Schweitzer Fachinformationen
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Besonders die römisch-katholische Kirche, meine Kirche, scheint blind- und taub geworden zu sein für die Nöte und Sorgen, auch Interessen und Urteile vieler Menschen, wenn man die Austrittszahlen der letzten Jahre ansieht.2
Dieser Befund ist ungerecht, weil er das Engagement unzähliger Menschen, Bischöfe, Ordensleute, Priester, Diakone, Religionslehrerinnen und Religionslehrer nicht nur in der Seelsorge, der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Glauben, in den wichtigen und funktionierenden Einrichtungen der sozialen Dienste (Caritas, Sozialdienst katholischer Frauen, Männerseelsorge, etc.) entwertet.
Dieser Befund trifft zu, weil die Strukturen der Glaubens- und Wissensvermittlung, der klassischen Hilfsangebote den Bedürfnissen vieler sich verabschiedender Menschen nicht entsprechen. Sie trugen und tragen zu einem bis zur Aufdeckung des Missbrauchsskandals eher stillen, danach lauten Auszug aus der Kirche bei. Die "Entfremdung", die Ludwig Feuerbach im 19. Jahrhundert im Verhältnis zwischen Denken und Glauben konstatiert und den Glauben als "Projektion" entlarvt zu haben meint, zeigt sich nun im 21. Jahrhundert in einem Glaubwürdigkeitsverlust kirchlichen Handelns. Der massenhafte Mitglieder-Exodus aus den Großkirchen ist Symptom dieses Autoritätsverlustes. Ihr geht ein Funktionsverlust in der Vermittlung zentraler christlicher Handlungen voraus, der seine Ursache keineswegs allein im individuellen theologischen Versagen oder pastoralen Ungenügen hat, sondern - das ist meine These - in der "Blindheit" gegenüber den Lebens- und Ordnungsstrukturen der eigenen Tradition. Eine angstgeprägte Verweigerungshaltung gegenüber dem Denken, Fühlen und Wollen vieler Menschen im Verbund mit einer festzustellenden Unfähigkeit, das Gut des katholischen Glaubens in die Nähe der Empfindung des "Wahren, Guten und Schönen zu bringen, ergibt sich aus dem unreflektierten Festhalten an Sprach- und Kommunikationsstilen vergangener Jahrhunderte. Wenn man an manchen lieblos ritualisierten Gottesdiensten, die banale Selbsteinsichten verbreiten, teilnimmt, kann einem das Wort Nietzsches in den Sinn kommen: "Was sind diese Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?" (Die fröhliche Wissenschaft, Nr. 125). Wenn auch aufgeschlossene Menschen die Kirchen als Wege und Orte, auf denen sie vorankommen und Halt finden könnten, verlassen, dann kann dies nur an einer Selbstblockade, einer gigantischen Selbstverliebtheit in die Vergangenheit entspringen. Die Folgen sind für die Kirche(n) katastrophal. Umgekehrt: Wo diese innere Hemmung zur Veränderung aufgehoben ist, wird der Herzschlag Gottes beim Einzelnen, wie in der Gemeinschaft spürbar.
Im Bereich gesellschaftlich- und staatlichen Handelns kann man eine Analogie hierzu nachvollziehen.
"Wenn die Autobahn blockiert ist, nutzen und verstopfen die Verkehrsteilnehmer die Umgehungsstraßen."
Am besten wäre es, wenn es zu einer "Verkehrswende" mit neuen, intelligenten und menschenfreundlichen Antworten auf das Bewegungsbedürfnis der Menschen kommen würde. Das wird jedoch dauerhaft nicht mit einem Billigticket gelingen. Ein gutes Angebot kostet: quantitativ und qualitativ. Das Bedürfnis der Menschen trifft auf eine veraltete, unterfinanzierte Bahnstruktur. Die Bahn in "vollen Zügen" auf dem Stehplatz wird niemand auf Dauer mit Begeisterung benutzen.
Wie es im Verkehrsbereich viele gegensätzliche, teilweise aus der psychischen Veranlagung stammende (z.B. die Liebe der Deutschen zum Auto) Haltungen gibt, so finden sich auch innerhalb der katholischen Kirche unterschiedliche Haltungen und Konflikte. Diskussionen um die Stellung des päpstlichen und bischöflichen Lehramts, die Anfrage nach einer stärker synodal verfassten Kirche, die Öffnung aller kirchlicher Ämter für Frauen und Männer, überhaupt die Bestimmung dessen, was "Laien" in der Kirche sind, usw. stellen bisherige "Lebensabläufe" in Frage und rufen eine Verhärtung im Diskurs hervor, die eine notwendige Erneuerung verhindert. Jede Veränderungsbemühung scheint unter den Verdacht der Aufgabe der tradierten "Wahrheit" zu fallen. Die Versuchung zum Fundamentalismus, zur Abschottung stellt sich. Anonyme Schreiben, verkürzte Zitationen werden in die Öffentlichkeit gebracht, um der vermeintlich "anderen Seite" zu schaden. Und am Ende entscheidet nicht das bessere Argument, sondern die Autorität. Religion als "Projektion" (Feuerbach), "Illusion" (Freud), als "Krankheit", vielleicht sogar zum Tode (Kierkegaard), wenn Veränderung unmöglich ist?
