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Auf Key West kämpft Harmony für ihre Schwester – und die Hoffnung
Harmony lebt als Journalistin in Phoenix. Die Liebe hat sie nach einigen Enttäuschungen aufgegeben. Stattdessen konzentriert sie sich ganz auf ihren Beruf und auf ihre ältere Schwester Hope, die seit drei Jahren vergeblich gegen Leukämie ankämpft. Hopes größter Wunsch ist es, ihre letzten Wochen auf Key West zu verbringen – ihrem liebsten Ort auf Erden. Harmony begleitet Hope und erfüllt ihr einen Traum: noch einmal Delfine zu beobachten.
Doch schon bald überschlagen sich die Ereignisse. Ein Hurrikan zieht auf und Hopes Zustand verschlechtert sich drastisch. Nach dem Sturm ist nichts mehr, wie es einmal war, und Harmony muss lernen, loszulassen. Kann sie unter den Palmen ihren Frieden finden und vielleicht sogar noch mehr?
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Phoenix, heute
Sie trank einen Schluck Orangentee und stellte den Becher zurück auf das Fleckchen, das sie sich freigeschaufelt hatte. Es umgaben sie unendlich viele Zettel mit Notizen, deren Ordnung wohl niemand verstehen könnte außer Harmony selbst. Seit Wochen schon recherchierte sie zum Thema Obdachlosigkeit und Drogensucht in der Stadt. Denn es wurde immer tragischer, bald würde Arizona wahrscheinlich genauso tief im Elend stecken wie Kalifornien mit seinen Zelt-Straßen und -Stränden. An der Ostküste war es nicht weniger schlimm, vor allem seit New York angekündigt hatte, leer stehende Hotels in Obdachlosenunterkünfte umzuwandeln. Leider protestierten ausgerechnet die gut betuchten Bürger in ihren warmen, gemütlichen Millionen-Dollar-Apartments mit ihren vollen Kühlschränken und ihren Memory-Foam-Matratzen gegen die Umsetzung. Denn sie wollten ihre Nachbarschaft nicht mit Armut füllen, wollten nicht täglich damit konfrontiert werden, dass es ihnen besser ging und sie dennoch nichts taten. Und so endeten all die mittellosen Menschen, die mit Mühe und Hoffnung in die Stadt gekommen waren, die doch so viel versprach, auch hier auf der Straße. Nur dass im Osten die Winter kalt waren und der eine oder andere ihn bloß knapp oder gar nicht überlebte.
Wenn man schlau war, suchte man sich ein Plätzchen im Westen, bevorzugt in Kalifornien, wo sogar Venice Beach zu einer Zeltstadt geworden war und die Promenade, die sonst von den Touristen bewandert wurde, einer Szene aus einem Apokalypse-Film ähnelte. Texas und New Mexico, wo an 300 Tagen im Jahr die Sonne schien, waren ebenfalls beliebt, oder eben Arizona, der Staat, den Harmony noch immer ihre Heimat nannte. Trotz der heißen Sommer und des Ausbleibens von Schnee im Winter konnte sie sich nicht vorstellen, irgendwo anders hinzuziehen. Sie mochte Phoenix, ihr Leben hier als Journalistin und überzeugter Single. Was nicht bedeutete, dass sie mit ihren vierunddreißig Jahren den Männern bereits abgeschworen hätte. Sie war es einfach nur leid, alles in eine Beziehung zu stecken und am Ende doch wieder enttäuscht zu werden. Also gab sie sich mit gelegentlichen Dates ohne Verpflichtungen zufrieden und konzentrierte sich auf die wirklich wichtigen Dinge. Das waren zum einen ihr Job, der sie sowieso die Hälfte des Tages einnahm, und zum anderen war es ihre Familie, die sie mehr brauchte denn je.
