Schweitzer Fachinformationen
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Als John Vandel in Seattle eintraf, hing kühler Nebel über dem Lake Washington, der sich nach dem morgendlichen Regen in einem verwaschenen Grün zeigte. Der CIA-Beamte war von Washington D.C. angereist, um einen Elektroniker namens Jason Schmidt zu besuchen, den Inhaber einer kleinen Firma, die noch kein einziges Produkt hergestellt hatte. Bei dem Firmengebäude handelte es sich um einen flachen Ziegelbau am Südufer des Sees, unweit der Boeing-Fabrik in Renton. Auf dem Firmenschild waren in Kobaltblau die Initialen «QED» eingeätzt - Quantum Engineering Dynamics.
Vandel war ein dünner Mann mit unvorteilhaftem Haarschnitt - die kurzen grauen Haare standen in verschiedene Richtungen ab. Sein wächsernes Gesicht war vernarbt, und seine Gelenke schienen bei jedem Schritt elastisch zu federn. In scharfem Kontrast zum ansonsten konturlos wirkenden Äußeren standen nur die schiefergrauen Augen, die extrem fokussiert wirkten. Er trug einen knittrigen schwarzen Anzug und hatte einen Aktenkoffer bei sich.
Als Vandel klingelte, blieb der Knopf für einen kurzen Moment stecken. Dann tauchte eine junge Frau in einem schwarzen T-Shirt auf, die drei kleine Diamantstecker im Ohr und ein silbernes Piercing in der Augenbraue trug. Aus dem Gebäude drang ein muffiger Geruch, als hätte es früher einem anderen Zweck gedient.
Ein Mann im Strickhemd und in einem Sakko mit dem Firmenlogo trat auf Vandel zu. Er sah aus, als wäre er ein Jahr lang nicht an der frischen Luft gewesen.
«Ich bin Jason Schmidt», erklärte er zurückhaltend. «Ich schätze mal, ich bin hier der Boss.»
«Ich bin Mr. Green», erwiderte Vandel. «Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?»
Schmidt führte ihn durch einen schmucklosen Gang in einen Konferenzraum mit Blick auf die Rainier Avenue und das Seeufer. Auf dem Weg dorthin passierten sie das alltägliche Chaos eines Start-up-Unternehmens, dessen eigentlicher Start noch auf sich warten ließ: Nischen mit schmuddeligen Arbeitsplätzen, leuchtende Computermonitore und fahle Gesichter, die offenbar selten genügend Schlaf bekamen. Aus einem Pausenraum für koffeingesättigte Angestellte drangen das Klick-klick von Tischtennisbällen und das Klack-klack eines Kickers.
Während er mit Schmidt durch den Gang schlenderte, warf Vandel immer wieder Blicke durch offen stehende Türen. Er verfügte über die für einen Führungsoffizier wichtige Gabe, harmlos zu wirken. In seiner Brieftasche steckte eine Karte, auf die er den Ratschlag hatte drucken lassen, den ihm sein erster Station Chief in Damaskus mit auf den Weg gegeben hatte: «Vergessen Sie nie, dass Sie ein Schlangenbändiger sind, kein Schlangenbeschwörer.»
So ungepflegt er auf den ersten Blick wirken mochte, legte Vandel bei seiner Arbeit als Stellvertretender Direktor für Operationen bei der CIA äußerste Sorgfalt an den Tag. Er galt als Top-Agent der Agency - und das auch bei den vielen, die ihn fürchteten oder nicht mochten. Er war nach Seattle gekommen, um den wichtigsten Job eines Führungsoffiziers zu erledigen, nämlich zu rekrutieren.
«Ich bin wegen Ihres Briefs hier», sagte Vandel, nachdem er Platz genommen hatte. Er ließ den Blick eine Weile durch den Raum schweifen, ehe er Schmidt fest in die Augen schaute. Dann zog er einen zweiseitigen Brief aus seinem Aktenkoffer und las den einleitenden Satz laut vor:
«CIA, weil ich über Informationen verfüge, die wichtig für unsere nationale Sicherheit sind.> Das hat unsere Aufmerksamkeit geweckt.»
Schmidt war nervös. Er räusperte sich. «Sie halten mich wahrscheinlich für einen Spinner oder einen Sonderling oder so was.» Unbeholfen suchte er nach den richtigen Worten. «Sicher kriegen Sie ständig verrückte Briefe von allen möglichen Leuten.»
«Das schon. Aber nicht solche. Und Ihre Firma ist uns nicht unbekannt. Die NSA hat Sie vor einigen Monaten überprüft. Deswegen ist Ihr Brief in der CIA auf Interesse gestoßen. Am Ende ist er bei mir gelandet, und ich wollte mir vor Ort selbst ein Bild machen.»
Schmidt murmelte eine Entschuldigung. Es war ihm unangenehm, dass er einen hochrangigen Regierungsvertreter zu dieser langen Reise veranlasst hatte.
«Ich wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte. Es gibt so viele Geheimdienste. Aber ich habe einen Vetter, der bei der CIA arbeitet. Vielleicht dürfte ich das gar nicht wissen, aber ich weiß es. Also habe ich ihn gebeten, den Brief an die zuständigen Leute weiterzuleiten. Und das sind dann wohl Sie, Mr. Green. Wobei das nicht Ihr richtiger Name sein dürfte.»
Vandel schüttelte den Kopf. Nein, «Green» war nicht sein richtiger Name.
