Schweitzer Fachinformationen
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Ein Ende
Die Party fand an diesem Abend bei den Novotnys statt. Sie wohnten hoch oben an den Hängen der Hügel von Hollywood in einem Haus im Ranchstil, inklusive frühamerikanischem Ahorn, nautischem Messing und Musselinvorhängen; einfach zu niedlich für Worte. Es sah so aus, als wäre es mitsamt der Einrichtung von einem Geschäft angeliefert worden; und man konnte sich vorstellen, dass, falls keine Zahlungen erfolgten, eines Tages ein paar Männer kommen und das ganze Haus auf einem Lastwagen dorthin zurückverfrachten würden, zusammen mit Mrs Novotny, den drei Kindern, den beiden Autos und dem Cockerspaniel. Die meisten Häuser, in denen Jane und ich zu Besuch waren, sahen so aus.
Es war schon ziemlich spät, und mehrere Leute waren betrunken; zwar benahmen sie sich nicht daneben, waren aber prahlerisch, laut und sprachen mit schwerer Zunge. Ich befand mich irgendwo in einem Zustand dazwischen; für mich der beste. Solange ich nüchtern war, schmollte ich. Wenn ich weitertrank, neigte ich dazu, unangenehm zu werden und etwas Peinliches zu sagen oder aber einzuschlafen und zu schnarchen. Jane machte sich darüber immer Sorgen, und doch konnte sie sich nie vor Ende des Abends losreißen. »Warum zum Teufel gehst du nicht nach Hause, wenn du dich so langweilst«, flüsterte sie mir manchmal wütend zu, »statt wie ein gottverdammter Märtyrer herumzuhängen? Was ist los mit dir? Hast du Angst, ich könnte etwas tun, was du nicht tun würdest?« Dann grinste ich sie nur an, ohne zu antworten. Genau so sollte sie sich fühlen: meiner unsicher, unbehaglich und schuldbewusst-aggressiv. Es war die einzige mir bekannte Möglichkeit, ihr Kontra zu geben.
Inzwischen war ich im nicht ganz so überfüllten Teil des Wohnzimmers allein. Ein Spiegel an der gegenüberliegenden Wand zeigte mir, wie ich der Außenwelt erscheinen musste: als ein großer, blonder, ziemlich junger, ziemlich alter Mann mit einem mäßig gutaussehenden, ängstlichen Gesicht und dunklen, allzu ausdrucksvollen Augen, der zwischen einem Schustertisch und einem nachgebauten Spinnrad in einer Ecke stand und ein Highballglas in der Hand hielt. An der Wand neben meiner Wange hing ein Modellschiff aus Messing, aus dem ein Farn wuchs. Ich sah aus, als wollte ich mit der Szenerie verschmelzen und unsichtbar werden, wie eine Giraffe, die reglos zwischen sonnengefleckten Blättern steht.
Ich trug meine übliche verrückte Aufmachung, Symbol meines Protests gegen das Leben, das ich führte: ein weißes Smokingjackett mit einer purpurroten Fliege und einer Nelke, die zu meinem Kummerbund aus Moiré passten. Hätte Elizabeth mich so sehen können, sie hätte gesagt: »Liebling, wofür in aller Welt willst du eigentlich gehalten werden? Nein - sag es mir nicht. Lass mich raten -« In gewisser Weise glaube ich, dass ich mich genau deshalb so kleidete, weil es Elizabeth amüsiert hätte. Gewiss verstand niemand hier den Scherz, nicht einmal Jane; meine Maskerade als Figur aus einem Hollywood-Musical blieb völlig unbemerkt. Und warum auch sollte irgendeiner dieser Menschen sie bemerken? Sie kannten mich ja nur so - wie ich Abend für Abend an Janes Seite in den Türen ihrer Häuser erschien. (Abends blieben wir nie mehr allein zu Hause; das war ganz undenkbar.)
Hätte jemand sich danach erkundigt, wer ich sei, hätte fast jeder von ihnen geantwortet: »Jane Monks Ehemann«, und es dabei belassen. Es war von Anfang an so gewesen, gleich nachdem wir im Vorjahr in Kalifornien eingetroffen waren. Sogar die Klatschkolumnisten befanden, dass ich nichts hermachte und am besten ignoriert wurde. Wenn sie es vermeiden konnten, erwähnten sie mich nie direkt, auch wenn sie etwa so daherblubberten: »Jane (Mrs Stephen) Monk gesehen, die in weißem Satin und atemberaubender alter Brüsseler Spitze wunderschön (wie immer) aussah. Sie sind aus New York gekommen, über Nassau. Planen, sich für eine Weile hier niederzulassen. Jane erzählte mir -« usw. usf. - Jane liebte es. Sie schien von dem Gerede über sie nicht genug bekommen zu können, ganz gleich, wie gehässig. Einmal erzählte sie mir sogar - und fasste es als ungeheuren Scherz auf -, dass man bei Chasen's einen Mann habe sagen hören: »Nun, er mag ein Mönch sein - aber, Bruder, sie ist keine Nonne.« Das war etwas, was ich an ihr nach wie vor reizend unschuldig und anrührend fand.
