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Meine Frau Gret ist von der Idee, über Christoph Blocher ein Buch zu schreiben, gar nicht angetan: «Mir hängt er zum Hals heraus.» Und unsere jüngere Tochter Uschi rief mich nach dem Ja zur SVP-Initiative an und meinte: «Ich möchte am liebsten den Pass deponieren.»
So viel zur familiären Atmosphäre.
Gret hat schon bei Otto Stich so unerbittlich reagiert. Weil er und nicht die von der Partei nominierte Lilian Uchtenhagen zum Bundesrat gewählt wurde. Dass er die Wahl annahm, hat sie ihm nie verziehen, und wenn sie «dem Stich» im Coop-Gartencenter begegnete, demonstrierte sie grusslos ihr Missfallen. «Das musste sein», deckelte sie mich auf die Frage: «War das nötig?»
Partnerschaftlichen Zuspruch zu diesem Buch kann ich also nicht erwarten. Nur schleckt es halt keine Geiss weg: Dieser Blocher ist nun mal ein aussergewöhnlicher Politiker. Einer, der seit drei Jahrzehnten die politische Agenda massgeblich bestimmt.
Der linke Filmemacher Jean-Stéphane Bron drehte 2013 den Film . Er hat seinen Hauptdarsteller bei den Dreharbeiten live erlebt und durchschaut: «Blocher braucht einen Gegner. Ohne ihn ist er entwaffnet.»
Das erinnert mich an den ehemaligen Generalstabschef Heinz Häsler. Nach dem Ende des Kalten Kriegs zwischen Ost und West, zwischen der kommunistischen Sowjetunion und den USA als Grossmacht des freien Westens, war auf einmal die Bedrohung aus dem Osten weggefallen. «Es ist weit und breit kein Feind in Sicht», meinte Häsler verzweifelt. Auch eine Armee ist ohne Feind verloren.
Christoph Blocher hat sich einige Feindbilder zugelegt:
Dem Bundesrat wirft er seit langem vor, auf schleichendem Weg die Schweiz in die EU führen zu wollen. Er scheut nicht vor dem Vorwurf zurück, das sei Landesverrat.
Fremde Richter gehören zum Sortiment dazu.
Die Classe politique ebenso.
Die EU in Brüssel natürlich.
Als innenpolitischen Dauergegner aber hat er die SP im Visier. Und damit meint er auch die links von ihm liegende FDP und CVP.
Wie ist das zu verstehen?
Das Stichwort für unsere politische Kultur heisst Konkordanz - auch Zauberformel genannt. Gemeint ist unser Regierungssystem, bei dem die grösseren Parteien von links bis rechts im Bundesrat vertreten sind und sich gefälligst zu einem mehrheitsfähigen Kompromiss zusammenraufen sollen.
Willi Ritschard hat mir oftmals davon geschwärmt:
Damals, in den 1970er Jahren, stimmte offenbar die Chemie zwischen FDP-Bundesrat Fritz Honegger, Hans Hürlimann von der CVP und SP-Mann Ritschard. Aus meinen Gesprächsnotizen mit ihm zitiere ich: «Wir drei haben alle wichtigeren Geschäfte miteinander abgesprochen. Mal hat der eine, mal der andere nachgegeben. Nur so gelingt ein Kompromiss. Ein brauchbarer Kompromiss ist, wenn keiner alles bekommen oder alles verloren hat. Daraus entsteht eine mittlere (Un-)Zufriedenheit. Das Erreichte vertreten wir gemeinsam im Bundesrat, in der eigenen Fraktion und im Parlament.»
Genau diese Zusammenarbeit passt Blocher nun eben nicht. Für ihn gibts dabei zu viel Rot. Deshalb habe die Schweiz eine Mitte-links-Regierung der «Linken und Netten». Als ob die drei, SP, FDP, CVP, im gleichen politischen Lotterbett lägen. Mit den «Netten» meint er also die bürgerlichen Linken. Im religiösen Jargon wären es ungläubige Pseudobürgerliche.
Für Blocher ist folglich eines klar: Bürgerliche Politik macht nur noch die SVP. Deshalb «wählen Schweizer SVP». So der Slogan bei den Wahlen von 2011. Die «Netten» sind also auch keine richtigen Schweizer mehr. Und die SP müsste sich ihr Rouge wohl ganz abschminken - vielleicht, um so den Schweizer Pass zu rechtfertigen.
Was ist mit dem angeblichen Mitte-links-Bundesrat, dem nach Blochers Farbenlehre sechs rote Linke und Nette angehören? Mit dem letzten bürgerlichen Mohikaner Ueli Maurer?
Fest steht, dass Simonetta Sommaruga und Alain Berset waschechte Linke sind, beide vom rechten SP-Parteiflügel. Didier Burkhalter und Johann Schneider-Ammann vertreten eindeutig die FDP. Diese Partei fährt stramm auf der rechten Spur und zeigt nicht die geringste Lust zu einem Linksdrall. Auch Doris Leuthard von der CVP ist keine Linke; ihr steht der Papst näher als Karl Marx. Und Eveline Widmer-Schlumpf ist ein von der SVP ausgesetztes Verdingkind, das mit der BDP ein bürgerliches Heim gefunden hat. Und für Blocher eher keine Nette ist.
Links ist für Christoph Blocher offenbar ein Virus, das den Bundesrat befallen hat, und deshalb sieht er es als seine Aufgabe, die SP ideologisch bis aufs Messer zu bekämpfen.
Berührungsängste zu ihr hat er jedoch keine.
