Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die Lobby ist stilvoll ohne Kompromisse. Eine gläserne Treppe führt in weitem Schwung auf eine luftige Empore hinauf, ein glänzender Flügel steht in der Mitte des Raums. Die Blumenarrangements wirken beinahe architektonisch. Ich stehe in einem Meer aus Smokings und Cocktailkleidern, aus Geplauder und klirrenden Gläsern, und suche nach einem bekannten Gesicht.
«Möchten Sie vielleicht einen Rosmarin-Martini?» Eine Kellnerin taucht mit einem Tablett voller Gläser neben mir auf. Ihre schlanke Figur ist adrett in ein schwarzes Minikleid gehüllt.
«Danke sehr», erwidere ich und nehme mir ein Glas. Ich trinke einen Schluck und frage mich, ob das Rosmarinzweiglein den Unterschied zu einem Gin Tonic ausmacht. Dann recke ich den Hals, um über die Menge hinwegzublicken.
Ich weiß, dass außer mir noch andere von der Universität hier sind: Petra, mein Chef Alistair und seine Frau Maureen aus meiner Abteilung für Molekulare und Zelluläre Physiologie. Ich weiß, dass es nicht gut ist, aber insgeheim hoffe ich auf einen Platz neben einem von ihnen, damit ich nicht neben einem Fremden sitzen muss. Es ist nicht so, dass ich völlig unfähig wäre, Smalltalk zu führen, ganz im Gegenteil. Aber ich bin nun mal gern mit gleichgesinnten Menschen zusammen, selbst wenn wir dann nur über die Affäre zwischen unserem neuen Dozenten und der ukrainischen Doktorandin lästern.
Letztlich ist es egal, wo ich am Ende sitze - ein glamouröser Wohltätigkeitsball ist definitiv eine Abwechslung zu meinen letzten Freitagabenden. Die habe ich nämlich im Labor verbracht, ins Mikroskop gestarrt und Fotos von fluoreszierenden Proteinen gemacht. Petra weist mich gern darauf hin, dass eine dreiunddreißigjährige Single-Frau ihre Wochenenden so nicht verbringen sollte.
«Also, das nenne ich mal einen Hingucker. Was für Wahnsinns-Schuhe!» Ich drehe mich um. Petra grinst auf meine Füße herab. «Die können aber nicht bequem sein.»
«Na ja, es fühlt sich nicht gerade an wie schweben», gestehe ich.
Petras runde Apfelbäckchen werden durch eine komplizierte, verschlungene Hochsteckfrisur betont, und sie trägt ein hübsches gelbes Kleid. Nach der Entschlossenheit zu urteilen, mit der sie ihre Paschmina-Stola über der Brust zusammenzieht, bereut sie ihre Wahl bereits bitterlich.
«Das ist aber ein wunderschönes Kleid», sage ich.
«Findest du wirklich?», fragt sie und zieht den Ausschnitt ein wenig höher. «Auf dem Weg herein habe ich zufällig den Prorektor der Uni getroffen, und ich glaube, der war kein Fan davon.»
«Na ja, ich weiß auch nicht, ob das Kleid ihm so gut stehen würde, aber an dir ist es der Knaller.»
Sie schnaubt.
Doch ich sage die Wahrheit, und nicht nur deshalb, weil ich mich während der Arbeit an unserem gemeinsamen Projekt über CFTR-Protein-Anomalien in den glattmuskulären Atemwegen eher daran gewöhnt habe, sie bei ihrer Ankunft im Labor Choco-Pops aus dem Haar fingern zu sehen. Es war ein wichtiges und äußerst komplexes Projekt, was bedeutete, dass wir ständig bis spät in die Nacht arbeiten mussten. Das ist für mich kein schlimmes Opfer, aber ich weiß, wie schwer es Petra fällt, ihre beiden kleinen Töchter nicht ins Bett bringen zu können.
Dennoch ist die Forschung immer noch der befriedigendste Teil des Jobs, das finden wir beide. Die Aussicht darauf hat mich durch halb Großbritannien tingeln und dann wieder an die Russell Group University zurückkehren lassen, die seit 1881 in meiner Heimatstadt floriert. In wichtigen Bereichen der wissenschaftlichen Forschung ist sie führend und hat bereits neun Nobelpreisträger hervorgebracht. Um Forschung geht es auch bei dieser Veranstaltung. Jeder Penny, der an diesem Abend gespendet wird, fließt in die Mukoviszidose-Forschung, und zumindest ein Teil davon in meinen Forschungsbereich. Also sollte ich mich wirklich zu ein wenig Smalltalk überwinden.
«Ich sehe, dein Freund Ed hält die Begrüßungsrede», sagt Petra. «Ich habe den Eindruck, dass in diesem Saal ziemlich viel Geld versammelt ist. Hoffentlich ist er überzeugend.»
«Das hoffe ich auch.»
«Die Investoren lieben ihn wohl, nach allem was man hört», fährt sie fort. «Daher können wir hoffen, dass er die Meute mit seiner Rede aus den Socken haut.»