»Hier draußen an der Küste«, erklärte jemand in der Gruppe, die mir am nächsten stand, »weiß man einfach nicht, was eigentlich gespielt wird. Im Osten stehen wir praktisch schon im Krieg.« Jemand anderes stimmte zu: F.D. R. würde, sobald er einen Vorwand finden konnte, in den Krieg eintreten. Man sprach über die Luftangriffe auf London und über Rommel und die Kämpfe in Afrika (es war April 1941), aber man merkte, dass sich keiner von ihnen sonderlich darum scherte. Ihre Ängste und Interessen lagen woanders. Sid Novotny war Drehbuchautor, und die Party wurde nur für den Fall gegeben, dass das Studio zögerte, eine Option zu nehmen. Alice Faye, die Ehrengast hätte sein sollen, war nicht erschienen. Immerhin waren mehrere Front-Office-Manager anwesend, ein paar Stars zweiter Größenordnung und zahlreiche junge Schauspielerinnen und Schauspieler. Wie zum Beispiel Roy Griffin.
Ein Mann löste sich aus der Gruppe und kam auf mich zu. Mir war nicht entgangen, wie er sich mehrere Minuten lang darauf vorbereitet hatte. Wir waren einander bereits vorgestellt worden; ich wusste, dass er Produzent war, auch wenn ich seinen Namen vergessen hatte. Er hatte einen Bürstenhaarschnitt, saubere behaarte Hände, neugierige Augen und eine sehr aufrichtige Art.
»Sagen Sie, Mr Monk, wissen Sie, dass ich Sie treffen wollte, seit ich gehört habe, dass Sie hier draußen sind? Ihnen heute Abend zu begegnen war wirklich aufregend. Ob Sie's glauben oder nicht, ich bin einer der alten ursprünglichen Fans von Rydal. Ja, ich wette, ich war einer der allerersten in diesem Land.«
Ich gab einen passenden Laut von mir.
»Die Welt am Abend: herrje - ein großartiges Buch! Eines der wahrhaft großartigen Bücher, die in unserer Zeit geschrieben worden sind.« Der Produzent senkte die Stimme, als beträten wir gerade eine Kirche. »Wissen Sie was?« Er warf einen raschen Blick auf die Gruppe, die er verlassen hatte; offenbar befürchtete er, man könnte zuhören. »Irgendwo in diesem Buch steckt ein großartiger Film. Ein verdammt großartiger Film. Die meisten Leute würden das gar nicht erkennen. Ich schon. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ein Film in dem Buch steckt . Hat schon irgendjemand die Rechte erworben?«
»Ich glaube nicht.« Ich blickte zu der Menge im hinteren Teil des Zimmers. Eben war mir aufgefallen, dass Jane nicht da war. »Ich könnte es herausfinden, falls Sie interessiert sind.« Auch Roy Griffin war nicht da.
»Ich bin definitiv interessiert. Definitiv . Angenommen, wir werden uns handelseinig, würden Sie die Möglichkeit in Betracht ziehen, uns beim Drehbuch zu helfen?«
»Ich bin kein Schriftsteller, wissen Sie.« Natürlich konnte Jane in der Bar sein. Oder mit Mrs Novotny neue Kleider bewundern. Vielleicht war sie ja gar nicht mit Roy zusammen.
»Kein Schriftsteller, Mr Monk? Ich bitte Sie - wir wollen doch nicht so verdammt bescheiden sein! Was ist mit der Einführung, die Sie für die Gesammelten Erzählungen verfasst haben? Ich habe sie mehrmals gelesen. Das haben Sie ganz wunderbar hingekriegt. Feinfühlig. Sensibel. Niemand außer Ihnen hätte so schreiben können. Niemand sonst kannte sie so gut wie Sie.«
»Nun - ich freue mich, dass sie Ihnen gefallen hat, aber -«
»Und es ist keine Frage von Filmerfahrung. Lassen Sie es mich so sagen - wir brauchen Sie als eine Art, nun ja, künstlerisches Gewissen. Ihnen würde es auffallen, wenn wir völlig danebenliegen. Sie sind der einzige Mensch, der uns das sagen kann. Und wir müssen von Anfang bis Ende behutsam vorgehen. Müssen auf jede kleinste Nuance achten, oder wir gehen unter. Jedes Wort, das Elizabeth Rydal geschrieben hat, ist mir heilig. Heilig. Ich meine es ernst. Ich möchte diesen Film so drehen, wie sie es sich gewünscht hätte - diesen wunderbar zarten Stil einfangen und auf Zelluloid konservieren, wenn Sie verstehen, was ich meine .«
Ich muss die beiden finden, dachte ich. Jetzt, auf der Stelle. Ich ertrage es nicht länger. Diesmal muss ich mir absolut sicher sein.
Die Stimme des Produzenten drang wieder zu mir durch: »Wie wäre es irgendwann mit einem Mittagessen? Warum rufe ich Sie nicht gleich am Montag an?«
»In Ordnung.« Ich riss ein Blatt aus meinem Notizbuch, kritzelte meine Telefonnummer hin und fügte eine falsche Ziffer ein; ein Lieblingstrick von mir. Wenn sie einen schließlich doch aufspüren, kann man immer so tun, als wäre es ein Versehen gewesen.
»Und Mrs Monk natürlich auch. Falls sie sich uns anschließen möchte.«
»Ich werde sie fragen.« Ich drückte ihm den Zettel in die Hand und entfernte mich, bevor er noch ein Wort sagen konnte.
Am Eingang zur Bar begegnete ich Mrs Novotny, anmutig und verstörend gescheit, in einem Dirndlkleid mit Sklavenarmreifen.
»Holen Sie sich einen Drink? Gut!« Sie schenkte mir ein funkelndes Lächeln und drückte die Krähenfüße um ihre Augen zusammen. »Ich mag Männer, die wissen, wie man sich um sich selbst kümmert.«
Ich grinste sie benommen an. (»Dein Sterbender-Jesus-Blick«, nannte es Jane, wenn sie...
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