Schweitzer Fachinformationen
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Urlaubsstimmung an der schwedischen Westküste - doch Mörder machen keine Ferien Charles Blake, der Sohn von Smögens allseits bekanntem Heringsbaron James Blake, wird tot im kürzlich renovierten Lotsenausguck aufgefunden. Er scheint sich selbst erhängt zu haben. Doch warum? Charles hat erst kürzlich ein immenses Vermögen von seinem verstorbenen Vater geerbt und lebte ein zurückgezogenes Leben - so wie die gesamte Blake-Familie. Dennis Wilhelmson und Sandra Haraldsson glauben nicht an einen Suizid und ermitteln im Milieu der reichen Kaufmannsfamilien Smögens. Das abgeschiedene Leben der Familie erschwert ihre Arbeit - und dann verschwindet auch noch das jüngste Familienmitglied, die sechsjährige Belle. Wer hat es auf die Blakes abgesehen?
Mary Blake lehnte sich über das Balkongeländer. Nicht weit, nur gerade so weit, dass sie auf den Kai hinunterspähen konnte, ohne gesehen zu werden. Als sie vor vielen Jahren in die Kaufmannsvilla an der Hafeneinfahrt von Smögen eingezogen war, hatte noch das Haus der Perssons, in dem sich inzwischen das Café Skäret befand, den blakeschen Familiensitz verdeckt. Doch irgendwann gegen Ende der Fünfzigerjahre, das genaue Jahr wusste sie nicht mehr, hatte man das Haus im Zuge der Bauarbeiten am neuen Smögen-Kai kurzerhand von seinem Standort auf der vorgelagerten Schäreninsel an Land versetzt. Frau Persson und ihre Tochter waren an jenem Vormittag einfach auf der Veranda sitzen geblieben und hatten wie üblich ihren Elf-Uhr-Kaffee getrunken.
Die Blakes hatten das Geschehen mit zurückhaltender Genugtuung verfolgt. Nach der Verlagerung des Hauses nahm ihre Villa endlich den ihr zustehenden Platz ein. Schließlich war sie das schönste und vornehmste Gebäude am ganzen Kai.
Verstohlen winkte Mary ihrem Urenkel Hugo zu, der auf einem der Pontonstege stand und die Teilnehmer seiner morgendlichen Speedboot-Tour verabschiedete. Genau wie sein Vater, Großvater, Urgroßvater - ihr Mann - und dessen Vater, der mächtige Smögener Heringsbaron, war er eine echte Unternehmerpersönlichkeit. Ein Lächeln glitt über ihre Lippen. Mittlerweile war Hugo der Einzige, der ihr Gesicht zum Leuchten brachte.
Obwohl ihr Urenkel geschäftstüchtig, erfinderisch und ein Charmeur allererster Güte war, benahm er sich noch immer wie ein tollpatschiger Welpe. Ein Welpe, der auf seine sportliche, athletische Art Geld verdiente. Noch dazu mit einem Konzept, das ihm einen Heidenspaß machte: in RIB-Speedbooten mit bis zu sechzig Knoten zwischen den Schären der schwedischen Westküste über die Wellen zu fliegen.
Als Hugo sie im Frühjahr um Geld gebeten hatte, um seinen Traum zu verwirklichen, hatte sie ihn an seinen Urgroßvater James junior verwiesen. Doch nach dem Gespräch war er wie ein geprügelter Hund angeschlichen gekommen. James hatte ihm ein kategorisches Nein erteilt.
Das hätte das Aus für Hugos Geschäftsidee bedeutet, wenn James nicht in der Nacht zu Mittsommer gestorben wäre. Er war ruhig und friedlich eingeschlafen, die Mitarbeiterin des ambulanten Pflegedienstes hatte ihn morgens tot im Bett gefunden. Und obwohl die Ordnung des Nachlasses ihre Zeit beanspruchte, hatte sie Hugo bereits am Montag eine stattliche Summe von ihren eigenen Ersparnissen überwiesen. Denn James hatte Hugos Bitte nicht aus Geldmangel ausgeschlagen, sondern weil er die Macht nicht aus den Händen hatte geben wollen - das kleine bisschen Macht, das ihm noch geblieben war, seit ihn sein höhenverstellbares Pflegebett zu einem Gefangenen gemacht hatte.
