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Um Himmels willen!« Valerie drückte immer und immer wieder auf die Escape-Taste ihres Laptops, als könnte sie so den völlig überholten Computer mit seiner antiquierten Festplatte ins Leben zurückholen. »Komm schon, komm schon!«, murmelte sie mit zusammengebissenen Zähnen, dann gab sie auf, unfähig, das verdammte Ding abzuschalten, ohne den Akku herauszunehmen.
Jetzt reichte es! Morgen würde sie sich einen neuen Computer kaufen, egal, was ihr Konto dazu sagte. Der Verfügungsrahmen ihrer Kreditkarte war noch nicht ganz ausgereizt, doch eine Ausgabe in der Höhe würde ihn sicherlich sprengen.
Der Preis einer Scheidung, gestand sie sich ein und schob den Laptop von ihrem Schoß auf das zerknitterte Bettzeug. In ihrem Pyjama, dessen Hose und Oberteil nicht zusammenpassten, ging sie in die Küche der kleinen Remise und hielt den Kopf unter den Wasserhahn, um zu trinken. Dann starrte sie durch das Fenster, das voller Regentropfen war, in die Nacht hinaus.
Hier in New Orleans war die Luft erfüllt vom bevorstehenden Sommer, und ein leichter Schweißfilm bildete sich auf ihrer Haut. Sie öffnete das Fenster einen Spaltbreit, so dass der dumpfige Geruch des langsam fließenden Flusses hereinwehte. In weiter Ferne war der Verkehr auf dem Freeway zu hören, ein permanentes Rauschen, das im Wettstreit stand mit dem Zirpen der Grillen und dem Rufen der Kröten.
Die Glocken von St. Marguerite läuteten Mitternacht, einsam hallten die Schläge durch die Dunkelheit.
Unerklärlicherweise fing Vals Haut an zu kribbeln. Ihre Polizistinneninstinkte schalteten auf Schnellgang, und wieder einmal hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Verborgene Augen verfolgten sie.
»Zu viele Nächte mit Science-Fiction-Filmen«, sagte sie zu sich selbst. »Zu viele Alpträume.«
Für eine flüchtige Sekunde schoss ihr eine Erinnerung mit scharfen, brüchigen Kanten durch den Kopf. Verschwommen. Bedrohlich.
Das Bild, das sie vor ihrem inneren Auge sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Gehüllt in schwarze Gewänder, mit grausam funkelnden Augen, wurde die unheilvolle Kreatur größer. In der klauenähnlichen Hand baumelte eine glitzernde Kette, die sie zu einer Art Schlinge formte. Valerie meinte, einen fauligen Geruch wahrzunehmen.
Niemand könnte ihr helfen.
Niemand könnte sie retten.
»Sssss«, zischte die Kreatur und senkte die silbrige Schlinge. »Sssss.«
Camille!, dachte Val voller Entsetzen. Der Dämon will Camille .
Im selben Augenblick verschwand das entsetzliche Bild, versank in den Tiefen ihrer Seele. Aus Erfahrung wusste Val, dass es dort lauerte, bis es ungebeten erneut an die Oberfläche dringen würde.
»Lass mich in Ruhe«, murmelte sie und ignorierte die feinen Härchen, die sich auf ihren Armen gesträubt hatten. Dieser Teufel war ein Ausbund ihrer Phantasie, mehr nicht - nichts, woran eine geistig gesunde, bodenständige Frau glauben sollte.
Val holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Immer noch hallte der Glockenschlag von St. Marguerite in klagendem Ton durch die Nacht. Innerlich fröstelnd, hielt sie sich an der Kante des Küchentresens fest.
Denk nicht mehr daran, ermahnte sie sich. Sich näher mit den heimtückischen Bildern in ihrem Kopf zu befassen würde zu nichts anderem als einer sich selbst bewahrheitenden, abscheulichen Prophezeiung führen.
»Alles ist in Ordnung«, sagte sie laut, obwohl sie innerlich zitterte, geschüttelt von einer Angst, die sie zu verbergen suchte. Niemand durfte davon etwas wissen. Sie war eine starke Frau. Alpträume oder Visionen, heraufbeschworen von ihrem so bereitwilligen Gehirn, würden sie nicht das Fürchten lehren. »Um Gottes willen, reiß dich zusammen!«, befahl sie sich.
Sie war lediglich gestresst. Wer wäre das nicht an ihrer Stelle? Vor ihr lag eine Scheidung, mit ihrer Karriere war es zu Ende, sie stand unmittelbar vor dem Bankrott, und sie hatte eine Schwester - nur diese einzige -, die im Begriff war, ihre Gelübde in einem Konvent abzulegen, der direkt aus dem Mittelalter zu stammen schien! Und dann war da noch diese E-Mail von Camille, ihrer Schwester, die ziemlich beunruhigend klang.
Val dachte an St. Marguerite, die historische Kathedrale, in der Camille zur Braut Jesu werden wollte.
Vorausgesetzt die Klostervorsteherin akzeptierte ihren Wunsch.
