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PROBLEMAUFRISS
Das Christentum ist eine der vier Weltreligionen (Buddhismus/Hinduismus, Christentum, Islam und Judentum). Nur das Christentum bildet Kirchen (wie katholische, evangelische, orthodoxe, freikirchliche, Kirchen usw.), die anderen drei Religionen - vielleicht außer dem Islam mit sunnitischen und schiitischen Ausprägungen, die aber anders strukturiert werden als christliche Kirchen - werden nicht zentral geleitet.
Ich will und kann nicht die Theologie der Kirche auf ein paar Abschnitte zusammendampfen. Darum berufe ich mich in Kürze auf meine damaligen Professoren, allen voran Karl Rahner, der auf dem 2. Vatikanischen Konzil als sog. Konzilstheologe tätig war. Was Rahner zu »Kirche und Christentum« schrieb: Christentum ist die "irreversible Selbstzusage Gottes an die Welt", und damit beginnt "die Zeit der Kirche". Kirche ist die Institution der Verdeutlichung der göttlichen Selbstzusage. Wirklich?
Besinnen wir uns auf das, was die Kirche aus uns macht und wie sie uns in die Welt des Hier und Jetzt einführt. Vier Probleme zeigen wir auf:
Leider sind die Diskussion darüber eine Art Minusbilanz, wie Rahner schrieb, die "irreversible Selbstzusage Gottes an die Welt". Selbstzusage Gottes an die Welt?
DISKUSSION
Rahner verdeutlicht zwei Wege, wie Kirche legitimiert werden kann.
Das ist erstens der direkte Weg, wie er das nennt. Den historischen Nachweis, dass die Stellen in der Bibel die Gründung der Kirche belegen, hält er für nicht möglich.
Der indirekte Weg ist zweitens der mögliche Nachweis, der "unmittelbar von unserem eigenen, konkreten, gelebten Christentum ausgeht".
Rahner legitimiert Kirche also grundsätzlich als wesentlich für das Christentum, aber er lässt Zweifel aufkommen, wie er schreibt, wenn Kirche in einer möglichst dichten "Nähe zum ursprünglichen Christentum als kirchlich verfasstem" Christentum steht. Rahner bejaht in jeder Frage diese Nähe. Ich habe da meine Schwierigkeit, weil er (wie ich auch) von meiner und vieler Menschen gelebten Glaubenspraxis ausgeht. Glaubenspraxis bedeutet, dass die Probleme unserer sozialen und politischen Gegenwart durch meinen Glauben verdeutlicht werden können.
Rahner bindet Kirche und Christentum zusammen, auch wenn er vom gelebten Christentum ausgeht. Aber genau da liegt das Problem. Nicht die historische und exegetische Legitimation ist unsere Basis, sondern unser Verständnis von Gottes Selbstzusage. Wir müssen Kirche und Glaube trennen, weil Kirche gegenwärtig die Klarheit der Selbstzusage Gottes erschwert. Wenn wir glauben, aber austreten, sind wir eine anonyme2 Kirche, d.h. also eine Kirche ohne Struktur.
Ein gutes Beispiel, das auch unsere Gegenwart betrifft, ist meines Erachtens die Geschichte vom Hauptmann von Kafarnaum (Mt. 8: 5-13). Aus der Bibel zitieren heißt für mich, die zugrundeliegende Erfahrung zu rekonstruieren: Als Jesus
"nach Kafarnaum kam, trat ein Hauptmann an ihn heran und bat ihn: Herr, mein Diener liegt gelähmt zu Hause und hat große Schmerzen. (.) [I]ch bin es nicht wert, dass du unter mein Dach einkehrst; aber sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund! Denn auch ich muss Befehlen gehorchen und ich habe selbst Soldaten unter mir (.) Jesus war erstaunt, als er das hörte, und sagte zu denen, die ihm nachfolgten: Amen, ich sage euch: Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemandem gefunden (.) Und zum Hauptmann sagte Jesus: (.) Es soll dir geschehen, wie du geglaubt hast."
Beinahe irritierend ist die Verwendung des Matthäustextes (Satz 8: Herr, ich bin es nicht wert .) quasi als "Kalenderspruch" in der Messe. Leider geht vor lauter Privatisierung viel verloren: Aus "Diener" wird "Seele". Der Hauptmann ist ein römischer Besatzer, also kein Jude. Jesus rühmt aber seinen Glauben, der nicht an die Synagoge gebunden ist. Im Gegenteil, für Jesus ist die Synagoge - und in unserer Zeit: auch die Kirche? - eine Institution, die festgefahren ist in Inhalte, Suchen nicht akzeptiert und Erfahrung nicht ernst nimmt.