Mary hatte schnell gelernt, dass von ihr erwartet wurde, sich ihrem Mann unterzuordnen. James hatte ihr gegenüber nie die Stimme erhoben. Sie nie geschlagen. Er hatte ihr auf andere Art zu verstehen gegeben, dass sein Wort Gesetz war. Ein Gesetz, dem sie sich besser fügte.
Aber Hugos Traum hatte jetzt verwirklicht werden müssen, in diesem Sommer. Ihr Enkel lebte ausschließlich im Hier und Jetzt. Und vielleicht hatte er deshalb seine Schulzeit in dem englischen Elite-Internat erstaunlich gut überstanden. Die Lebensfreude und der Abenteuergeist, die er ausstrahlte, schützten ihn. Als er nach Abschluss seines Studiums im Frühjahr nach Smögen zurückgekehrt war, hatte er nichts von seiner Unbeschwertheit eingebüßt.
Hugos Feuereifer erinnerte Mary daran, wie sie selbst in seinem Alter gewesen war. Doch das isolierte Leben in der Kaufmannsvilla hatte ihren inneren Antrieb erstickt. Ihren Willen, sich zu entwickeln, etwas zu erschaffen und zum großen Ganzen beizutragen. Am Ende war nur ihr Aussehen von Bedeutung geblieben, diese Fassade hielt sie eisern aufrecht. Jeden Morgen um acht kam ihre Friseurin Madeleine und machte ihr Haar und Make-up, damit sie pünktlich zum Frühstück umwerfend aussah. Und davor verließ sie auf gar keinen Fall ihre Privaträume.
Marys Blick wanderte zu Hugo zurück, der eine neue Touristengruppe an Bord begrüßte. Sie lenkte ihren Rollstuhl ins Haus. Hugo zuzuwinken, verschönerte ihr den Vormittag, und das hatte sie nun getan.
Sandra stand mit einem Ruck auf und ging in die Rezeption des Kungshamner Polizeireviers, um die Kollegin zu begrüßen, die sie als Urlaubsvertretung unterstützen sollte. Sandras eigener Urlaub begann im August. Helene, deren Mann als Hausmeister bei der Gemeinde arbeitete und nur während der regulären Betriebsferien Urlaub nehmen konnte, wenn die Schulen geschlossen waren, hatte den Juli bekommen. Sandra war das ganz recht: Erstens wartete sie gern, bis die Meerestemperatur die Zwanzig-Grad-Marke geknackt hatte, und zweitens war sie Single. Seit der SMS an Heiligabend herrschte zwischen Rickard und ihr Funkstille. Das Letzte, was sie gehört hatte, war, dass er die Stelle beim Göteborger Sondereinsatzkommando bekommen hatte und jetzt unter Cleuda, Dennis' Ex, arbeitete.
Die junge Kollegin an der Rezeption gab ihr die Hand.
»Nathalie Colette«, stellte sie sich vor.
»Sandra Haraldsson«, erwiderte Sandra und führte Nathalie in den Besprechungsraum, wo Dennis auf einem der gelben Stühle saß und in Unterlagen blätterte, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Als Sandra und Nathalie hereinkamen, stand er auf und begrüßte ihren Neuzugang.
»Mach es dir bequem«, sagte er und forderte Nathalie mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen. Nathalie nahm Platz und stellte eine rote Yves-Saint-Laurent-Tasche auf den Nachbarstuhl, die perfekt auf den Rotton ihrer Lederjacke und ihres Nagellacks abgestimmt war.
»Habe ich ein eigenes Büro?«, erkundigte sie sich.
»Donnerstags zwischen zwölf und fünfzehn Uhr vertrittst du Helene am Empfang. An den übrigen Tagen ist unsere Rezeption geschlossen«, erwiderte Dennis. »Dann unterstützt du uns bei laufenden Ermittlungen und allen anfallenden Tätigkeiten. Du bekommst Helenes Büro.«
»An welchen Fällen arbeitet ihr gerade?«
Dennis warf Sandra, die ihre Urlaubsvertretung mit den rot lackierten Fingernägeln unverhohlen musterte, einen Blick zu.
