Schweitzer Fachinformationen
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Er genoss es, auf der Klippe zu stehen und hinauszusehen auf den abendlichen Ozean, während Nebelschwaden aufzogen, um wie Schleier aus Gaze sein Gesicht zu berühren. Dieses Gefühl, dem irdischen Getümmel enthoben und ein Teil der entfesselten Elemente zu sein, war dem Fliegen nicht unähnlich. Dieses Gefühl, zugleich eingeschlossen zu sein in diesen unvertrauten, sonderbaren Weltenraum aus Nebel und Wolken und Wind. Nachts war er immer gern geflogen; die Nachtflüge fehlten ihm, seit der Krieg vorbei war. Eine klapprige Privatmaschine zu fliegen war nicht dasselbe. Er hatte es versucht. Als müsste man sein Präzisionswerkzeug wieder gegen ein prähistorisches Steinbeil eintauschen, so hatte es sich angefühlt. Nichts konnte den entfesselten Flug in einem Jagdbomber ersetzen.
Es gelang ihm nur selten, das Gefühl der Macht, der Erregung und der Freiheit in sich wachzurufen, das er in der Einsamkeit des Himmels empfunden hatte. Aber nun, da er auf den Ozean blickte, auf die Wellen, die vom Horizont her unaufhörlich herangerollt kamen, jetzt und hier, hoch über dem scheinwerfergepunkteten Küstenhighway, auf dem der Verkehr dahinkroch, gelang es ihm. Vor dem Himmel zeichneten sich die kantigen Umrisse der Häuser ab, direkt dahinter lag der breite fahle Strand, lag der aufgewühlte Ozean.
Er wusste nicht, warum er noch nie zuvor hierhergekommen war. Er wusste auch nicht, warum er sich heute dafür entschieden hatte. Er war unruhig gewesen und ohne ein Ziel im Sinn in den Bus gestiegen, und der Bus hatte ihn hierhergebracht.
Er streckte die Hand aus, als wollte er den Nebel greifen, aber sie glitt durch den feuchten Schleier, und er lächelte. So war es ihm auch recht - die Hand ein Flugzeug in den Wolken. Die Meeresluft roch gut. Die Dunkelheit, die ihn umschloss, fühlte sich weich an. Noch einmal ließ er seine Hand durch den unruhigen Nebel stürzen.
Auf einmal besudelte ein Bus die Stille, grell, laut und stinkend, und er war verärgert. Er drehte sich ungehalten um. Als wäre die Klapperkiste ein lebendiges Wesen, das vor seiner Wut zurückschrecken würde. Dann sah er, wie eine junge Frau aus dem Bus stieg. Sie konnte ihn nicht sehen, er war nur ein Schemen in der nebligen Dunkelheit. Sie konnte auch nicht wissen, dass er sich wie auf einem Blatt Papier in seiner Vorstellung ausmalte, wie sie aussah.
Sie war klein, hatte dunkle Haare, ein rundliches Gesicht. Sie sah nicht nur anständig, sie sah liebenswürdig aus. Eine freundliche junge Frau, ganz in Braun. Braunes Haar, braunes Kostüm, braune Pumps, braune Tasche. Sogar einen kleinen braunen Filzhut hatte sie auf dem Kopf. Er fing an zu mutmaßen: Sie kam nicht vom Einkaufen (sie hatte keine Taschen bei sich), sie war auch nicht zu einer Abendgesellschaft eingeladen (sie trug ein maßgeschneidertes Kostüm und bequeme Schuhe). Sie kam also von der Arbeit und stieg - er warf einen Blick auf das leuchtende Ziffernblatt seiner Armbanduhr - jeden Abend um zwanzig nach sieben an diesem verlassenen Ort aus dem Bus Richtung Brentwood. Vielleicht hatte sie heute länger gearbeitet als sonst, aber das ließe sich ohne Weiteres herausfinden. Sie war vermutlich in einem der Filmstudios angestellt, Büroschluss sechs Uhr, Nachhauseweg eine Stunde.
