Schweitzer Fachinformationen
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Grundsätzlich gilt: eine gute Vorbereitung fängt nicht mit der Einweisung ins Krankenhaus an. Wie im vorherigen Kapitel erwähnt haben Menschen mit Beeinträchtigungen noch nicht lange Zugang zu einer regulären, normalen, medizinischen Versorgung in Kliniken. Erst durch den Paradigmenwechsel - weg vom Paternalismus, hin zur Selbstbestimmung und Teilhabe - haben Menschen mit Beeinträchtigenden ein Wahl- und Wunschrecht in der Medizin. Durch die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention in Artikel 25 wird dieses Wunsch- und Wahlrecht unterstrichen und im Zuge des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wird die Teilhabe und Partizipation immer stärker gefordert. D.?h.: Menschen mit Beeinträchtigungen werden nun nicht mehr von sog. Heimärzten und Krankenpfleger:innen in den Organisationen versorgt, sondern nehmen die Leistungen in Kliniken entgegen. Aber: durch diese ehemalige Versorgung in den sog. Komplexeinrichtungen fehlt die Erfahrung im Krankenhaus - auf beiden Seiten. Um also in beiden Organisationsformen (hier z.?B. eine Wohneinrichtung, dort ein Krankenhaus der Regelversorgung) die bestmögliche, Versorgung zu gewährleisten, sollten Schulungen, Fort- und Weiterbildungen (in Kliniken und/oder den allgemeinen, medizinischen Bereichen) und Inhalte für die (Erwachsen-) Bildung für Menschen mit Beeinträchtigungen erarbeitet und umgesetzt werden. Auch wäre es denkbar, das Thema Medizin/medizinische Versorgung (in Kliniken) im Zuge der Gesundheitskompetenz an Schulen zu unterrichten. Somit kann die Partizipation und Teilhabe verbessert und gewährleitet werden. Zudem können durch Bildungsangebote auf der einen Seite herausfordernde Verhaltensweisen vermieden werden, denn eine solche Situation wurde vorher schon geübt, transparent und verständlich gemacht. So kann z.?B. ein Besuch der Notaufnahme, in der es laut, grell, stressig und unübersichtlich sein kann, geübt werden oder aber die Blutentnahme vorab erklärt und vorbereitet werden. Bei der Aufnahme gilt es zudem zu bedenken, dass es (noch) keine gesetzlichen Vorschriften gibt und auch Prozessbeschreibungen in vielen Klinken diesbezüglich (noch) nicht vorhanden sind. Elektive, also geplante Aufnahmen, sind wie oben erwähnt und im folgenden Abschnitt ausgehführt, gut vorzubereiten, wenn sich beide Seiten auf die Kommunikation, sowie Interaktion einlassen. Grundlegend gilt aber: je komplexer die Beeinträchtigung und der Assistenzbedarf, umso intensiver sollte eine Vorbereitung stattfinden. Gerade bei komplexen Beeinträchtigungen und unterschiedlichen Wahrnehmungen sollten die Akteure gut vernetzt sein und sich permanent - in Bezug auf die konkrete Person, bzw. den konkreten Patienten - aktualisieren.
Beispiel
Herr Müller ist 53 Jahre alt, hat Trisomie 21 und lebt in einer besonderen Wohnform in seinem eigenen Appartement. In der Regel benötigt er in einer sicheren und bekannten Umgebung wenig Assistenz. Eine rechtliche Betreuung für die Gesundheitsfürsorge liegt nicht vor.
Nun hat sein Orthopäde festgestellt, dass Herr Müller eine neue Hüfte benötigt und ihn deshalb in die Klinik überwiesen. Eine Mitarbeiterin begleitet ihn zu einem Vorgespräch in dieses Krankenhaus. Der Arzt verlangt die Einwilligung der rechtlichen Betreuung, ohne diese würde er nicht operieren. Die Mitarbeiterin versucht mehrfach zu erklären, dass diese Entscheidung bei Herrn Müller liegt, jedoch hat dieser Probleme, dem Arzt bei der Aufklärung zu folgen, so dass die Mitarbeiterin oft erklären, ja übersetzen muss. Der Arzt wird bei dem Gespräch lauter, was sich negativ auf Herrn Müller auswirkt, der nun anfängt, sich gegen den Kopf zu schlagen. Der Arzt bricht das Gespräch ab und gibt der Mitarbeiterin eine Vollmacht und den Aufklärungsbogen mit, welche sie zu dem OP-Termin vom rechtlichen Betreuer unterschrieben mitbringen soll. Genervt stimmt diese zu und geht mit Herr Müller nach Hause. Dieser bekommt immer mehr Angst vor der Operation und zeigt verstärkt herausforderndes Verhalten, in dem er sich gegen den Kopf schlägt oder laut schreit. Am Tag der Operation wird er von einer Mitarbeiterin in die Klinik begleitet. Diese bleibt auch nach dem Eingriff noch im Krankenhaus, auch weil Herr Müller in ein (lautes) Vierbett-Zimmer verlegt wird. Herr Müller muss nun durchgängig betreut werden, da er sich nicht kooperativ gegenüber der Mitarbeitenden aus der Klinik zeigt und herausfordernde Verhaltensweisen zeigt.
