Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Einleitung: Wer ist Loa? 7
1 Loyalität und Eigenverantwortung: Ich weiß, wofür ich stehe 31
2 Diversifikation und Kernauftrag: Wir alle kennen unseren Purpose 59
3 Idealismus und Pragmatismus: Ich habe den Mut zu etwas Neuem 85
4 Zielfokus und Geduld: Wir machen uns Schritt für Schritt bereit 111
5 Entschiedenheit und Einigkeit: Ich stehe zu mir und zu dir 139
6 Instinkt und Intuition: Erst unsere Verbundenheit macht uns stark 165
7 Details im Griff und Rahmen halten: Meine Energiebilanz, unsere Energiebilanz 193
8 Expertenmacht und Vernetzungskraft: Mit Demut lassen wir alte Muster hinter uns 219
Sitemap zu »Führen mit Loa« 249
Quellennachweise und weiterführende Empfehlungen 255
Altes und Neues verbinden: Making-of Führen mit Loa 259
Danksagung 263
Die Autorin 267
Anmerkungen 269
Es ist ein klirrend kalter Wintertag Ende Februar. Ich stehe auf der Holzbrücke in Rapperswil und atme tief ein und aus. Es tut gut, die Sonne zu spüren. Jetzt, im Übergang zum Frühling, hat sie schon deutlich mehr Kraft als noch vor ein paar Wochen. Die Schweizer Alpen sind schneebedeckt und erstrahlen glitzernd am Horizont. Ich blicke auf den Zürichsee. Meine Gedanken gehen zu dem Gespräch zurück, das ich gerade eben mit einem Unternehmer geführt habe. Seine Kernstärke: die große Klarheit, mit der er Situationen im Business einzuschätzen und zu benennen weiß. Doch heute erlebte ich ihn desorientiert. Sein Gesicht war fahl und ausdruckslos. Er stieg in unser Gespräch ein, indem er in Endlosschleife immer von derselben Situation sprach, sich dabei ständig im Kreis drehend, von Hoffnung und Zuversicht zu Zweifeln und Aussichtslosigkeit und wieder zurück. »Ich weiß nicht mehr weiter« - meinte er schließlich irgendwann. Wir schwiegen kurz. Dann sagte ich: »Vielleicht bist du an einem Point of no return?« Er nickte. »Schön, dass du dir dafür heute Raum und Zeit nimmst«, sagte ich als Nächstes. Er lächelte überrascht und das Gespräch nahm seinen Lauf.
Jetzt, auf der Brücke, atme ich durch und lasse die Gedanken an das Gespräch los. Am Ende der Brücke angekommen, gelange ich zu einer Kapelle direkt am Seeufer. Ich bleibe dort stehen, lasse meinen Blick über den weiten Horizont des Sees wandern und denke an meine Mutter. Vieles von dem, was ich damals an ihren letzten Lebenstagen erlebte, hilft mir heute, unsere Business-Welt besser zu verstehen. Es geht dabei um das Leben und das Loslassen und diese Erfahrung möchte ich nun mit Ihnen teilen.
Als meine Mutter an Krebs starb, war sie 48 Jahre alt. Nur einige Tage davor hatten wir für sie eine »Lebensparty« gegeben - von ihrem Krankenhausbett aus. Wir tranken Sekt, aßen Snacks und meine Mutter malte in großen Buchstaben den Satz »ICH WILL LEBEN« auf ein Poster. Die Stimmung war voller Sehnsucht. Wir alle hatten Tränen in den Augen. Ich glaube, allen außer mir war klar, dass diese Party am Ende eines Lebensprozesses stand - und nicht am Anfang.