Während er über sie nachdachte, holperte der Bus davon, und die junge Frau kam über die Kreuzung in seine Richtung gelaufen. Aber sie lief nicht auf ihn zu, denn sie konnte nicht wissen, dass er sich in der nebligen Dunkelheit verbarg. Sie durchquerte den gelben Schein der Laterne, er konnte jetzt wieder ihr Gesicht erkennen, konnte sehen, dass ihr die Dunkelheit, der Nebel, die Verlassenheit der Gegend nicht behagten. Sie ging die California Incline entlang, ließ ihre Absätze laut auf das bucklige Pflaster knallen, als würde sie das Geräusch beruhigen.
Er folgte ihr nicht sofort. Eigentlich wollte er ihr gar nicht folgen. Aber plötzlich, ohne darüber nachgedacht zu haben, befand auch er sich auf dem Gehweg neben der Fahrbahn. Er ging nicht so laut und so schnell wie sie. Und doch konnte sie ihn hinter sich hören. Und er wusste, dass sie ihn hörte, denn sie geriet aus dem Tritt, so als wäre sie beinah gestolpert, und erhöhte ihr Tempo. Er nicht, er ging in aller Ruhe weiter, machte aber größere Schritte. Er lächelte - sie hatte Angst.
Er hätte sie mühelos einholen können. Aber noch war es zu früh. Besser, er hielt sich zurück, so lange, bis die Hangstraße zur Hälfte hinter ihm lag, und schloss erst dann zu ihr auf. Sie würde aufschreien, sobald er neben ihr auftauchte, vielleicht würde ihr auch nur der Atem stocken. »Guten Abend« würde er leise sagen, einfach nur »guten Abend«, und sie würde noch mehr Angst bekommen.
Sie war jetzt auf dem letzten Abschnitt der Hangstraße und näherte sich dem Küstenhighway. Sie ging sehr schnell. Als er allmählich zu ihr aufschloss, traf sie das aufdringliche Scheinwerferlicht eines Wagens, der auf die Hangstraße bog. Es traf auch ihn. Wut stieg in ihm auf. Er ging jetzt langsamer. Der Wagen fuhr zügig die Straße hinauf und an ihm vorbei, aber jetzt war es passiert, die Dunkelheit war zunichtegemacht. Es folgte, einer Prozession gleich, eine ganze Wagenkolonne. Das Scheinwerferlicht strich über den Gehweg, den Asphalt und die braunen Klippen des höher liegenden Palisades Park. Die junge Frau war in Sicherheit. Sie beruhigte sich, er konnte es ihren Schritten anhören. Seine Wut durchpulste ihn.
Als er sich der Kreuzung näherte, sah er, wie sie den Küstenhighway überquerte, eine braune Gestalt im gelben Licht der Laterne. Auf der anderen Seite angekommen verschwand sie hinter dem dunklen Tor, das zu einem von drei dicht beieinanderstehenden Häusern gehörte. Er hätte ihr nachgehen können, aber in den Häusern brannte Licht. In irgendeinem dieser hell erleuchteten Zimmer wurde sie erwartet.
Ein hellblauer Bus hielt an der Kreuzung. Eine Frau mittleren Alters kam die Stufen herab, und er stieg ein. Ihm war egal, wohin der Bus unterwegs war. In jedem Fall würde er den gelben Schein der Laternen hinter sich lassen. Der Bus war spärlich besetzt, nur Frauen, Frauen ohne jeden Reiz. Der kantige Fahrer hatte etwas Provinzielles an sich. Er bediente die Wechselgeldkasse, die ein knarzendes Geräusch von sich gab, und blickte in die Nacht. Die Fahrt kostete einen Nickel.
