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Ikeda: Nur wenn der Mensch in Harmonie mit der natürlichen Umwelt in einem Verhältnis von Geben und Nehmen lebt, kann er sein eigenes Leben schöpferisch entwickeln. Aufgrund dieser Anschauung lehrt der Buddhismus, dass die Beziehung zwischen Mensch und Natur nicht auf Gegensätzlichkeit beruht, sondern auf wechselseitiger Abhängigkeit. Diese Beziehung wird mit dem Ausdruck »Einheit von Leben und Umgebung« bezeichnet.
»Leben« steht für die unabhängige Lebenseinheit und die Umwelt stützt jenes Leben. Da das menschliche Leben seine Umwelt beeinflusst und zugleich von ihr abhängig ist, sind die beiden untrennbar. Würde man den Menschen und seine Umwelt als zwei getrennte und einander entgegengesetzte Wesenheiten ansehen, könnte man keines von beiden richtig erfassen. Die Umwelt bleibt nicht starr und unwandelbar, sondern verändert sich nach der Art des Lebens, das sie trägt. Es unterscheidet sich nicht nur die Umwelt, die der Mensch benötigt, von der zum Beispiel, welche die Vögel brauchen, sondern auch die Umwelten der einzelnen Menschen sind verschieden nach den besonderen Eigenschaften des Einzelnen. In diesem Sinne bilden der subjektive Körper und die Umwelt eine unteilbare Wesenheit. Das buddhistische Denken führt diese Vorstellung noch weiter und findet die endgültige Einheit von Subjekt und Umwelt in der kosmischen Lebenskraft.
Toynbee: Personen aus westlichen Kulturen, in den klassischen Sprachen und in der vorchristlichen griechischen und römischen Literatur erzogen, kommt das Prinzip der Einheit von Leben und Umgebung vertraut vor, denn es war die Weltanschauung der vorchristlichen griechisch-römischen Welt.
Ikeda: Die Vorfahren der Japanerinnen und Japaner haben eine Reihe von Kriterien für die geistige Urteilsbildung formuliert, die auf dem Glauben an die Harmonie von Mensch und Umwelt beruhen. Diese Kriterien hatten die Kraft, die Verschmutzung der Umwelt einzuschränken. Ob diese Regeln aus dem Buddhismus oder dem Shintoismus kamen, tut nichts zur Sache; sie tauchten auf und wirkten lange Zeit, wie die jahrhundertealte Erhaltung der Naturschönheit in Japan vor dem Industriezeitalter zeigt. Doch in den letzten Jahrzehnten haben sich die Japanerinnen und Japaner zum Ziel gesetzt, es den fortschrittlichen westlichen Nationen gleichzutun, und ihre traditionelle Religion, ihre Einstellung zur Natur und sogar tugendhafte menschliche Beziehungen preisgegeben. Kurz, sie haben sich auf einen unsinnigen Kurs materieller Habgier begeben. Die moderne wissenschaftlich-technische Zivilisation hat der materiellen Habgier praktisch freien Lauf gelassen - sie ist in der Tat das Produkt der zügellosen materiellen Habgier -, und solange wir nicht alle diese Tatsache mit der größten Klarheit erkennen und unsere Entscheidungen nach dieser Erkenntnis treffen, werden wir nicht imstande sein, der Vernichtung unserer natürlichen Umwelt und der potenziellen Auslöschung der Menschheit Einhalt zu gebieten.
Toynbee: Seit unsere Vorfahren Menschen wurden, hat der Mensch seine natürliche Umwelt im Hinblick auf seine menschlichen Bedürfnisse abgewandelt. Darin stand die Menschheit jedoch nicht allein. Viele nichtmenschliche Spezies von Lebewesen haben das Gleiche getan, wenn auch nicht wie der Mensch bewusst und vorsätzlich. Bis vor zwei- oder dreihundert Jahren jedoch hat weder die Menschheit noch irgendeine andere Lebensform auf diesem Planeten die natürliche Umwelt zerstört, indem sie ihr eine künstliche Umwelt auferlegte.
Es ist wahr, dass schon im vorindustriellen Zeitalter zahlreiche einst fruchtbare Regionen durch Ausbeutung, Abweidung und Abforstung in unfruchtbare Wüsten verwandelt worden sind. Diese Übertretungen der Gebote der Einheit von Leben und Umgebung waren Vorzeichen dessen, was der Mensch seitdem im Industriezeitalter der nichtmenschlichen Natur angetan hat; doch diese früheren Verstöße des Menschen gegen seine Umwelt waren nur partiell und lokal. Zum Teil wurden sie unfreiwillig in Grenzen gehalten, denn die technische Kraft des Menschen war beschränkt, zum Teil jedoch auch bewusst. Der Mensch wurde durch das Prinzip der Einheit von Leben und Umgebung gezügelt. Dieses Konzept und Ideal war nicht auf Ostasien und die griechisch-römische Welt beschränkt; es war, glaube ich, ursprünglich Gemeingut der ganzen Menschheit.
Ikeda: Vielleicht, aber im Herzen der modernen wissenschaftlichen Zivilisation steckt die Vorstellung, dass der Mensch und die Natur Gegensätze sind und dass es um des menschlichen Vorteils willen nötig sei, sich die Natur zu unterwerfen. Die wissenschaftlichen Methoden haben weitgehend an dieser Unterwerfung mitgewirkt.