Das war vor mehr als 20 Jahren. Ich war damals 23 Jahre alt und mir wurde innerhalb von wenigen Stunden schmerzhaft bewusst, dass es die Endlichkeit des Lebens ist, die uns prägt. Unsere Freiheit und unsere Verantwortung liegen darin, bewusst und liebevoll mit den beiden Dimensionen Zeit und Raum umzugehen: Wann ist Zeit wofür? Was und wem gebe ich Raum in meinem Leben und was und wem nicht? Die Freiheit, die ich dabei meine, bezeichnete eine gute Freundin treffend als eine innere Freiheit, im Englischen »the freedom from within«. Diese Freiheit ermächtigt uns, Raum und Zeit bewusst zu formen, und zwar immer in dem Wissen, dass wir gegenüber unserem Leben die Verantwortung haben, es in aller Liebe so zu führen, wie es für uns vorgesehen ist: lebendig und in Freude.
Dass ich meine Mutter an ihren letzten Tagen begleiten durfte, ist mir bis heute eine Ehre. In dieser Zeit lernte ich meinen Leitsatz kennen, dem ich seither folge: »Lead in order to love, love in order to lead.« Damals stand ich kurz davor, mein Wirtschaftsstudium abzuschließen, und es waren die starken Bilder und Eindrücke aus diesen Tagen mit meiner Mutter, die mir in meinem Berufsleben Richtung gaben. Als Professional weiß ich, dass ich für mehr Liebe zum Leben, für ein freudiges Zusammenleben und für die Potenzialentfaltung von Menschen und Organisationen stehen will.1 Menschen und Organisationen erblühen dann, wenn sie sie selbst sein dürfen. Und wenn sie bewusst erkennen, dass sie vieles, wenn auch nicht alles, selbst in der Hand haben. Was es für dieses Bewusstsein in der Essenz braucht, davon handelt dieses Buch: mit einem inneren Selbst-Bewusst-Sein mehr Lebendigkeit in sich und im eigenen Umfeld zu kultivieren und zu kuratieren - mitten in einer brüchigen Welt, in der man glaubt, die Zukunft noch immer so planen zu können wie bisher.
Heute vermute ich, dass meine Mutter damals eine Party schmiss, damit sie genügend Lebensenergie sammeln konnte, um sich schließlich verabschieden zu können. Das Leben in so jungen Jahren loszulassen, kostet viel Kraft. Ich denke, auch wir im Business brauchen Kraft, um bestehende Muster loszulassen und um Neues kommen zu lassen. Denn wir alle befinden uns in einer Zeit des Übergangs: Das Alte ist noch nicht weg, das Neue schon da - und dazwischen stecken wir fest, reiben uns auf.2 Halten kaum die Spannung aus, die zwischen den beiden Polen entsteht. Es fehlt an Orientierung und Klarheit und wir stellen uns die Fragen: Was ist hier los? Wo geht es lang? Wer zeigt uns den Weg? Diesen Spannungsbogen kontinuierlich zu erfahren und dabei alles im Griff zu behalten, ist nicht nur anstrengend, sondern raubt vielen von uns sehr viel Lebensenergie. Denn das, was uns widerfährt, ist nicht einfach ein Change.
Was uns widerfährt, ist eine gesellschaftliche Transformation. Sie ist die wahrscheinlich größte Transformation seit der industriellen Revolution: Wir lassen ein Zeitalter der Planung3 hinter uns und bewegen uns hin zu einem Zeitalter des Selbst-Bewusst-Seins. Ging es im Zeitalter der Planung darum, Maschinen hochzufahren und den Output zu optimieren und zu maximieren, so wird es im Zeitalter des Selbst-Bewusst-Seins darum gehen, unsere Masken fallen zu lassen (freiwillig oder provoziert) und uns im Hier und Jetzt wahrhaftig zu zeigen und uns einzubringen als jene, die wir sind.4 Planung und Kontrolle funktionieren in so ungewissen Zeiten nicht mehr so wie bisher. Allerdings funktioniert es auch noch nicht, uns so zu zeigen und einzubringen, wie wir sind. Dazu fehlen uns schlicht die Erfahrung und der angemessene Raum.