Der beleuchtete Bus fuhr an den dunklen Klippen vorüber. Die wuchtigen Strand- und Klubhäuser, die auf der anderen Straßenseite standen, versperrten die Sicht auf den Ozean. Hinter dem Fenster glitt lautlos der Nebel vorüber. Der Bus fuhr ohne Halt, bis zu einer Stelle, an der die Straße eine enge Kurve beschrieb. Hier stieg er aus. Der Bus ließ den Ozean hinter sich und bog in einen dunklen Canyon. Ein Stück weiter entdeckte er ein paar Restaurants, Fast-Food-Lokale, eine kleine Drogerie und eine Bar. Ihm stand der Sinn nach einem Drink.
Die Bar gefiel ihm, ein auf den Gehweg ragender Bug, ein schummeriger Schiffsbauch. Eine Bar, wie sie Männern gefiel, aber es war auch eine Frau da, mit dunklen Haaren und schriller Stimme. Sie war in Begleitung zweier Männer, die drei waren nicht zu überhören, und er konnte sie nicht ausstehen. Dafür hatte er etwas für den Alten mit dem weißen Backenbart übrig, der hinterm Tresen stand. Ein Mann wie ein Kapitän, in sich ruhend, fähig.
Er orderte Whiskey pur, aber als ihm der Alte das Glas hinstellte, war ihm nicht mehr danach. Er kippte ihn trotzdem. Der Drink wäre nicht mehr nötig gewesen. Er war schon auf der Busfahrt zur Ruhe gekommen. Keine Wut mehr, auf niemanden. Nicht einmal auf die drei ohrenbetäubenden Schwachköpfe.
Die Schiffsglocke hinterm Tresen schlug zur vollen Stunde. Acht Mal. Er wollte nirgendwohin, auf nichts hatte er Lust. Die Frau in Braun war ihm inzwischen völlig egal. Er versuchte es mit einem zweiten Whiskey, aber als das Glas vor ihm stand, rührte er es nicht an.
Er hätte an den Strand gehen, sich in den Sand setzen können, wo es still und dunkel war, den Geruch des Nebels und des Ozeans einatmen. Kurz vor dem Abzweig, der in den Canyon führte, war der Ozean wieder aufgetaucht. Der weitläufige Strand war ganz in der Nähe. Trotzdem blieb er sitzen. Er fühlte sich wohl hier. Steckte sich eine Zigarette an, schob das randvolle Whiskeyglas auf dem lackierten Holz des Tresens hin und her, verschüttete keinen einzigen Tropfen.
Er glaubte zu hören, wie die Frau mit der schrillen Stimme einen Namen sagte. Er hatte sie zu ignorieren versucht, aber mit einem Mal stand dieser Name im Raum. Brub. Ihm fiel wieder ein, dass Brub ganz in der Nähe wohnte. Fast zwei Jahre hatte er ihn nicht mehr gesehen. Als er vor ein paar Monaten an die Westküste gekommen war, hatten sie miteinander telefoniert, ein einziges Mal. Er hatte zu Brub gesagt, er werde sich wieder melden, sobald er richtig angekommen sei, aber das hatte er nie getan.
Brub wohnte im Santa Monica Canyon. Er ließ den Whiskey auf dem Tresen stehen und ging zum Münztelefon in der Ecke. Das Telefonbuch war zerfleddert, aber es dauerte nicht lange, und er hatte Brub Nicolais Nummer gefunden. Die Münze klirrte ins Gerät. Er nannte die Nummer, bat darum, verbunden zu werden.
Eine Frau ging an den Apparat. Sie rief nach Brub. Gleich darauf hörte er ein erwartungsvolles »Ja?«.
Es versetzte ihn in Aufregung, seine Stimme zu hören. Brub war ein unvergleichlicher Mensch. Ohne ihn wären die Jahre in England einfach an ihm vorübergezogen. Er war aufgekratzt, wie ein kleiner Junge. »Hallo, Brub!«, sagte er. Dix wollte, dass Brub erriet, dass er erahnte, wer hier am anderen Ende der Leitung war. Aber Brub erkannte ihn nicht, war verwirrt. »Wer ist da?«, fragte er.
Übermut kitzelte ihn. »Na, wer wohl!...
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