»Im Moment haben wir keine größeren Fälle«, antwortete er. »Aber in den nächsten Wochen werden sicher viele kleinere Delikte anfallen, du wirst also gut zu tun haben.«
»Wer weist mir meine Aufgaben zu?«
»Ich bin dein Vorgesetzter, aber Sandra wird dich täglich mit Aufgaben versorgen. Mir meldest du gröbere Verstöße oder Angelegenheiten, die besondere Überwachung erfordern.«
»Besondere Überwachung?«, hakte Nathalie nach.
»Die Wahrscheinlichkeit ist eher gering«, warf Sandra ein. »Komm, ich mache einen Rundgang mit dir. Kungshamn ist ein kleines Revier, aber ich stelle dir die Kollegen der anderen Blaulichtorganisationen vor, mit denen wir uns die Räumlichkeiten teilen.«
»Gibt es hier in der Nähe ein Restaurant, in dem ihr Mittagspause macht?«
»Nein, wir holen uns etwas beim Imbiss oder nehmen von zu Hause eine Lunchbox mit.«
»Können wir an meinem ersten Tag zusammen Mittag essen?« Nathalie lächelte Dennis an.
Sandra unterdrückte einen Seufzer und starrte auf die Tischplatte.
»Hm, ja klar. Gute Idee. Wir fragen Stig, ob er auch Zeit hat«, erwiderte Dennis.
In diesem Moment stürzte Stig Stoltz mit hochrotem Gesicht in den Besprechungsraum.
»Wenn man vom Teufel spricht«, bemerkte Sandra.
»Im Smögener Lotsenausguck wurde eine männliche Leiche gefunden!«, keuchte Stig.
»Von wem?«, fragte Dennis bestürzt.
»Von Erling vom Heimatverein. Er wollte den Ausguck für eine Führung vorbereiten. Eine Touristengruppe hat sich angemeldet. Sie interessieren sich für die historische Bedeutung der Schifffahrt vor der Küste von Bohuslän.«
»Weiß man, wer der Tote ist?«, fragte Sandra ungeduldig, die schon halb aus der Tür war.
»Challs!« Betrübt schüttelte Stig seine Pausbacken.
»Challs?«, wiederholte Sandra stirnrunzelnd.
»Charles Blake. Der Enkel des Smögener Heringsbarons.«
»Wie alt war er?«, erkundigte sich Nathalie.
»Das werden wir sehen«, erwiderte Sandra ungeduldig. »Du kannst mit mir mitkommen. Stig, ist der Notarzt schon informiert?«
Dennis stand am Fenster und blickte Sandra und Nathalie nach, die mit Blaulicht vom Hof rauschten. Diese Zusammenarbeit konnte funktionieren oder schiefgehen. Entweder würden die beiden ein Dreamteam bilden oder wie Hund und Katz aneinandergeraten. Er tippte eher auf Letzteres. Aber vielleicht sollte er nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Sandra hatte im letzten Jahr eine enorme Entwicklung durchgemacht. Sie war besonnener geworden und hatte gelernt, ihre scharfe Zunge zu zügeln. Und über Nathalie, die aus der Göteborger Cold-Case-Gruppe zu ihnen stieß, hatte er nichts als Lobeshymnen gehört. Bis zum Frühjahr hatte diese »Gruppe« aus einem einzigen Mitarbeiter bestanden, doch dann hatte Göteborgs Polizeichefin Camilla Stålberg Nathalie Colette als Verstärkung hinzugezogen. Aber während der Urlaubszeit schien Camilla offenbar der Meinung zu sein, dass die kalten Fälle vorerst auf Eis liegen bleiben konnten.
Wenn Sandra Nathalie akzeptierte, würden sie diesen Sommer gut meistern. Hoffentlich stellte der Arzt bei Charles Blake eine natürliche Todesursache fest. Blake musste um die siebzig sein. Vermutlich hatte er einen Herzinfarkt erlitten, nachdem er die steile Leiter zum Lotsenausguck hinaufgeklettert war. Sandra würde...
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