Schweitzer Fachinformationen
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4. KAPITEL
Frühjahr 1228
Bereits am Morgen nach der Glaubensprüfung hatte sich Theo bei winterlicher Kälte mit einem Kahn nach Deutz bringen lassen. Nun saß er seinem ungeliebten Oheim Heinrich von Limburg gegenüber, der sich im Lehnstuhl seines Arbeitsgemaches in seiner Deutzer Burg zurechtrückte. Die Flammen züngelten in den Kaminen und Feuerschalen.
»Theo«, sprach Heinrich von Limburg, »der Kaiser hat den Kreuzzug auf den Frühsommer verschoben. Ich habe dich, bevor ich die Truppen ins Heilige Land führe, herrufen lassen. Ich will sehen, ob du an der Rückerlangung der Grafschaft teilhaben kannst, denn es heißt, du scheinst recht mutlos und voller Zweifel.«
Theo fühlte sich ob der Worte seines Oheims herausgefordert.
Er denkt wohl, dass er mich in irgendeiner seiner Burgen als Höfling am Leben hält, damit ich seine Ansprüche auf mein Land legitimiere, aber ich habe meinem Vater Rache geschworen.
»Wenn du mir sagst, dass du dem Kampf um deine Grafschaft gewachsen bist, schicke ich dich in die Kommende Ramersdorf.«
Erschrocken gab Theo seine Zurückhaltung auf, die er seit dem Zögern seines Oheims vor Cöln in den Novembertagen des Jahres 1226 bewahrt hatte. »Herr, ich kann noch nicht so bald nach Ramersdorf. Ich . ich . Vater und Mutter sind mir in einem Traum erschienen.« Er musterte seinen Oheim unsicher, denn er rechnete damit, umgehend des Raumes verwiesen zu werden.
»In einem Traum?«, wiederholte der Herzog ungläubig. Mit einem Nicken begehrte er, mehr zu wissen.
»Es waren nur die Worte >Geh und finde Einhard.<«
»Ein Traum, mehr nicht. Gib nicht zu viel darauf!«
»Herr«, wollte sich Theo rechtfertigen, »in Sankt Katharina .«
»Schon gut, schon gut! Ich will nicht gegen den Orden sprechen, aber was willst du tun?«
»Herausfinden, wer dieser Einhard ist. Wisst Ihr es, Oheim?«
Heinrich dachte kurz nach, bevor er antwortete: »Nein, einen Mann dieses Namens kenne ich nicht.«
Theo spürte verzweifelte Hilflosigkeit in sich aufsteigen.
»Warte!«, sprach der Oheim. »Wenn es um die alte Gefolgschaft Friedrichs geht, weiß ich vielleicht Rat.« Er griff eine Glocke und läutete.
Augenblicklich kam ein Knappe herein. »Ihr wünscht, Herr?«
»Hol mir Cedric.«
Der Mann verschwand ebenso schnell und demütig, wie er gekommen war.
»Es gibt nur ein Problem, mein Junge.«
Theo schaute seinen Oheim aufmerksam an.
»Der Tag für Ramersdorf ist festgeschrieben.«
»Welcher Tag ist es, Herr?«
»Mariä Heimsuchung.«
»Dann muss ich sofort gehen.«
»Ich hätte dich gern eine Zeit hier gehabt, bis ich auf den Kreuzzug gehe, Theo.«
Es klopfte an der Tür. Theo sprang auf und öffnete dem Knappen Cedric.
»Herr, Ihr schickt nach mir.«
»Kennst du einen Mann namens Einhard?«
Cedric schaute erst zu Theo, dann zum Herzog. »Er ist ein alter Einsiedler - ein wirrer Kauz, wenn Ihr mich fragt. Aber mein alter Herr, Euer Schwager, ritt des Öfteren in die Sauerlande. Dann sprach er lange Zeit mit ihm.«
Theo horchte erleichtert auf.
Dann kennt er meinen Vater gut. Ich muss diesen Einhard treffen, dachte er.
»Großartig, Cedric«, dankte der Herzog dem Knappen.
Der nickte kurz. »Herr, kann ich sonst noch etwas tun?«
»Ja, stell einen Conroi zusammen. Für die Sicherheit meines Neffen. Ihr reist in Feindesland.«
»Herr, mit Verlaub«, wandte Cedric ein, »wir müssten mit einem Heer reisen, um ihn zu schützen.« Cedric nickte zu Theo hinüber. »Die Unauffälligkeit sollte in diesem Fall unser Schild sein.«
Herzog Heinrich überlegte kurz. »Also gut. Dann bereite alles vor. Und, Cedric . du bürgst für ihn mit deinem Kopf.«
»Sehr wohl.« Der erfahrene Knappe verbeugte sich und verließ das Gemach, wobei er Theo mit einem Schmunzeln zuzwinkerte.
Am liebsten hätte Theo mit einem Lächeln geantwortet, doch er war dem Herzog zugewandt und wollte ihm seine Erleichterung nicht zeigen.
»Dieser Einhard hat Friedrich die falschen Ratschläge gegeben. Er und niemand anderes ist an unserem Unglück schuld«, empörte sich Theos Onkel Wilhelm, als ihn Herzog Heinrich zu Deutz über Theos Pläne unterrichtete.
»Auf wessen Seite steht er also? Auf der Ados?«, höhnte Heinrich voll Ironie.
