Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Gab es einen anderen Grund für den Untergang Spartas und Athens als den, dass diese erfolgreichen Kriegsmächte jene, die von ihnen besiegt worden waren, als Fremde zurückwiesen? Claudius, römischer Kaiser, 48 n. Chr.
Tal der Sabrina, Land der Silurer, September 59 n. Chr.War bisher wirklich erst so kurze Zeit vergangen? Gaius Valerius Verrens biss die Zähne zusammen und heftete den Blick auf die Augen seines Gegners, aber die Botschaft, falls diese verhangenen Lider überhaupt eine Botschaft übermittelten, war das Gegenteil dessen, was er sehen wollte: Der Drecksack verspottete ihn. Mit einem kräftigen Atemzug sog Valerius den würzigen Kiefernholzduft des frisch abgesägten Baumstumpfs ein, auf dem sein rechter Ellbogen auflag. Gleichzeitig spürte er, wie der brennende Schmerz, der seinen großen Oberarmmuskel peinigte, ein wenig nachließ. Er lenkte diese Erleichterung in seinen Unterarm und an der Innenseite des Handgelenks hinunter bis in die Finger der rechten Hand. Der Zuwachs an Kraft mochte verschwindend gering sein - er nahm ihn selbst kaum wahr -, aber er bemerkte das winzige Zucken von Crespos Augenbrauen, und so wusste er, dass der Zenturio es ebenfalls gespürt hatte. Die Hand, die die seine gepackt hielt - der Ellbogen lag genau links neben dem seinen auf -, war verhornt, schwielig und so unnachgiebig wie der Ziegel eines Hypokaustums. Finger wie Klauen umklammerten seine Hand mit einer Kraft, die imstande war, Knochen zu brechen, aber Valerius widerstand der Versuchung, dieser Herausforderung auf ebensolche Weise zu begegnen. Stattdessen setzte er seine ganze eigene Kraft dafür ein, Crespos Faust nach links zu drücken; jedes Nachgeben, selbst nur um Haaresbreite, würde ihm genügen. Doch bisher hatte Valerius noch nicht einmal so viel erreicht. Crespo allerdings auch nicht. Bei diesem Gedanken musste er grinsen, und angesichts dieses Anzeichens von Selbstvertrauen jubelte die Schar von Legionären, die sich um den Baumstumpf drängte, ihm ermutigend zu. In der Ersten Kohorte der Zwanzigsten Legion war Armdrücken ein beliebter Sport. Man brauchte nicht mehr als eine ebene Fläche und zwei Männer, die sich messen wollten. Manchmal maßen die Legionäre sich aus Spaß. Manchmal, um Wetten abzuschließen. Und manchmal, weil sie sich gegenseitig nicht ausstehen konnten.
Im Windschatten eines Hügels lag die Erste Kohorte seit sechs Tagen in Silurien im Marschlager. Als zwei Wochen zuvor die Reiterpatrouille nicht zurückgekehrt war, hatte der Legat sofort reagiert. Entschlossene Vergeltung. Dreitausend Mann - fünf Kohorten Legionäre und eine gemischte Einheit von auxiliares, Hilfstruppen, aus Fußsoldaten und Reiterei, bestehend aus Galliern und Thrakern - waren hinter ihren Standarten den Fluss Sabrina hinuntermarschiert und dann westwärts in das angrenzende raue Bergland vorgedrungen. Sie hatten die abgeschlagenen behelmten Häupter ihrer Kameraden gefunden, zwanzig an der Zahl, aufgestellt wie zur Markierung eines Wegs. Einige unterwegs aufgelesene, unglückselige Bauern waren verhört worden und hatten sie hergeführt. Sie hatten fünf oder sechs Tage gebraucht, um Graben und Erdwall um den Fuß des felsigen Festungshügels auszuheben, und damit waren die Bewohner der Feste nun vollständig von jeder Hilfe oder einem Fluchtweg abgeschnitten. Wenn die Legionäre nicht gruben, verbrachten sie ihre Zeit mit Wachdienst, Waffenübungen, Exerzieren oder Patrouillengängen, doch während der gelegentlichen Ruhezeiten konnten sie vor ihren ledernen Acht-Mann-Zelten sitzen und das tun, was Soldaten nun einmal machen: die Ausrüstung reparieren und pflegen, den Sold verspielen und über Offiziere meckern. Oder einfach dasitzen und auf den Himmel und den blaugrauen Dunst der fernen Berge schauen.
Valerius konzentrierte sich auf seinen rechten Arm und versuchte, ihn durch schiere Willenskraft stärker zu machen. Unterhalb des kurzen Ärmels seiner Tunika wölbte sich sein kräftiger Bizeps, als wollte er aus der gebräunten Haut herausplatzen, unter der sich ein Geschlängel dunkler Adern abzeichnete. Der Muskel war zur Größe einer kleinen Melone angeschwollen und stand dem von Crespo, der als der stärkste Mann der Kohorte galt, in nichts nach. Der Unterarm war mächtig und lief zum Handgelenk, dessen Sehnen herausstanden wie Baumwurzeln, schmaler zu. Die Handgelenke der beiden Männer waren mit einem Streifen roten Tuchs fest aneinandergebunden. So konnte keiner von ihnen seinen Griff verrücken und durch einen Trick gewinnen. Aber Valerius wusste, dass Crespo es versuchen würde, denn Crespo war ein Betrüger, ein Lügner und ein Dieb. Außerdem war er allerdings ein hochrangiger Zenturio, was ihn unangreifbar machte. Beinahe.