Kurz dachte sie an ihre Schwester Hope und daran, sie jetzt schon anzurufen. Aber sie wollte erst den Artikel über die schwangere Siebzehnjährige fertig schreiben, die versuchte, von den Drogen runterzukommen. Die keinerlei Unterstützung bekam, weder von ihren Eltern noch vom Staat. Ihr Name war Lesley. Harmony hatte sie vor ein paar Tagen interviewt, was sie schwer mitgenommen hatte. Das Burger-Meal, die Schwangerenvitamine und die Babykleidung, die sie dem Mädchen dafür gegeben hatte, konnten ihr schlechtes Gewissen auch nicht beruhigen. Letzte Nacht war Lesley ihr sogar im Traum erschienen, und am Morgen auf dem Weg in die Redaktion hatte Harmony versucht, sie zu finden, um ihr ein Frühstück zu bringen. Aber die Decke unter der Brücke war leer gewesen, von Lesley keine Spur.
Nick ist der Vater, glaub ich, tippte sie in ihren Laptop. Hab aber keine Ahnung, wo der sich rumtreibt. Er wollte Fentanyl beschaffen und ist nicht wiedergekommen. Das war vor einer Woche oder so.
Harmony musste eine kurze Pause einlegen. Die Augen schließen. Durchatmen. Bevor sie weiterschreiben konnte.
In welchem Monat bist du?
Weiß nicht. Irgendwann wird das Ding schon rauskommen, oder?
Du nennst dein Baby ein Ding . Darf ich fragen, wie du zu der Schwangerschaft stehst? Freust du dich auf das Kleine? Hast du Angst vor der Geburt? Oder davor, was danach kommt?
Ich freu mich drauf. Irgendwie. Dann bin ich wenigstens nicht mehr ganz allein, wenn Nick weg ist. Vielleicht ist er wieder erwischt worden. Kann sein, dass er im Knast ist. Aber die werden ihn schon laufen lassen. Das haben sie letztes Mal auch, und weißt du, warum?
Warum?
Weil der Knast voll ist mit richtigen Kriminellen. Mit Mördern und so weiter. Die brauchen ihre Zellen für die und nicht für jemanden, der sich einfach nur zudröhnen wollte. Der diesem Leben nur für eine Weile entfliehen wollte. Diesem Scheißleben.
Erneut musste Harmony schlucken. Als sie ihrem Redaktionsleiter Wayne Thompson vor zwei Monaten gesagt hatte, sie würde die Berichterstattung zu dem Thema übernehmen, hatte sie nicht geahnt, was es bei ihr auslösen würde. Aber gerade weil sie emotional so involviert war, war eine richtig gute Sozialreportage entstanden, die so viel Leserfeedback erhielt, dass Wayne sie bat, eine wöchentliche Sache daraus zu machen.
Wie lange sie da allerdings noch mithalten konnte, mochte sie nicht vorhersagen. Denn es zehrte an ihren Nerven, brach ihr das Herz und ließ sie nicht mehr los, sobald sie mit den Betroffenen redete, die doch auch nur Menschen waren. Menschen, die vom Glück verlassen worden waren. Einige fast noch Kinder, einige junge Mütter, andere alte Männer, die bereits aufgegeben hatten, bloß von Tag zu Tag lebten und denen es kaum etwas auszumachen schien, wenn morgen ihr letzter wäre.
Sie speicherte ihr Geschriebenes ab und klappte den Laptop zu. Für heute war es genug. Die Uhr zeigte bereits kurz nach acht an, und sie sollte wenigstens ein bisschen Zeit für sich selbst einplanen, bevor sie schlafen ging. Zum Abschalten. Zum Runterfahren. Gegessen hatte sie auch noch nichts. Also ging sie in die Küche und beschloss, sich ein paar Spaghetti zu kochen - ihr Soul Food. Für andere Menschen waren Schokolade oder Kuchen Seelentröster, ihr hatten schon immer Spaghetti geholfen.