Noch ein weiterer bedeutender Abschnitt aus diesem Bibelzitat. Jesus wollte den kranken Diener aufsuchen, aber der Hauptmann sagte:
"sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund! Denn auch ich muss Befehlen gehorchen und ich habe selbst Soldaten unter mir; sage ich nun zu einem: Geh! so geht er, und zu einem andern: Komm! so kommt er, und zu meinem Diener: Tu das! so tut er es."
Bedeutsam ist dieser Abschnitt, weil die Erfahrung des Hauptmanns Grund für seinen Glauben und dessen Erfahrung der Hintergrund der Heilung ist. Sie ist mehr als die individuelle Geschichte, sie ist, wie Hannah Arendt (1932/2016, S. 118)3. Sie zitiert hier Schleiermacher), das
"Resultat aller Erfahrung im Menschengeschlecht", ist also transindividuell, sagen wir eine existentielle Erfahrung. "Existentiell", weil sie über das Privat-Individuelle hinausgeht. Erfahrung ist selten wichtig in der Kirche, vor allem nicht, wenn sie sich auf Orthodoxie und nicht auf Existentielles konzentriert. Sie ist aber Bedingung des Glaubens und Weg zu Christus. Wenn wir nicht unsere Erfahrung4 zu einem Mittelpunkt des Glaubens machen, verpassen wir diesen Weg.
Der verbaute synodale Weg - ich komme später genauer darauf zu sprechen - war aus meiner Sicht ein Grund, Kirche nicht mehr als Stütze des Glaubens zu sehen. Privilegien etwa sind der Kirche offensichtlich wichtiger als ein Leben aus dem Geist Gottes - für mich ein extrem wichtiger Punkt in meinem Leben. Ich hoffe, dass er es auch im Leben vieler Mitchristen sein kann. "Mitchrist": ich bin zwar christlich aufgestellt, aber gehöre nicht mehr zur Kirche - vor allem nicht mehr als Kirchensteuerzahler, wohl als glaubender oder allenfalls "anonymer" Christ.
Aus der Kirche ausgetreten zu sein bedeutet nicht, nicht mehr zu glauben, vielleicht nur anders zu glauben. Mir würde zurzeit eine Interpretation aus kirchlicher Sicht nicht helfen. Gut wäre, durch die Ritzen unserer alltäglichen Welt das zu entdecken, was auch in unserer alltäglichen Welt eine Rolle spielt und beinahe ignoriert würde. Wir brauchen keine Gottesbeweise, nur eine schärfere Sicht.
Kann man Änderungen einleiten? Ich glaube Ja. Indem man Geschichten, sog. Narrative, erzählt. Nur dürften sie nicht eine Art biblische Erzählung sein, sondern ein Narrativ, das in der heutigen Welt überzeugend wäre. Nicht mehr Gott als unsichtbarer Schauspieler oder Regisseur würde in einer heutigen Welt agieren. Stattdessen wären wir die Akteure, die sich an einem göttlichen Drehbuch orientieren, das noch nicht ausformuliert ist, weil wir es tun.
Das ist ungeheuer wichtig. Wir glauben, ob in oder außerhalb der Kirche, wenn wir den Mut beweisen, unserer Welt stets ein Gesicht zu geben, was in etwa dem Bild Gottes entspricht. Und dann ist es "unser" Entwurf. Das Gegenteil hieße: Wenn wir uns am Bild der Kirche orientieren, nicht am Bild Gottes, ist das bestenfalls eine Kopie der Kopie. Ist das nicht gewissermaßen eine Beleidigung Gottes?
Der Philosoph Ernst Bloch schrieb in seinem Buch "Atheismus im Christentum", dass nur ein Atheist die Bibel richtig lesen kann. Er will ein Gottesbild überwinden, das dort bestimmend wurde: Gott wird als Himmels-Herrscher verehrt oder als "Rachegott" gefürchtet. Er (Bloch 1985, S. 170) sieht in Ihm de
"revolutionären Atheismus in Religionen selber, insbesondere dem Christentum, wie man weiß".
Wenn man den Glauben gegen den kirchlichen Strich bürstet, sieht man darin die spirituelle Kraft des Hinterfragens und Transzendierens. Ein Gefühl für Transzendent(al)es spricht aus dem Nachdenken über unsere Realität. Bloch vergleicht zwei sich diametral gegenüberstehende Texte, der eine sehr links, der andere sehr religiös, aber mit gleicher Aussage. Wir dürfen diesen Textvergleich nicht übersehen (ebd. S. ):
Kommt eine Allianz zwischen Revolution und Christentum zustande? Also eine Welt für Menschen im Werden? Beiden liegt das Ideal in der Zukunft und entfaltet sich immer weiter.
Nehmen wir die Diskussion der modernen/postmodernen Philosophie zu Hilfe. Spätestens seit den Weltkriegen ringen wir um eine neue Identität, sie fehlt uns, aber einige...
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