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Freitag, 30. Oktober, 06.31 Uhr morgens
Matthew Riley schoss vom Bett hoch, geweckt von seinem wiederkehrenden Albtraum. Seine Stirn war von einem dünnen Schweißfilm bedeckt.
Er stellte den unerträglichen LED-Wecker ab, schwang die Beine aus dem Bett und schaltete die weiße Lampe mit dem beweglichen Hals ein. Beim Aufleuchten der Birne kniff er die Augen zusammen. Er streckte die Hand aus und griff nach seiner Brille - eine Nerd-Brille - und setzte sie auf die Nase.
Eine Nerd-Brille für einen Nerd.
Die Stimmen der Kinder in der Schule, die dieses Wort für ihn benutzt hatten, verbanden sich für einen Moment zu einem misstönenden Chor, der in seinem Kopf widerhallte.
Nerd, Nerd, Nerd!
Das N-Wort, das erste Wort, was ihm an diesem Morgen in den Sinn kam, würde später wieder in der Schule auftauchen - so war es immer.
Das Wort störte ihn nie wirklich. Es war eher nervig für ihn, als ein Beispiel für echtes Mobbing.
Manchmal war es wie eine Gewohnheit: »Yo! Matthew, du Nerd, kann ich mir dein Wissenschaftsbuch leihen?«
»Hey, Nerd, gibt es eine Chance, dass du die Ergebnisse des Tests nächste Woche mit diesem Computer rauskriegst?«
Leider war das die Einfachheit des urteilenden Highschool-Blicks.
Man sah so aus - dann war man es.
Es war nicht so, dass er in Cordhosen mit Schlag aus dem vergangenen Jahrzehnt und einer Tasche voller Stifte herumlief. Eigentlich sah er nicht anders aus als die übrigen durchschnittlichen Jugendlichen. Sweatshirt, Bluejeans, Tennisschuhe von Adidas.
Es lag nur an der Brille. Dicke Gläser mit einem glänzenden, schwarzen Rahmen. Die Brille - und seine Computerkenntnisse. Eine Mischung, die zusammen ein Ergebnis ergab.
Sofortiger Nerd.
Es war genauso, als wenn man jemand Großen ständig daran erinnerte: »Wow! Bist du groß! Du solltest Basketball spielen!«
Oder als ob man einem umwerfenden Mädchen immerzu sagte: »Wow! Bist du schön! Du solltest ein Model sein!«
Oder, in seinem Fall: »Wow! Du bist klug! Du trägst eine Brille! Du solltest ein Nerd sein!«
Wenn er 'Nerd!' nicht im Bus oder auf dem Weg zur Schule hörte, dann konnte Matthew darauf wetten, dass es passierte, wenn Mr. Gilbert, der Lehrer für Computerwissenschaften, sich wieder verspäten und sie vor dem Klassenraum warten lassen würde. Und dann würden Rob Conroy, Gary Lynch oder Tom Rustler dafür sorgen, dass er es hörte: Nerd!
Wenn diese drei Arschlöcher es sagten, war es mit all der Verachtung, die ein Rassist aufbringen würde, wenn er das andere N-Wort sagte.
Aber das war alles, was diese Schimpfwortrufer in seinen (vier) Augen waren: Arschlöcher, beliebte Arschlöcher, normale Arschlöcher. Und Rob, Gary und Tom waren die drei Lieblingsarschlöcher des Leichtathletik-Teams.
Matthew stieg so leise wie möglich aus dem Bett, um niemanden zu wecken, der vielleicht noch schlief. Sein Pyjama entfaltete sich aus der Fetallage, in der er die ganze Nacht zusammengerollt gelegen hatte. Er zog die Laken mit dem schwarzweißen Karomuster wieder zurecht. Er langte zum unteren Teil des Bettes, schnappte das Black Flag T-Shirt, das ihm seine ältere Schwester auf einem Konzert gekauft hatte, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und warf das T-Shirt in eine Ecke.
Dann erinnerte er sich, warum er überhaupt geschwitzt hatte. Es war zwei Monate her, seit er zum letzten Mal diesen Traum gehabt hatte. Seit er ihn in seinem Schlaf verfolgt hatte. Er war sicher gewesen, dass er seit dem letzten Mal verschwunden war . und jetzt war er zurück.
Die völlige Dunkelheit, das Bewusstsein, dass er irgendwie komplett in dem Albtraum gefangen war. Nicht nur gefangen, sondern gelähmt, unfähig, seine Hände zu bewegen, die Beine fest zusammengebunden, Teile der Dunkelheit selbst hatten sich um sein Gesicht geschlungen, zogen an seinen Augen, schnitten in die Seiten seines weit aufgezwungenen Mundes. Er wehrte sich panisch, fiebrig vor Angst, atmete angestrengt keuchend, und niemand hörte seine gedämpften Schreie. Sein Körper fühlte sich heiß und verschwitzt an, der Boden, auf dem er lag, war kalt und steinhart, sodass ihn dort, wo er entblößte Haut berührte, Schauer durchliefen. Er bekam nur bei dem Gedanken daran eine Gänsehaut.
Wenn er aufwachte, verfolgten ihn die Empfindungen des Traumes, brannten sich in ihn wie ein Geisterbild, das nach dem Ausschalten auf dem Fernsehschirm zurückblieb.
Leise und mit langsamen Schritten ging er über den dicken, sturmgrauen Teppich zu seinem Schreibtisch, wo er ohne nachzudenken seinen IBM 5150 PC einschaltete. Der Einschaltknopf klang, als würde ein Abzug durchgedrückt.