«Wir müssen über zwei Punkte aus Ihrem Brief sprechen, Mr. Schmidt. Erstens schreiben Sie, dass Sie einen Durchbruch bei der Konstruktion eines Quantencomputers erreicht haben. Ihre genauen Worte lauteten, wenn ich mich recht erinnere: Unsere Ingenieure haben sich Ihre Unterlagen ziemlich aufmerksam angeschaut. Sie sind nicht überzeugt, halten Sie aber auch nicht für übergeschnappt.»
«Übergeschnappt bin ich nicht, das kann ich Ihnen versichern.»
Vandel kratzte sich am Kopf.
«Ist Ihnen klar, wie groß diese Sache ist, Mr. Schmidt? Wir geben Milliarden für die Forschung in diesem Bereich aus. Es ist ein Wettrennen. Das Weiße Haus klopft jede Woche bei mir an, um zu hören, wie weit die Chinesen sind. Und wir sagen: Immer mit der Ruhe, es wird noch zehn Jahre dauern, bis irgendjemand einen solchen Computer baut, vielleicht sogar zwanzig. Und wir haben einen riesigen Vorsprung. Aber jetzt kommen Sie plötzlich und behaupten: Zack, ich hab's geschafft. Ich werde jetzt so tun, als hätte ich verstanden, was Sie über flüssige Elektronen und ihr Zusammenspiel im Bereich des Absoluten Nullpunkts geschrieben haben. Mir sagt das absolut gar nichts, aber unsere Computerfachleute meinen, es klingt plausibel.»
Schmidt hob eine Hand. Er war Ingenieur. Es wollte nicht zu viel versprechen.
«Es ist noch ein Prototyp mit zahlreichen Fehlern, keine komplett programmierbare Maschine. Da ist noch eine Menge Arbeit nötig.»
«Details», sagte Vandel. «Kommen wir zum Kern der Sache. Sie glauben nicht nur, möglicherweise den Durchbruch geschafft zu haben, sondern Sie fürchten auch, dass jemand Ihre Erkenntnisse stehlen will. Das ist der springende Punkt in Ihrem Brief, dieser Risikofonds, der Sie aufkaufen will.»
«Das Einzige, was ich über diesen Fonds weiß, ist, dass er heißt. Ich habe vorher nie davon gehört. Aber der Fondsmanager erklärte, er würde sich die Kontrolle über QED eine Menge Geld kosten lassen. Als ich nach einer Zahl fragte, sprach er von einer Milliarde Dollar, vielleicht auch mehr. Ich meine, wir stecken immer noch im Beta-Test unseres ersten Produkts. Für mich ergibt das keinen Sinn. Wer sind diese Leute? Haben Sie eine Ahnung?»
«Es sind Chinesen. Sie unterhalten ein Büro in Menlo Park, das sich im Besitz einer Briefkastenfirma in Panama befindet. Und hinter dieser Firma steckt in Wahrheit das Ministerium für Staatssicherheit. Vermutlich ist die chinesische Regierung so beeindruckt von dem, was Sie hier tun, dass man Sie übernehmen will. Also bin ich gekommen, um Ihnen ein besseres Angebot zu machen.»
«Ich will die Firma nicht verkaufen, an niemanden», erklärte Schmidt. «Ich will nur meinen Computer zum Laufen kriegen. Wir glauben, wir haben eine technische Abkürzung gefunden, die uns sofort Quantenlösungen liefern kann. Die Puristen halten dagegen, dass es keine Quanteninformatik im eigentlichen Sinne wäre, aber das ist mir egal. Wenn es so funktioniert, wie ich es mir vorstelle, wird sich alles andere von selbst ergeben. Also lassen Sie mich das Ding einfach in Ruhe bauen. Ich habe nicht vor, die Firma zu verkaufen, auch nicht an Sie.»
«Wir wollen Sie auch nicht kaufen. Wir wollen bloß Ihr Kunde sein. Alles, was Sie entwickeln, verkaufen Sie an uns. Wir werden uns auf einen Preis verständigen, der Sie sehr reich macht, das verspreche ich Ihnen. Und Sie behalten die Kontrolle. Es gibt nur eine Regel, die für alle gilt, denen wir etwas abkaufen, Mr. Schmidt, und die müssen Sie befolgen. Ansonsten handeln Sie sich eine Menge Ärger ein.»
«Ich mag keine Regeln. Ich bin Wissenschaftler. Wenn ich Regeln wollte, könnte ich oben in Redmond für Microsoft arbeiten. Aber sagen Sie es mir trotzdem: Wie lautet Ihre Regel?»
«Sobald wir zu einer Übereinkunft kommen, also hoffentlich schon heute, unterliegt alles, was Sie tun, der Geheimhaltung. Ihre Firma verschwindet von der Bildfläche. Sie publiziert keine Berichte. Sie unterhält keine Website. Und sobald Anfragen von außen kommen, unterrichten Sie das FBI.»
«Aah! Das klingt furchtbar. Warum sollte ich mich darauf einlassen? Das klingt, als würde man ins Gefängnis gehen.»
Vandel schaute dem begabten, in diesem Moment zerbrechlich wirkenden Informatiker fest in die Augen.
«Weil es nützlich für Ihr Land sein wird. Ihre Regierung braucht die Ideen, die in Ihrem Kopf stecken. Und sie muss sichergehen, dass andere nicht an diese Ideen herankommen. Wie gesagt, wir befinden uns in einem Wettrennen. Wenn wir verlieren, steht uns ein Albtraum bevor. Das muss Ihnen klar sein, sonst hätten Sie Ihrem Vetter bei der CIA diesen Brief nicht geschickt.»
Schmidt seufzte. Natürlich war es ihm klar. Er war keiner, der romantischen Vorstellungen von einem...
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