Durch eine Schulung des Arztes und eine gelungene Kommunikation zwischen den Beteiligten bei dem Aufklärungsgespräch, hätte dieses Verhalten vermieden werden können. Der Arzt wäre vielleicht durch eine Schulung mit UK-Material (zur Unterstützten Kommunikation) und/oder Bildern, bzw. leichter Sprache in Berührung gekommen. Zudem wäre dem Arzt bewusst gewesen, dass auch ein Mensch mit Trisomie 21 Entscheidungen in Bezug auf seine Gesundheit treffen kann, wenn keine rechtliche Betretung für diesen Bereich vorliegt. Die Mitarbeiterin hätte dem Arzt vorab sagen können, dass Herr Müller auf eine laute Stimme mit Autoaggressionen reagiert, jedoch ansonsten sehr kooperativ und verständig ist. Mit diesem Wissen, nämlich, dass Herr Müller eine übersichtliche und nicht zu laute Umgebung benötigt, hätte das Bettenmanagement so ein Zimmer planen können (ggf. auch in der Nähe des Stationsstützpunktes). Da Herr Müller in der Regel unter den o.g. Bedingungen nicht auffällig ist, hätte er sich auf die Mitarbeitenden in den Klinken einstellen können, somit wäre die extrem hohe Assistenz durch die Mitarbeitenden der Wohneinrichtung nicht notwendig gewesen. Aber vor allem hätte Herr Müller den Aufenthalt nicht als traumatisierend erlebt und - falls es zu einem weiteren Aufenthalt gekommen wäre - wäre kein größeres Problem entstanden.
Aber auch: Durch Bildungsangebote für erwachsene Menschen mit Beeinträchtigungen in unterschiedlichen Organisationen können solche Situationen vermieden werden. Ein Krankenhausaufenthalt sollte vorhersehbar und transparent sein. So könnten z.?B. (interdisziplinäre) Schulungen in Kooperation mit den unterschiedlichen Organisationen angeboten werden.
Ein Krankenhausaufenthalt kommt in der Regel auf jeden Menschen im Leben mindestens einmal zu. Hier könnten Klinikpersonal und Mitarbeitende aus der Eingliederungshilfe Konzepte für Schulungen für Menschen mit Beeinträchtigungen entwickeln. Fragen wären z.?B.:
Wie sieht ein Krankenhaus von innen aus (Besuchstage vereinbaren)?
Was geschieht in der Notaufnahme?
Wie läuft eine Blutentnahme ab?
Was genau ereignet sich beim Röntgen? Etc..
Durch diese Kooperation der Organisationen wird auch Verständnis und Transparenz zu den jeweiligen Bereichen geschaffen.
So wäre Herr Müller über den Vorgang informiert gewesen und hätte sich auch durch den ungeduldigen Arzt nicht verunsichern lassen.
Bei Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen sollte die Vorbereitung sehr eng und intensive mit allen Beteiligten abgesprochen werden. Hier werden alle Koordinationspartner (Aufnahme, Bettenmanagement, Anästhesie, Ärzt:innen, die Radiologie, etc.) angesprochen und darauf verwiesen sich intensiv miteinander auszutauschen.
Frau Mayer hat eine komplexe Beeinträchtigung. Sie sitzt im Rollstuhl, ist nicht verbal aber sie lautiert, ebenso liegt eine schwere, kognitive Beeinträchtigung vor. Sie mag es nicht angefasst zu werden und lässt dieses nur zur Körperpflege von einer, ihr vertrauten, Person zu. Ebenso reagiert sie mit lautem Schreien beim Kontakt mit fremden Menschen. Zudem benötigt sie eine permanente Assistenz. Des Weiteren lebt sie mit einem Stoma (künstlicher Darmausgang).
Die Mitarbeitenden der Wohngruppe informieren nach der Überweisung in die Klinik durch den Facharzt die rechtliche Betreuung. Diese führt ein Aufklärungsgespräch mit dem beteiligten Arzt und der Anästhesie, um die notwendigen Unterlagen zu unterzeichnen. Ebenso entbindet er in diesem Zuge die Klink von der Schweigepflicht gegenüber den Mitarbeitenden der besonderen Wohnform von Frau Mayer. So ist ein ständiger Austausch gewährleitstet.
Die Mitarbeitenden der besonderen Wohnform erfahren, dass Frau Mayer auf ein Vierbettzimmer kommen soll. Um jedoch Komplikationen zu vermeiden, nehmen sie Kontakt zu der heilpädagogischen Schnittstelle in den Klinken auf, welche für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen zuständig ist. Diese erfragt intern, ob ein Einzelbettzimmer aufgrund der zu erwartenden Komplikationen und der Verweildauer nach dem Eingriff planbar wäre. In einigen Fällen ist eine Unterbringung in der Wahlleistungsstation möglich, aber die Kliniken sind hierzu nicht verpflichtet. Da Frau Mayer zudem eine vertraute Assistenz benötigt, welche seit dem 01.?11.?2022 - wie bereits erwähnt - gesetzlich verankert ist, wird im Vorfeld ein passendes Zimmer organisiert. Somit ist eine...
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