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So. Bitte schön. Und - was sagen Sie?«
»Prima. Richtig gut!«
»Ich habe ein bisschen von der Länge weggenommen, wie wir es besprochen hatten und dann habe ich die Stufen etwas angehoben. Das gibt einfach mehr Fülle. Ich glaube, damit kommen Sie jetzt gut zurecht.« Nina hielt ihr den Handspiegel in den Nacken und legte ihn dann zurück auf die Ablage vor dem Stuhl. Danach öffnete sie den silberfarbenen Umhang und bürstete noch ein paar Härchen weg, die sich darunter versteckt hatten.
»Danke!« Die Kundin lächelte sie an. Sie war zum ersten Mal bei Nina. Ein hübsches junges Mädchen, vielleicht fünfundzwanzig, schulterlanges Haar mit selbst gelegten Wellen und einem Pony, der wieder wachsen sollte. Nina hatte vorgeschlagen, die Haare im Nacken ein bisschen zu kürzen und das Ergebnis war wirklich gut geworden. Ihr Haar hatte viel mehr Volumen bekommen und wirkte jetzt voller und gesünder. Oft war das Schneiden ein Drama. Die Mädchen hingen an jedem Zentimeter, als ob nur die Länge zählte. Nina grinste, schließlich wusste sie, wie es später war: Wenn es nur noch auf die Fülle ankam.
Sie begleitete ihre Kundin an die Kasse und nahm den Fünfhundert-Kronen-Schein an.
»Möchten Sie gleich einen neuen Termin?«
»Nein danke, ich melde mich.«
»Okay.« Nina lächelte. »Ich hoffe, Sie sind zufrieden.«
»Ganz bestimmt.«
Sie verabschiedeten sich und als die junge Frau die Tür schloss, erklang der helle Gong. Nina sah ihr durch die Schaufensterscheibe hinterher, dann ging sie zurück an ihren Platz. Genug für heute, Zeit zum Aufräumen. Sie griff nach dem Besen und begann, die Haarbüschel auf dem Boden zusammenzukehren. Dann öffnete sie den Gürtel, an dem Schere und Kämme hingen, und verstaute ihn wieder in der Schublade unter dem Spiegel.
Eigentlich hatte sie vorgehabt, mit Camilla auszugehen. Das war schon lange geplant. Erst einen Drink bei Camilla zu Hause, dann Essen gehen und vielleicht ins Kronan zum Tanzen. Aber Nina hatte abgesagt. Sie hatte sich eine Notlüge einfallen lassen und erzählt, dass eine Erkältung im Anmarsch sei, aber Camilla hatte trotzdem säuerlich reagiert und gejammert, dass sie sich extra für diesen Abend ein neues Kleid gekauft habe. Beinahe hätte Nina sich überreden lassen, als sie das hörte. Aber was sollte das, man kann sich schließlich nicht zum Ausgehen zwingen lassen, nur weil die andere sich neu eingekleidet hat. Nina hatte stattdessen einen neuen Termin in der kommenden Woche vorgeschlagen und Camilla wollte es sich überlegen.
Normalerweise ging sie sehr gern aus, aber in letzter Zeit hatte sie nur wenig Lust verspürt und war lieber zu Hause geblieben. Wahrscheinlich war das keine gute Entwicklung. Wenn sie jetzt nichts unternahm, würde sie den Rest ihres Lebens alleine zubringen. Nicht dass sie es vor Sehnsucht nach einem Mann nicht aushalten würde. Wenn ihr »danach« war, stellte die Sache eigentlich kein größeres Problem dar, und wenn sie Gesellschaft brauchte, dann gab es immerhin noch Matthias. Aber in ein paar Jahren würde er auch aus dem Haus sein und sie ginge dann auf die fünfzig zu. Und ob das so witzig wäre, allein in einem verklinkerten Bungalow zu sitzen und das Ende abzuwarten?
Nein, sie musste sich einen Ruck geben. Nur nicht heute. Matthias war beim Judotraining und sie hatte das Haus für sich allein. Da sie ihm Geld für eine Pizza nach dem Sport mitgegeben hatte, musste sie sich auch keine Gedanken ums Abendessen machen. Sie konnte sich einen Tee aufsetzen und ein paar Brote schmieren und sich dann den ganzen Abend lang nur um sich selbst kümmern. Vielleicht ein Bad nehmen, ein bisschen Pediküre und Nagellack. Allein bei dem Gedanken daran, ihre schmerzenden Füße in warmes Wasser zu tauchen, bekam sie eine Gänsehaut.
Nina ging ins Personalzimmer und holte ihre Tasche, dann verabschiedete sie sich von Maggan und Robert und verließ den Friseursalon.
Draußen auf der Straße war die Wärme des Sommers noch spürbar, obwohl es schon auf den Abend zuging und bald der September da sein würde. Der Herbst stand vor der Tür, auch wenn man es an einem Abend wie diesem kaum glauben mochte. Nina trauerte dem Sommer dieses Jahr nicht hinterher, sie hatte aber auch fünf Wochen Urlaub gehabt und drei davon in Griechenland verbracht. Was hieß, dass sie weder in den Herbstferien noch zu Weihnachten frei haben würde, aber Matthias war das mittlerweile ziemlich egal. Für einen Sechzehnjährigen gab es wichtigere Dinge im Leben als die Mama.
Der Sommer war schön gewesen. Zwei Wochen hatte sie für sich gehabt, als Matthias bei seinem Vater und Eva auf dem Hof in Mönsterås in den Ferien gewesen war. Jens' Berichten zufolge hatte Matthias sich jedoch die meiste Zeit gelangweilt oder sich mit Robin und Melker angelegt. Aber was hatte sein Vater erwartet? Matthias mochte seine Halbgeschwister, aber man kann doch keinen Halbstarken auf dem Dorf festbinden und hoffen, dass er es spitze findet, vierzehn Tage lang Dinosaurier zu spielen.