Diese Entscheidung war einfach untypisch für Camille, das Partygirl, das immer einen Freund, immer mit Problemen zu kämpfen gehabt hatte. Valerie bezweifelte, dass ausgerechnet ein Konvent wie St. Marguerite Camille ihre Sünden vergeben würde. Dieses Frauenkloster mit den verschlossenen Toren, dem antiquierten Kommunikationssystem und den strikten Regeln erinnerte sie mehr an eine mittelalterliche Festung als an ein Gotteshaus. Es war ein vom Rest der Welt isolierter Ort, an dem das einundzwanzigste Jahrhundert vorbeigezogen war. Die Menschen in den heiligen Mauern dort orientierten sich an vergangenen Jahrhunderten, in denen archaische Sitten, grausame Disziplin und vorsintflutliche Meinungen vorgeherrscht hatten. Vielleicht wegen der Äbtissin oder Mutter Oberin oder wie sich die alte Fledermaus von Klostervorsteherin, Schwester Charity, nennen mochte. Diese Schwester Charity, die den alten Zeiten anhing, in welchen die Nonnen düstere Gewänder trugen und nichtsahnenden Schülern auf die Finger schlugen, in denen Drohungen und Einschüchterungen noch vor den Lobpreisungen standen, erinnerte eher an eine Gefängnisaufseherin als an eine geistliche Führerin.
Warum Camille beschlossen hatte, ausgerechnet in einer so strengen Einrichtung wie St. Marguerite ihr Gelübde abzulegen, war Valerie ein Rätsel.
Nein, das ist dir keineswegs ein Rätsel. Du kennst die Gründe - du willst sie dir nur nicht eingestehen.
Pssst!
Ein Flüstern des Bösen drang in Schwester Lucys Gehirn.
Sie riss die Augen auf und starrte in die Dunkelheit ihres winzigen Zimmers im Konvent. Ihre Haut kribbelte, ihr Mund schmeckte nach Metall. Vater im Himmel, bitte lass das bloß den Nachklang eines schlechten Traums sein, eines Alptraums, der -
Da war es wieder, der entsetzliche Vorbote dessen, was kommen würde. Sie warf die dünnen Decken von sich und fiel auf die Knie. Ihr Nachthemd bauschte sich um sie, als sie instinktiv nach dem Rosenkranz griff, den sie über den Pfosten des Metallbetts gehängt hatte. Schwester Lucy schlug mit dem daran befestigten Kruzifix das Kreuzzeichen und begann, stumm das Apostolikum aufzusagen. Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn. »Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde .« Und sie glaubte tatsächlich. Voller Inbrunst. Für gewöhnlich fand sie Trost in diesem Ritual, das sie seit ihrer Jugend kannte. In Zeiten großer Belastung, Sorge oder Not tröstete es sie, ihre Finger über die glänzenden Perlen gleiten zu lassen und die Gebete zu flüstern, die sie Gott näherbrachten.
Pssst! Wieder dieses elektrisierende Kribbeln unter ihrer Haut. Der Schweiß lief ihr zu den Augenbrauen.
Nicht hier, bitte nicht hier . nicht im Konvent! Ihr Gebet war unterbrochen, und sie begann von vorn, die Augenlider zusammengepresst, die Ellbogen auf die dünne Matratze gestemmt. Ihr Kopf surrte.
Wieder berührte sie mit dem Kruzifix ihre Stirn und begann mit der Folge von Gebeten, die ihr so leicht in den Sinn kamen.
Das muss ein Irrtum sein, dachte sie, während sie stumm die vertrauten Worte murmelte. Seit sie dem Konvent von St. Marguerite beigetreten war, in der Absicht, ihre letzten Ordensgelübde abzulegen, waren derartige »Zwischenfälle« - wie ihre Mutter sie genannt hatte - nicht mehr vorgekommen. Schwester Lucy hatte gemeint, hier in Sicherheit zu sein.
»Ich glaube an -«
Pssst! Lauter diesmal.
Schwester Lucy - ehedem Lucia Costa - holte scharf Luft und ließ ihren Rosenkranz fallen. Abermals war ihr Gebet unterbrochen worden. Sie erhob sich und gab es auf, dem Unvermeidlichen aus dem Weg gehen zu wollen. Barfuß schritt sie über den Hartholzboden und spürte, wie sich Ärger zusammenbraute, und zwar so gewiss wie ein Hurrikan vor der Küste Louisianas. Vor ihrem inneren Auge sah sie die Kapelle dieser Kirchengemeinde und blinzelte gegen eine wahre Flut von Bildern an.
Rot flackerndes Licht.
Ein verschwommenes Gesicht.
Ein abgetragenes, vergilbtes Kleid. Fadenscheinig. Zerrissen.
Ein wogendes, dunkles Gewand.
Verkniffene, todbringende Lippen.
Eine schwere Tür, die klickend ins Schloss fiel.
Ein blutiges Kruzifix, aus Christi heiligen Wunden tropfte es blutrot.
Tod, psalmodierte eine Stimme über das statische Rauschen in ihrem Kopf hinweg.
Sie stürmte in die Halle, die schwach von vereinzelten Wandleuchtern erhellt war, und rannte die Treppe hinunter. Ihre Finger glitten über den abgenutzten Handlauf. Sie folgte einem vorbestimmten Weg. Blasses Licht fiel durch die Buntglasscheiben, und die Hitze des Junitages war auch nachts noch zu spüren.
Warum?, fragte sich Lucia verzweifelt. Warum jetzt? Warum hier? Es ist nichts . bloß ein schlechter Traum. All deine Ängste kristallisieren sich, mehr steckt nicht dahinter.
Ihr Herz trommelte ungleichmäßig. Sie wandte sich der Kapelle zu - dem kleineren Ort der Andacht, im Gegensatz zu der gewaltigen Kathedrale. Ein Gefühl der Ungewissheit trieb sie vorwärts, und sie drückte gegen die zweiflügelige Tür, die sich leichtgängig öffnete, und betrat das Haus...
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