Bei der Vorstellung muss ich lächeln - nicht, weil ich nicht glaube, dass Ed Leute aus den Socken hauen könnte. Ich habe seine Wirkung auf beide Geschlechter schließlich schon oft mit eigenen Augen beobachtet. Selbst ganz nüchterne Menschen werden in seiner Anwesenheit zu zahmen Bewunderern. Aber egal, wozu mein Freund fähig ist, für mich bleibt er immer der dünne Junge, der im oberen Stockwerk des 86er-Busses hinter beschlagenen Scheiben neben mir sitzt und sich mit mir vor Lachen krümmt.
«Konntest du Simon heute Abend nicht mitbringen?» Noch während ich es sage, fällt mir auf, dass ich mich nicht daran erinnern kann, wann Petra ihren Mann zum letzten Mal zu einer Veranstaltung wie dieser mitgebracht hat.
«Wir haben keinen Babysitter bekommen. Außerdem hasst er solche Veranstaltungen. Es gibt einen Grund dafür, dass Wissenschaftler meistens untereinander heiraten, weißt du. Wir langweilen alle anderen zu Tode.»
«Du musst ja nicht von dir auf andere schließen.»
Sie lacht.
Jetzt werden alle gebeten, doch bitte ihre Plätze einzunehmen. Es ist ein großer Saal, stimmungsvoll erleuchtet von roséfarbenen Lämpchen in der Mitte der Tafel. Ich setze mich neben einen Mann, der mir sofort seine Hand entgegenstreckt. «Guten Abend! Ich bin Teddy Hancock.» Ich schätze ihn auf Anfang sechzig, er ist Amerikaner. Er hat ein joviales Gesicht und schwere Lider.
«Oh, ich glaube, Ed hat Ihren Namen erwähnt. Ich bin Allison Culpepper.»
Seine Mundwinkel verziehen sich befriedigt nach oben. «Wir versuchen gerade, einen Deal auszuhandeln. Arbeiten Sie für ihn?»
«Ach du meine Güte, nein. Ich bin mir sicher, er wäre ein großartiger Chef, aber wir sind nur alte Freunde. Ich bin an der Universität, arbeite als Wissenschaftlerin in der Forschung.»
«Also sind Sie Professorin Allison Culpepper?»
«Doktor.» Mir ist es nie leichtgefallen, mein eigenes Loblied zu singen. Manchmal muss ich mich selbst daran erinnern, dass ich mir diesen akademischen Grad und die Autorität, die er mit sich bringt, verdient habe. Es gibt also keinen Grund, damit hinter dem Berg zu halten. «Aber geben Sie mir Zeit.»
«Was ist denn Ihr Spezialgebiet?»
«Physiologie», antworte ich. In seinem Gesicht spiegelt sich vages Verständnis, das mich ein bisschen an meinen sechsjährigen Neffen erinnert, der vollkommen davon überzeugt ist, dass ich wichtige Arbeit auf dem Gebiet kohlensäurehaltiger Getränke leiste.
«Haben Sie mit dieser Spendenaktion etwas zu tun?», fragt er.
«Diese Organisation hat vor ein paar Jahren eins meiner Forschungsprojekte finanziert. Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der Pathophysiologie der Atemwege in Verbindung mit Mukoviszidose. Ich war übrigens diejenige, die Ed dazu überredet hat, sich für die Krankheit zu engagieren. Er ist vor ein paar Jahren zu Wohltätigkeitszwecken den London-Marathon gelaufen, und da dachte ich, es wäre eigentlich noch besser, wenn er seine Energien in diese Sache hier stecken würde. So kann ich weiter auf ehrliche Weise Geld verdienen.»
Seine Augen verengen sich ganz kurz. «Wissen Sie, Sie sehen gar nicht aus wie eine Wissenschaftlerin.»
«Wirklich? Na ja, unter uns, inzwischen dürfen wir Wissenschaftlerinnen sogar Lippenstift tragen. Wenigstens an unseren freien Tagen.»
Er wiehert vor Lachen.
Die Wahrheit ist, dass ich heute Abend weit mehr Lippenstift trage als sonst. Eine kleine Lücke zwischen meinen Vorderzähnen hat mir in der Schule ein paar ausgesprochen charakterbildende Spitznamen beschert, sodass ich die Aufmerksamkeit immer noch nicht gern auf meinen Mund lenke. Aber diese Gelegenheit hier ist angemessen wichtig, um von dieser Regel abzuweichen. Und irgendwie passt der Lippenstift auch zu meinem dunklen Haar und dem smaragdgrünen Kleid, das meine wabbeligen Stellen so gut zusammenhält und mein Herz sofort höher schlagen ließ, als ich es entdeckte.
«Meine Damen und Herren, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten.» Der Marketingchef der Wohltätigkeitsveranstaltung steht am Rednerpult. Er hat ein kleines Gesicht und schütteres, rotblondes Haar, dazu aber eine überraschend tiefe, tragende Stimme.
«Den Mann, den ich Ihnen heute vorstellen möchte, kennen viele von Ihnen beruflich und einige von Ihnen persönlich. Seine Firma Spark war die Erfolgsgeschichte des Dotcom-Booms und ist zu einem...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.