Toynbee: Die revolutionäre Idee des jüdischen Monotheismus eröffnete den Weg für die bewusste und vollständige Verletzung des Konzepts der Einheit von Leben und Umgebung. Der Glaube, dass die geistige Allgegenwart in und hinter dem Universum, wie ich es genannt habe, sich in einem einzigen, überragenden, menschenähnlichen Gott konzentriere, zog den weiteren Glauben nach sich, dass sonst nichts im Universum göttlich sei. Sowohl den Menschen als auch die nichtmenschliche Natur dachte man sich als von diesem hypothetischen Gott geschaffen, ähnlich wie Werkzeuge, Kunstwerke und Institutionen von Menschen geschaffen werden. Dem Schöpfer schrieb man auch die Kraft und das Recht zu, sich dessen zu entledigen, was er geschaffen hatte. Nach Kapitel I, Vers 26 bis 30, der Genesis stellte Gott die nichtmenschliche Schöpfung dem von ihm geschaffenen Menschen zur Verfügung, damit er sie sich zunutze machen könne.
Die Wirkung dieser revolutionären Doktrin war die Zerschlagung der Einheit von Leben und Umgebung. Der Mensch wurde von seiner natürlichen Umwelt geschieden, die ihrer früheren göttlichen Aura entkleidet war; es wurde ihm erlaubt, eine nicht länger sakrosankte Umwelt auszubeuten. Die gesunde Ehrfurcht und Achtung, mit welcher der Mensch ursprünglich seine Umwelt betrachtet hatte, wurde auf diese Weise von dem jüdischen Monotheismus in den Formen des Judentums, Christentums und Islams zunichte gemacht.
Ikeda: In dem Bestreben, sich die natürliche Welt zu unterwerfen, hat die Menschheit den festen Grundrhythmus der Natur gestört. Jetzt lehnt sich die geschundene und durch die Handlungsweise der Menschen an den Rand der Vernichtung gebrachte Natur gegen die Menschheit auf.
Ich sehe zwei Gründe dafür, dass der Mensch in der Vernichtung seiner natürlichen Umwelt so weit gegangen ist. Der erste: Der moderne Mensch sieht die natürliche Welt nicht in dem gleichen Sinne als etwas Lebendiges an, wie er selbst es ist; das heißt, er hält die Natur für etwas von der Menschheit grundsätzlich Verschiedenes. Selbst wenn das Leben der Natur ganz anders sein mag als das der Menschheit, so hat der Mensch die Tatsache missachtet, dass die beiden Arten des Lebens aufeinander bezogen und Teil einer größeren Lebenseinheit und ihres festgelegten Rhythmus sind. Der zweite Grund entspringt dem jüdischen Monotheismus, den Sie erwähnten. In dem Glauben, er sei von allen Kreaturen Gott am nächsten, hat der Mensch es für selbstverständlich gehalten, alle anderen Lebewesen zu unterwerfen und in seine Dienste zu stellen. Diese Idee liegt allen Aspekten modernen Denkens zugrunde; und die Kombination dieser Ursachen hat den Aufstieg der wissenschaftlich-technischen Zivilisation vorangetrieben.
Toynbee: Die jüdische Ideologie wurde in Palästina schon im neunten Jahrhundert v. Chr. zum ersten Mal formuliert; aber sie wurde erst im 17. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung ohne Vorbehalte verwirklicht. Die praktische Anwendung der jüdischen Ideologie war eine Ausnahme bei den Menschen, die sie sich theoretisch zu eigen gemacht hatten. Muslimische Gemeinschaften zum Beispiel haben länger als andere gezögert, die moderne Technologie und damit das Ideal und das Ziel, denen sie dient, zu übernehmen. Jesus war ein orthodoxer Jude, aber nach dem, was wir von seinen Predigten wissen, lehrte er, dass wirtschaftliche Habgier mit dem Dienst an Gott unvereinbar sei. Daher verurteilte er wirtschaftliches Planen, die Anhäufung von Kapital, die Technik und, im Allgemeinen, die Glorifizierung von wirtschaftlich einträglicher Arbeit.
Jesus' Empfindlichkeit gegenüber dem Übel der Habgier ist bezeichnend, denn zu seiner Zeit waren die meisten palästinensischen Juden noch Bäuerinnen und Bauern, die mit ihrer nichtmenschlichen Umwelt in Harmonie im Geiste der Einheit von Leben und Umgebung lebten. Damals gab es wenig »modern« denkende Kaufleute und Fabrikanten in der palästinensischen jüdischen Gemeinschaft. Deutlich zutage tretende Habgier war in Jesus' sozialem Umfeld selten, doch Jesus verwarf die Habgier, die zu allen Zeiten und an allen Orten in der menschlichen Natur steckt.
Noch bezeichnender sind die Geschichte, die Lehren und das Wirken des abendländischen christlichen heiligen Franziskus von Assisi im 12. Jahrhundert. Sein Vater, ein Tuchgroßhändler, war einer der ersten erfolgreichen kapitalistischen Unternehmer im Westen. Der junge Franziskus lehnte sich gegen die Lebensweise seines Vaters auf. Wie Siddhartha Gautama, der Buddha, der der Sohn eines Fürsten gewesen war, gab er seinen Besitz auf und entschied sich bewusst dafür, arm zu sein. Und ebenso wie der Buddha gründete Franziskus einen Mönchsorden, um seine Ideen zu lehren und Gebote für ihre Verwirklichung zu predigen. Er war von Jesus inspiriert, und obwohl beide in der jüdischen Tradition erzogen worden waren, war ihre Haltung zur Umwelt der...
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