Valerius hatte mitbekommen, wie Crespo einen der neuen Rekruten, den jungen Quintus aus Ravenna, mit dem knorrigen Rebstock schlug, den er als sein traditionelles Rangabzeichen bei sich trug. Jeder Zenturio züchtigte seine Männer, denn Disziplin war das, was eine Legion zur Legion machte. Doch Crespo verwechselte Disziplin mit Brutalität, oder vielleicht genoss er die Brutalität auch um ihrer selbst willen, denn er hatte Quintus halb totgeprügelt. Als Valerius ihm befahl, damit aufzuhören, hatte Crespo ihn mit seinen ausdruckslosen, eiskalten Augen von Kopf bis Fuß gemustert. Zwischen den beiden Männern gab es schon eine Art Vorgeschichte, doch die bestand eher aus einer instinktiven Wachsamkeit als aus körperlichen Feindseligkeiten. Ihre erste Begegnung hatte der von zwei Hunden geglichen, die auf einem schmalen Pfad aneinander vorbeimüssen: ein Sträuben der Nackenhaare, ein Einschätzen von Stärken und Schwächen, ein kurzes Schnüffeln und dann weiter; auseinander, aber keineswegs vergessen.
Jetzt starrte er aus zwei Fuß Abstand in Crespos Gesicht. Spürte er Unsicherheit? Bei den Göttern, er hoffte es. Das Feuer, das in seiner Ellenbeuge begonnen hatte, wanderte zu seiner Schulter hinauf und bis zu seinem Halsansatz. Einen solchen Schmerz hatte er noch nie erlebt. Crespos wasserhelle Augen starrten ihn aus einem langen, schmalen Gesicht entgegen, das irgendwie blass geblieben war, obgleich die Sonne die meisten Männer walnussbraun färbte. Valerius erkannte ein Muster einzelner Pockennarben auf der Stirn und am Kinn seines Gegners, die auf eine Krankheit in seiner Kindheit deuteten, welche er unglückseligerweise überlebt hatte. Seine Nase war lang und scharf gebogen wie die Klinge der Axt eines Soldaten der Pioniertruppe, und der schmale Mund darunter erinnerte Valerius an das Maul einer Viper. Oh, er war durchaus ein gut aussehender Mann, dieser Crespo. Aber gut aussehend oder nicht, er war die Länge eines Schwertgriffs größer als Valerius, und auch wenn dieser eine breitere Brust und mächtigere Schultern hatte, besaß der Zenturio die drahtige Kraft von fünfzehn Jahren in der Legion. Doch Valerius war auf dem Landgut seines Vaters aufgewachsen, und das hatte ihm seine eigene Kraft verliehen. Und er besaß das Selbstvertrauen, sie zu nutzen.
An Crespos Haaransatz sammelte sich jetzt der erste Schweiß: winzige, nahezu unsichtbare Perlen zwischen den ungepflegten, schwarzen Stoppeln, die der Barbier der Einheit ihm gelassen hatte. Valerius beobachtete fasziniert, wie sie langsam wuchsen, bis zwei oder drei sich zu einem Tropfen vereinigten, der sanft über die Stirn des Zenturios bis zur Nasenwurzel rann. Dort blieb er hängen. Valerius war frustriert. Der Tropfen war ihm wie ein Omen erschienen. Wäre er weitergelaufen, über die gebogene Nase bis zu ihrer Spitze, hätte das mit Sicherheit einen Sieg für ihn, Valerius, vorhergesagt. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Doch immerhin war es ein Vorzeichen für irgendetwas. Hatten die Klauen ihren Griff gelockert, gab es einen Hinweis, dass die gegnerische Kraft, mochte sie sich auch noch so unerbittlich anfühlen, tatsächlich ihren Höhepunkt überschritten hatte? Oder lockte Crespo ihn in eine Falle? Wiegte er Valerius in dem Glauben, gewonnen zu haben, nur um ihn dann mit einem Energieschub zu überrumpeln, den er sich für den Moment aufgespart hatte, in dem sein Gegner minimal aus dem Gleichgewicht geriet? Nein. Abwarten. Geduld.
»Tribun?«
Valerius erkannte die Stimme, bemühte sich aber, sich durch sie nicht aus der Konzentration bringen zu lassen.
»Tribun Valerius?« Der Tonfall war ein wenig aufdringlicher, als es für einen Doppelsoldmann, der einen römischen Offizier ansprach, angemessen erschien, aber da dieser Doppelsoldmann der Schreiber des Kommandanten der Zwanzigsten war, erschien es Valerius vernünftig, die eventuelle Kränkung zu ignorieren.
»Hast schon genug, hübscher Junge?« Crespos Lippen bewegten sich kaum, als er die Worte zwischen zusammengepressten Zähnen hervorzischte. Der starke sizilianische Akzent war für Valerius' Ohren nicht weniger unangenehm als die Beleidigung.
»Was ist, Soldat?« Valerius wandte sich an den Mann hinter ihm, hielt den Blick aber auf Crespo gerichtet und sprach mit ruhiger Stimme. Die ineinandergeklammerten Fäuste verharrten so reglos, als wären sie aus Stein gemeißelt.
»Du sollst zum Legaten kommen, Herr.« Die Mitteilung löste bei dem Dutzend Legionäre, die sich um den...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.