Wieder andere drohen der "Kirche" mit ihrer Kündigung und vollziehen diese auch, wenn es nicht schnell genug in ihrem Sinne vorwärts geht. Ihr Blick - bei aller Unterstützung für die notwendige Reform - richtet sich nach "Vorne", aber vielleicht nicht nach "oben". Beide Richtungen sind notwendig. Jedenfalls ist auch diese Haltung ein Alarmzeichen für fehlende Kommunikation. "Austrittsschreiben" kommen zu spät. Einen guten Weg muss sicher jeder selbst in Freiheit gehen. Die Kirche ist kein Laufband. Wäre es so, hätte man sich örtlich" und "zeitlich" verändert, bliebe aber in der Selbstzuwendung allein. Auch an die Bewahrung vor dieser Versuchung sollte gedacht werden: "Religion" ist kein ausschließlicher "Wertelieferant", kein Ersatz für eine nichtfunktionierende "UNO". Wenn Autoritäten versagen, bleibt die Selbstvergewisserung dessen, was "katholisch" vor allem ist: eine "Qualität", eine "Haltung" (Habitus), eine Einstellung zu den Menschen, mit denen man zusammenlebt. Die folgenden Seiten gleichen einem "inneren Monolog", sind "selbstreferentiell" und in Hinsicht auf die theologischen Voraussetzungen äußerst verkürzt.
In einem ersten Teil (A) nehme ich nach einem Plädoyer für Neuorientierung die Wahrnehmungsmöglichkeiten, das katholische Sensorium in den Blick. Die Zuwendung zu den Sinnen innerhalb der Kirche kann das geschwundene Interesse in einer säkularisierten, aber nicht religionsfeindlichen Welt, nicht ausgleichen, aber stellt einen Anknüpfungspunkt für Fragende dar. In einem zweiten Teil (B) möchte ich an wenigen, ausgewählten Heilungserzählungen Jesu vor allem aus dem Markus-Evangelium zeigen, wie stark Jesus selbst sinnlich handelte und von diesen erstrangigen Bedürfnissen seiner Mitmenschen bewegt war. Er identifizierte sich mit ihnen, half Menschen aus ihren Ängsten. Der dritte Teil (C) geht der Frage nach, wie sich Katholiken über ihren Glauben Gewissheit verschaffen können, ohne in Fundamentalismus oder Weltflucht zu verfallen. Ein Blick auf Prinzipien der Glaubensvergewisserung im Judentum und im Islam zeigt, dass diese Bemühung keine typisch katholische Aufgabe ist, sondern zu den Grundbedingungen für eine funktionierende Religionsgemeinschaft gehört. Jeder Glaube benötigt Selbstkritik als Selbstvergewisserung. Die Anwendung der Prinzipien einer theologischen Erkenntnislehre ist in der Gegenüberstellung von Vergangenheit und Zukunft, Lehramtspositivismus versus Synodalität die systemische Grundlage, die den innerkirchlichen Erneuerungsprozess stabilisiert und Glaubwürdigkeit nach außen zurückgewinnt, der katholischen Kirche und ihren Mitgliedern einen lebensfreundlichen, nachhaltigen, "weisen" Weg aufzeigt. Dieses Desiderat existiert schon lange, kommt aber nur zaghaft, "einäugig" zur Anwendung. Die "Kirche mit den beiden Augen", hält sich noch ein Auge verschlossen. Dass ich mit zwei Augen besser sehen kann, auch als Brillenträger, ist vielen nicht bewusst oder wird aus einer inneren Hemmung heraus nicht vollzogen: Sie hat ihre tiefste Wurzel in der Angst. Doch der Sehnsucht nach Gott mit allen Sinnen zu folgen, hält geistig lebendig und beseitigt die Angst. Verirrungen in Seiten- und Holzwegen bewahren nicht vor der Erkenntnis: Wir sind keine einsamen Zyklopen (Einäugige), die in einer Höhle leben, sondern in einer Welt, in der zwischen Glaube und Unglaube nicht mehr unterschieden wird. Ein neuer Spürsinn für das Wesentliche ist gefragt. Navigationshilfen für das Schiff meines Lebens. So erfolgt im letzten Teil ein Plädoyer für die Aktivierung und Freilegung einer schon bekannten Struktur. "Wenn es einen Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch etwas geben, das man Möglichkeitssinn nennen kann. Wer ihn besitzt, sagt beispielsweise nicht: Hier ist Dies oder Das geschehen, wird geschehen, muss geschehen; sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müsste geschehen; und wenn man ihm von irgendetwas erklärt, dass es so sei, wie es sei, dann denkt er: Nun, es könnte wahrscheinlich auch anders sein." (Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften)3.
Katholiken müssen nichts er-, sondern nur wiederfinden, was Ihrer Zeit zugrunde liegt. Der Indikativ regiert den Konjunktiv. Aber ohne Phantasie, dass die gegenwärtige Situation auch anders sein...
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