Während das Wasser heiß wurde, holte sie ihr Handy hervor und checkte ihre Nachrichten. Vor einer Weile hatte es ein paarmal gepiept, aber sie hatte sich nicht ablenken lassen wollen. Und wenn es etwas Wichtiges gewesen wäre, wenn ihre Mutter oder ihre Schwester sie gebraucht hätten, dann hätten sie sowieso angerufen.
Sie hatte eine Nachricht von Wayne, der fragte, ob sie rechtzeitig mit ihrem Artikel fertig werden würde - was eine unsinnige Frage war, da sie in den sechs Jahren beim Phoenix Eagle noch jede Deadline eingehalten hatte. Ihre Kollegin Bonnie hatte ein paar Informationen zum Gesundheitswesen geschickt, um die sie gebeten hatte. Und ihre beste Freundin Lauren lud sie zu einem Event ein.
Hey, Süße. Wie geht's? Hast du Lust, nächsten Donnerstag mit zu einer Premierenlesung zu kommen?
Harmony musste lächeln. Und wie sie Lust hatte! Die Veranstaltungen, auf die Lauren sie für gewöhnlich mitnahm, waren nämlich . eher ungewöhnlich.
Als sie noch Teenagerinnen gewesen waren, hatten Harmony und Lauren eine gemeinsame Vorliebe gehabt: das Schreiben. Statt sich wie die anderen Mädchen den Cheerleaderinnen oder dem Schulchor anzuschließen, waren sie dem Debattierclub beigetreten und hatten Beiträge für die Schülerzeitung verfasst. Und während Harmony sich nach ihrem Abschluss für den Journalismus entschied, schlug ihre Freundin den Weg als Buchautorin ein. Allerdings schrieb sie keine seichte Frauenunterhaltung, sondern blutige Thriller, die nichts für schwache Nerven waren. Inzwischen war Lauren ziemlich erfolgreich, hatte es bereits viermal auf die Bestsellerliste geschafft und kannte die coolsten Persönlichkeiten. Und deshalb waren die Events, zu denen sie einlud, auch immer einen Besuch wert.
Zuletzt hatte Harmony ihre Freundin auf die Lesung eines Autors begleitet, der eine Reihe über einen Serienkiller geschrieben hatte. Bei der besagten Lesung war ein Cocktail angeboten worden, der aussah wie Blut. Was Harmony aber besonders viel Spaß bereitete, war, die Besucher einer solchen Veranstaltung zu beobachten. Denn während Lauren fiktive Charaktere zum Leben erweckte, waren es für Harmony selbst ja die echten Menschen, die sie interessierten und über die sie letztlich schrieb. Auf diesen Lesungen war dann wirklich alles vertreten: Frauen, die den Autor anhimmelten, Männer, die so aussahen, als könnten sie selbst Serienkiller sein, und sogar ältere Damen, die wirkten, als würden sie gleich ihr Strickzeug aus der Handtasche hervorholen.
Harmony liebte es, sich unters Volk zu mischen, sich mit den verschiedensten Leuten zu unterhalten, neue Eindrücke zu sammeln, etwas über die Menschen zu lernen. Sie war nie schüchtern gewesen, im Gegensatz zu Lauren, die eher introvertiert war, seit Jahren fast ausschließlich Schwarz trug und am liebsten zu Hause blieb - außer wenn coole Veranstaltungen anfielen.
Ich bin dabei! Um was für eine Premierenlesung geht es?
Die Nudeln waren noch nicht fertig gekocht, als Lauren sich schon zurückmeldete.
Mitch Boyd hat doch diesen lang erwarteten Thriller geschrieben, in dem es um die wahre Geschichte der entführten Frauen in Iowa geht.
Klingt spannend. Nenn mir Ort und Uhrzeit, ich werde da sein.
Super, ich freu mich. Wie läuft es sonst so bei dir?
Ehrlich gesagt machen mir die Reportagen über die Obdachlosen ganz schön zu schaffen.
Kann ich mir vorstellen. Aber du bist die Richtige für diesen Job,...
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