Keine Ahnung. Aber so war's nicht. Schluss. Aus. Ende.«
Delta wollte ihr glauben. Wirklich. Zora versuchte,...
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