Sicher: Polaritäten im Sinne einer gemeinsamen Zielerreichung zu managen und auszubalancieren, ist schon seit jeher ein wesentlicher Kernauftrag einer Führungskraft.5 Aber so viele Transformationen und »Baustellen« parallel zu stemmen wie aktuell, ist in seiner Vehemenz für uns alle neu. Deshalb kommt es nicht von ungefähr, dass Zweifel entstehen: Wie soll ich nur meine Organisation transformieren, wenn ich selbst mitten in der Transformation stecke und schon alle Hände voll zu tun habe, das zusammenzuhalten, was gerade noch irgendwie funktioniert? Wie soll ich nur meine Mitarbeitenden begleiten mitten in ihrer Transformation, wenn ich doch selbst kaum Luft zum Atmen habe? Wie soll ich nur für Sicherheit und Orientierung sorgen, wenn mir selbst der Boden unter den Füßen fehlt?
Um zu verdeutlichen, wie eindringlich anders die aktuelle Transformation auf uns Führungskräfte einwirkt, lade ich Sie ein, sich diese Situation vorzustellen: Sie stehen in einem weißen Raum mit Fenster. Außer Ihnen befindet sich noch ein Holzstuhl darin - er steht mitten im Raum.6 Wären Sie in einem Change-Prozess, dann wüssten Sie genau, was Ihr Ziel ist: Sie wollen auf dem Stuhl sitzend nach draußen schauen. Deshalb verändern Sie die Position des Stuhls und stellen ihn an das Fenster. Wenn Sie sich nun auf ihn setzen, können Sie aus dem Fenster blicken. Der Change ist geglückt. Eine Transformation dagegen ist von einem deutlich radikaleren Vorgehen gekennzeichnet. Das Wort »radikal« stammt vom altgriechischen Wort »radix« (auf Deutsch: Wurzel) ab.7 Das heißt: Sie packen den Stuhl an der Wurzel seines Daseins - obwohl Sie noch nicht einmal das konkrete Ziel kennen, das Sie erreichen wollen. Möglicherweise haben Sie eine Idee davon, wohin es mit dem Stuhl gehen soll, bestenfalls kennen Sie das Warum und das Wofür Ihrer Handlung. Sie zerlegen also den Stuhl in seine Einzelteile, vielleicht entnehmen Sie manche Teile oder fügen neue Teile dazu. Möglicherweise fällt der Stuhl sogar selbst auseinander. Eventuell betreten auch andere Ihren Raum und bringen noch mehr neue Teile ins Spiel, entnehmen manche oder bauen den Stuhl gänzlich um. Am Ende, wenn die Transformation vollendet und die Übergangsphase vorbei ist, ist Ihr Stuhl unter Umständen gar kein Stuhl mehr, sondern etwas ganz anderes.
Eine Transformation betrifft jedoch nicht nur Ihren Stuhl, sondern auch den Raum, in dem er steht, und vor allem Sie selbst. Und genau das kennzeichnet die hoch transformative Zeit, in der wir gerade leben: Eine Transformation beschäftigt Sie innerlich und äußerlich in einem atemberaubenden Tempo. Was sich innerlich transformiert, wird äußerlich sichtbar - und umgekehrt. Zeigt sich ein Spannungsfeld im Außen, dann braucht es Ruhe im Innen, um diesem zu begegnen. Zeigt sich ein Spannungsfeld im Innen, dann braucht es Ruhe im Außen. Alles Anstehende abzuarbeiten, erfordert jedoch schnelles Handeln und sehr viel Kraft. Die dafür nötige Ruhe fehlt - sie ist der neue Luxus.
Vielen von uns fällt dabei schmerzlich auf, dass nicht nur das Business aus den Fugen geraten ist, sondern sich diese gesellschaftliche Transformation auf alle unsere weiteren Lebensbereiche ausbreitet. Die Transformation ist in uns und um uns, wird sichtbar im Großen und spürbar im Kleinen. Wenn wir morgens heißes...
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