Wilhelm hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat er meines Bruders Sinne in die falsche Richtung gelenkt.«
»Unsinn, hätte die Gefangennahme Engelberts geklappt, würde Einhard, oder wie er sich schimpft, jetzt als klug und weise gelten.«
»Das hat sie aber nicht. Es heißt, er sei ein böser Zauberer, der seit Jahren durch die herrenlosen Lande streift und wie ein Gograf Urteil hält.«
»Ihr meint, er erhebt sich über den Adel?«
»Ja, das sagen die Leute, und ich glaube es.«
»Er glaubt es!«, rief Heinrich. »Ihr sucht einen Schuldigen, um Euren Bruder reinzuwaschen.«
»Ich will nicht mit den falschen Leuten im Bunde sein, wenn es gilt, unsere Lande zurückzugewinnen.«
»Was wollt Ihr also tun?«
»Ich werde Theo finden und ihn aufhalten. Man sollte diesem Einhard den Garaus machen.«
Theo und Cedric hatten Burg Altena hinter sich gelassen und waren tiefer in das Land der tausend Berge geritten. Je weiter das Auge blickte, umso schemenhaft heller wurden sie. Kleine Bäche sprudelten unter Eiskristallgewölben die Höhen hinab. Erste Vögel rührten im Gehölz. Mit allen Sinnen nahmen Theo und Cedric die ruhige Stimmung wahr. Gab die Natur den Blick frei, sahen sie unberührte wintermatte Wiesen, die an finstere Tannen und kahle Eichenwälder grenzten. Sie erreichten eine weite Hochebene, auf der, einer Herrscherin über alle Bäume gleich, eine riesige Eiche stand. In ihrem Schutz errichteten sie ihr Lager für die Nacht. Während sich Cedric um das Feuer kümmerte, stellte Theo einen Windschutz aus jungen Erlen her, wie es ihm sein Vater gezeigt hatte.
»Da werden wir eine gute Nacht drin haben«, sagte der Knappe zufrieden, als Theo sein Werk an die Eiche lehnte.
Im Dämmerlicht kauerten sie sich vor das Feuer und aßen das, was sie an Proviant mit sich führten.
»Meinst du, das Feuer verrät uns?«, fragte Theo.
»Wollen wir das nicht - von Einhard gefunden werden?«
»Und wenn es Räuber sind?«
»Hier sind wir sicher. Wahrscheinlich weiß der alte Rabe schon längst, dass wir hier sind, und sieht nach uns. Trotzdem werden wir abwechselnd schlafen und wachen. Ich schlafe so oder so auf meiner Liebsten.« Cedric tippte auf das Heft seines Kurzschwertes.
Pierre entriegelte die Tür und trat ein. Mit dem jungen Mann im Mönchsgewand strich ein kalter Hauch in die warme Stube.
Einhard schaute unwillig von seinem Folianten auf und grummelte: »Pierre.«
Pierre hängte seinen Mantel an einen der hölzernen Zapfen an der Wand und kam näher. Während er die Hände dem warmen Feuer entgegenreckte, sagte er: »Bei der alten Eiche am Hegenscheid habe ich einen jungen Reiter mit seinem Knappen gesehen.«
»Von der Sorte gibt es viele.«
»Sie hätten über die Wolfsegge reiten können. Stattdessen nahmen sie die steinerne Brücke und ritten den Born hinauf. Mir war, als mieden sie die Gegend um die Burg und hielten sich im Verborgenen.«
»Immer noch nichts Besonderes«, befand Einhard, die kantige Nase unbeirrt in die Seiten vertieft.
Pierre lächelte. Dieses Spiel, den Älteren zu überzeugen und dabei Spannung aufzubauen, hatten sie über die Jahre eingeübt, unter anderem, damit die Zweisamkeit gegenüber der Einsamkeit den höheren Wert behielt.
»Ich bin ihnen bis zum Hegenscheid gefolgt, wo sie an der hohen Eiche ihr Nachtlager aufgeschlagen haben.«
Einhard wurde aufmerksam und schlug das Buch zu. »Dummköpfe. Wenn sie wollen, dass ihnen die Kehlen durchgeschnitten werden . Und, was war jetzt besonders an ihnen?«
Pierre hätte Namen nennen können, denn er kannte Cedric aus alten Tagen. Er tat es nicht. »Die Satteldecken.«
»Wie?«
»Das Wappen.«
Einhard zog die Brauen hoch und schaute auffordernd zu dem Jüngeren herüber.
»Sie trugen den Limburger Löwen.«
Einhard schien kurz nachzudenken, dann beugte er sich vor. »Theo! Das ist Theo! Friedrich hat ihn mir gesandt!« Der Alte bekreuzigte sich und flüsterte: »Nun wird das letzte Lied gesungen.«
»Sollen wir ihn jetzt noch holen?«, erkundigte sich Pierre.
»Wir gehen heute Nacht raus und treffen ihn morgen früh, wenn er ausgeruht ist. Lass uns zu Bett gehen und ein paar Stunden Schlaf nehmen.«
Die Glocke schlug zur Laudes. Wilhelm rüstete sich im Halbdunkel und verließ Burg Deutz. Schweigend grüßte er die Wachen, während die Hufe seines Schlachtrosses auf dem Pflasterstein unter dem Torbogen widerhallten.
Ab dem Helinkiweg, der alten Heerstraße, die sein Bruder Friedrich einst wiederhergerichtet hatte, folgte er der Ennepe bis zur Volme, diese durchritt er, und zwischen Sext und Non sah er Kloster Elsey vor sich liegen. Die Lenne riss träge an seinem Sattel, als er sie durchquerte. Die Mauerzinnen des Klosters waren von Efeu berankt, und anders als vor zwei Jahren reichte das Blätterwerk bis in den Torbogen. Wilhelm ritt durch die Klosterpforte. Er musste schlucken. Hier lagen die Gebeine seines Bruders, hier war seine gestrenge Mutter Herrin. Eine Glocke wurde geschlagen. Die Nonnen im Hof verbeugten sich.
»Als ob ich das nicht...
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