Im November 2013 gastierte er beim Business-Club in der Basler Nobelherberge . Für ihn als Verleger der war es eine Art Heimspiel. Jedenfalls kokettierte er lustvoll mit seinen «Basler Wurzeln»: Sein Urgrossvater und zwei Grossonkel hätten in Basel gelebt. Zwei davon seien «hochstehende Sozis gewesen, nicht solche wie heute, sondern Männer mit Format, deren einziger Fehler es war, Sozis zu sein». Dies servierte er dem dankbaren Publikum. Mehr Persönliches wolle er über sich nicht reden, «weil eine halbe Stunde nicht ausreicht».
Das ist typisch für Blocher: Ihn stört es überhaupt nicht, Sozis als Vorfahren zu haben. Er hat sich ja von ihrem roten Virus nicht anstecken lassen. Zudem waren es honorige Linke, «nicht so wie heute».
Bürgerliche haben schon immer besser gewusst, wie richtige Linke zu politisieren haben. Und mich hat stets amüsiert, wie Bürgerliche sich um uns Sorgen gemacht und uns bewertet haben. Die Notenskala ist dabei klar vorgegeben: Der amtierende SP-Präsident ist das Feindbild, der zurückgetretene ist der Vernünftige, und der verstorbene war der Beste.
Um den netten bürgerlichen FDP- und CVP-Leuten das Zusammengehen mit der SP zu verleiden, musste Blocher deshalb ein für alle Mal mit ihr deutlich abrechnen, und zwar dermassen unerbittlich, dass sich jeder Mensch schämen muss, mit dieser Partei und deren Wortführer überhaupt noch Beziehungen zu pflegen. Dass bei Blochers Abrechnung die SP nicht gut wegkommt, darf nicht überraschen. Wie und mit welchen Argumenten jedoch schon.
Am 2. April 2000 veröffentlichte Christoph Blocher seine Sozialismuskritik: . An die Linken und Netten also.
Das Pamphlet umfasst 24 Seiten. Ein paar Hunderttausend Exemplare wurden als Werbebeilage an die Haushalte verteilt. Gegen den Sozialismus ist nichts teuer genug. Der SVP-Stratege kann sich solche Massensendungen finanziell leisten. Ihm ist sehr wohl bewusst, dass die SP da nicht mithalten kann.
Vorweg eine Bemerkung: Die Kampfansage ist ein politischer Ladenhüter. Schon Franz-Josef Strauss, der verstorbene CSU-Ministerpräsident von Bayern, hatte ihn gegen die SPD eingesetzt. Blocher hat ihn also lediglich wieder aufgewärmt.
Erster Irrtum: Blocher definiert den totalitären Kommunismus der nicht mehr existierenden Sowjetunion als Sozialismus. Das ist unfair. Da wird bewusst getan, als ob der demokratische Sozialismus, den die SP im Programm hat, identisch wäre.
Zweite Falschmeldung: In seiner Abrechnung mit dem Sozialismus lese ich: «Führende SP-Politiker huldigen teilweise wieder der totalitären Stossrichtung des Sozialismus. Sie bekennen sich stolz als Freunde von ehemaligen und gegenwärtigen totalitären Regimes in Kuba, Nordkorea, Kambodscha und Nicaragua.»
Auch diese Zeilen machen mich fassungslos. Wie kommt ein zivilisierter Mann wie Christoph Blocher dazu, derartige Diffamierungen hunderttausendfach in der ganzen Schweiz zu verteilen?
Meint Blocher mit der erwähnten totalitären Stossrichtung des Sozialismus, zu der sich angeblich gewisse SP-Politiker bekennen, den Stalinismus? Des sowjetischen Diktators Josef Stalin, der Millionen Andersdenkende hinrichten oder in sibirischen Arbeitslagern verrecken liess? Pardon. Es gibt kein SP-Dokument, das Blochers Ungeheuerlichkeit bestätigen könnte.
In meinem Bekanntenkreis musste ich ihn ja oft - auch contre coeur - verteidigen: «Nein, Blocher ist kein Faschist. Eher ein Überzeugungstäter aus Irrtum.» Aber wenn er hier der SP unterstellt, «stolz» auf Nordkorea zu sein, dann bin ich empört und natürlich beleidigt.
Schweizerischen Sozialdemokraten zu unterschieben, sie seien «Freunde» von Nordkorea? Diesem abscheulichen Regime? Sogar «stolze Freunde»? Wäre das so, hätte Willi Ritschard ausgerufen: «Ihr seid ja krank im Gring!» Und die SP wäre bei Wahlen weggefegt worden wie politisches Lumpenpack.
Und nun sollen wir auch noch «stolze Freunde» des totalitären Regimes in Kambodscha gewesen sein.
In Kambodscha, wo die kommunistischen Roten Khmer und ihr Führer Pol Pot zwei Millionen Menschen umbringen liessen, praktisch die gesamte Intelligenzia! Das glaubt Blocher ja selber nicht. Ich denke nicht daran, die SP dagegen verteidigen zu müssen. Wir leben doch nicht in Absurdistan.
Nicaragua hingegen hat eine andere Qualität. Nachdem dort Präsident Somoza 45 Jahre lang eine Rechtsdiktatur anführte, wurde er 1979 von der Sandinistischen Befreiungsfront gestürzt. Elf Jahre später wurden die Sandinisten von gemässigten Liberalen abgelöst. Heute ist wieder ein Sandinist Staatspräsident. Nicaragua ist demokratischer geworden und hat sich von der US-Vorherrschaft befreit. Aber es wird...
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