Der 4.77-MHz Intel 8088 Prozessor öffnete sein elektronisches Auge. Elektrizität lief durch seine gelöteten Adern, und der Bildschirm erwachte aus seinem Schlaf.
Der Computer war nagelneu, ein Vorteil des Jobs seines Vaters als örtlicher Manager von Radio Shack.
Für seinen Dad war der Computer nur ein Spielzeug, etwas, das man einem Kunden aufdrängte. Aber für Matthew war er viel mehr.
Manche Menschen konnten etwas mit Worten erschaffen, manche mit Bildern. Er verstand etwas vom Programmieren, und mit der Binärsprache konnte er alles erschaffen, was der Speicher des Computers erlaubte.
Für die Lehrer war er ein Wunderkind, für seine Eltern ein Genie, und für Gleichaltrige und Mitschüler ein Nerd. Es war nicht so, dass er uncool war, jedenfalls nicht seiner Meinung nach. Er war gut mit den 'Computersachen', wie seine Mutter es schwammig ausdrückte.
Das war seine Morgenroutine: Er stand um 6.30 Uhr auf und war an der Tastatur, bevor seine Mom um Viertel vor acht an seine Tür kam. Um acht Uhr ging er zum Frühstück nach unten.
Er legte, während er tippte, ein dickes Handtuch über seine Hände. Es diente als Schalldämpfer, damit niemand vom Klacken der Tasten aufwachte. Seine Tastenanschläge klangen wie entferntes Maschinengewehrfeuer.
Vor dem Boom der Atari-2600-Heimkonsole, die den Vorteil mit sich brachte, Pac Man im eigenen Wohnzimmer spielen zu können, spielten die Kids in seiner Highschool bereits eine gekürzte Version, die er auf dem Computer der Schule programmiert hatte.
Zu dem Zeitpunkt erkannten die Lehrer sein Potenzial, erzählten seinen Eltern davon und unterstützten sein Talent, so weit sie konnten. Wenn jetzt Freunde zu ihm kamen und ihn um Dinge baten, die unter Freunden üblich waren, runzelte Matthews Mom die Stirn, weil sie von seinem Potenzial wusste.
Inzwischen runzelte Matthews Mom bei allem, was mit ihm zusammenhing, die Stirn. Während des letzten Jahres waren das Normale und das Durchschnittliche abhandengekommen. Seine beiden Schulfreunde, Dan Keaton und Nick Ormsby, baten ihn dauernd, etwas für sie zu machen.
»Du musst dir diesen Film First Blood ansehen! Er ist fantastisch! Kugeln und Blut spritzen nur so über den Bildschirm!«
»Heilige Scheiße! Die Eltern von Danny Anderson haben HBO, man kann den ganzen Tag zusehen, wie die Schädel von Leuten in zwei Hälften gespalten werden!«
»Oh, mein Gott! Wir haben ein Videoband unter dem Bett von Terrys Dad gefunden, die Frauen . Herr im Himmel . Titten größer als dein Kopf, Mann!«
Manchmal hing er mit ihnen ab und machte Sachen, die jeder andere Jugendliche in seinem Alter machte. Aber dann nagten Schuldgefühle in ihm. Das College war nur noch vier Jahre entfernt, drei Jahre, zwei Jahre . und die Schuldgefühle, der Druck von außen wegen dieser Computersache, wegen des Nerds, wegen des Potenzials, schienen ihn zu zerquetschen, als wäre er in einer Autopresse.
Außerhalb des Computerbildschirms gab es nur eine Sache, die den Druck eindämmte.
Er hörte auf, auf die Tasten einzuhämmern, und schloss das Dokument, das er für seine große Abschlussarbeit programmierte - ein vernetzter Computer-Wetterdienst.
Er warf die Floppy-Diskette aus, schob sie zurück in ihre Papierhülle, griff unter seinen Schreibtisch und holte eine seiner alten Ausgaben des Byte-Magazins hervor, ließ eine andere Diskette - die geheime Diskette - aus seinen Seiten hervorgleiten und schob sie in den Computer.
Er tat das mit dem zwielichtigen Aussehen eines Mannes in einem Regenmantel, der mit einer braunen Papiertüte einen Pornoladen verlässt.
Der laute Lademechanismus des Laufwerks ließ ihn zusammenzucken.
Eine einzelne Zeile weißen Textes erschien auf dem schwarzen Bildschirm:
LADE: KARA
Dann Dunkelheit, das Surren des kleinen Motors, Zahlen und Text. Die Programmierung, seine Sprache wurde verarbeitet und berechnet.
Kara.
Man konnte es bisher nur als eine Schwärmerei bezeichnen. In den letzten fünf Jahren war er selten näher als drei Meter an sie herangekommen.
Als Kinder waren sie befreundet gewesen, bevor es etwas bedeutete, dass sie ein Mädchen und er ein Junge war. Jetzt jedoch bedeutete es etwas für Matthew, dass Kara Campton ein Mädchen war, und er konnte nichts dagegen tun.
Sie war eins zweiundsechzig groß, hatte den durchtrainierten Körper einer Leichtathletin und dickes, zurückgekämmtes, brünettes Haar, das von so viel Haarspray gehalten wurde, dass man damit ganz Russland hätte vergasen können. Sie kannte die beliebten Arschlöcher, die normalen Arschlöcher und die drei Lieblingsarschlöcher des Leichtathletik-Teams.
Tatsächlich ging sie mit Rob Conroy, dem Star-Arschloch des Leichtathletik-Teams der Jungen....
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