Auf den Urlaub in Griechenland hatten sie sich beide schon lange gefreut. Zwei Jahre hatte sie darauf gespart und sie waren fast drei Wochen auf den Inseln im Ägäischen Meer herumgereist. Paros, Naxos, Kos, Mykonos. Sogar bis nach Samos an die türkische Grenze. Braun gebrannt wie Pfefferkuchen waren sie heimgekommen und Matthias war wieder so blond und zerzaust wie damals, als er klein war. Nina hatte bemerkt, wie die Mädchen ihm hinterherschauten. Fast ein Meter achtzig und richtig muskulös, weil er so viel Sport trieb. Und dann diese leuchtend blauen Augen. Keine Frage, er sah gut aus, es war nicht zu übersehen.
Nina ging die Brogata entlang und versuchte mit ein paar kreisenden Bewegungen, ihre Schultern zu entspannen. Sie war verspannt, aber seit sie mit der Krankengymnastik angefangen hatte, war es besser geworden. Sie musste aufpassen, dass die Beschwerden nicht chronisch wurden. So viele Friseure konnten irgendwann nicht mehr arbeiten, weil ihr Körper nicht mehr mitmachte. Sie war jetzt schon zwanzig Jahre in diesem Beruf und hatte mit Rücken- und Nackenproblemen zu tun.
Am Ende der Brogata bog sie rechts in die Tyvaldsgata ab und ging noch die letzten Meter bis zur Bushaltestelle. Dort ließ sie sich dankbar auf der Bank nieder, für die irgendein umsichtiger Kommunalbeamter gesorgt hatte, und streckte die Beine lang auf den Gehweg aus. Die Füße taten ihr weh, und als der Bus ein paar Minuten später um die Ecke bog, erhob sie sich mühevoll wie eine alte Frau.
Eine Viertelstunde später hielt er in der Björnbärsgata. Mit ihr stieg noch eine ganze Bande Schulkinder aus. Nina hörte sie von »Pillan« erzählen, der »da oben total durchgeknallt« sei. Nina fragte sich, was der Arme wohl verbrochen hatte. Wahrscheinlich gar nichts. Sie hatte genügend Gespräche zwischen Matthias und seinen Freunden mitbekommen, um zu wissen, dass es manchmal schon reichte, die falschen Turnschuhe zu tragen, um für »da oben total durchgeknallt« gehalten zu werden. Und Matthias war noch gemäßigt. In seiner Freizeit trieb er viel Sport und wenn er sich mit seinen Freunden traf, ging es meist ganz friedlich zu. Zumindest wenn Nina in der Nähe war.
Ein paar Minuten später war sie zu Hause. Sie stand an ihrem Häuschen vor der Eingangstür und kramte in ihrer Tasche nach dem Schlüsselbund. Wo hatte sie den nun wieder gelassen? Das Portemonnaie, der Timeplaner und unzählige Bons und kleine Zettel segelten zu Boden und lagen nun auf der Treppe, als sie endlich ihren Schlüssel fand, der sich im Futter der Tasche verhakt hatte. Dieses kleine Loch musste sie unbedingt stopfen, sonst würde sie die Tasche wegwerfen können. Nina hob die Dinge, die um sie verstreut auf dem Boden lagen, wieder auf und öffnete die Tür.
Zu Hause. Endlich.
Sie ließ ihre Sandalen in die Ecke fallen, nahm die Post mit und legte sie auf dem Küchentisch ab. Nichts Erfreuliches, nur Rechnungen und wieder einmal Werbung von einem dieser Buchclubs, die sie nicht interessierten. Wenn die Post doch nur einmal eine Überraschung brächte! Eine, die ihr Leben veränderte. Zum Beispiel die Nachricht, sie habe ein Vermögen von ihrer Großtante, die sie gar nicht gekannt hatte, geerbt. Oder einen Brief von einer Jugendliebe, in dem er schrieb, dass er nie über sie hinweggekommen sei und nun alles dafür geben würde, noch einmal eine Chance bei ihr zu bekommen.
Nina seufzte laut vor sich hin. Das sah ihr ähnlich, sie saß da und hoffte auf ein Geschenk des Himmels. Den Abend mit Camilla in der Stadt ließ sie sausen und wartete stattdessen auf Briefe von unbekannten Verehrern und auf Prinzen auf weißem Ross, die an ihre Tür klopften! Als Strafe für ihre Naivität öffnete sie den Umschlag von Comviq und tatsächlich versetzte ihr die Summe ganz unten nahezu einen Schock. Es war offensichtlich an der Zeit, dass Matthias seine Handyrechnungen selbst bezahlte. Oder nur noch mit Karten telefonierte. Sie konnte es sich einfach nicht leisten, Hunderte von Kronen im Monat zu bezahlen, damit er ständig und überall seine Freunde anrief.
Die restliche Post ließ Nina ungeöffnet auf dem Küchentisch liegen und ging hinüber ins Badezimmer. Auf dem Badewannenrand stand die Badeschaumflasche, die Matthias ihr im Frühling zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie goss einen ordentlichen Schuss dieser himbeerroten Flüssigkeit in die Badewanne und drehte den Wasserhahn auf. Kurz darauf war das Zimmer von heißem, süß duftendem Wasserdampf erfüllt. Sie zog ihr T-Shirt über den Kopf und streifte mit Mühe ihre Jeans herunter, die so eng war, dass sie an ihren Hüften rote Abdrücke hinterließ. Die Unterwäsche pfefferte sie in die Ecke auf dem Boden und dann stieg sie in die Wanne. Sie schloss die Augen und spürte, wie die Hitze...
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