Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Darwin, Australien
Da er nicht wusste, was er sonst tun sollte, drückte Skyler mit der Handfläche den Schalter, der die Rampe bediente.
Von der Decke erklang ein Warnton, dazu kam ein bernsteinfarbenes Drehwarnlicht. Die Glühbirne flackerte, als wolle sie ihn daran erinnern, sie zu ersetzen, eine Aufgabe, die er schon mehrfach verschoben hatte. Einige Monate ohne erfolgreiche Mission bedeuteten auch, dass Pflichten auf der Strecke blieben. Tut mir leid, altes Mädchen, dachte er. Du verdienst etwas Besseres.
Unter dem Boden sprang summend die Hydraulik an, und er trat von der Rampe zurück, als sie sich absenkte.
Regenwasser von dem Sturm in der Atmosphäre, aufgepeitscht vom restlichen Schub aus den ersterbenden Triebwerken der Melville, sprühte durch die Öffnung herein und klatschte Skyler ins Gesicht. Er kniff die Augen zusammen, während er das Wasser mit dem Ärmel abwischte.
Als sich die Rampe senkte, kam allmählich das weitläufige Gelände Nightcliffs in Sicht. Links von Skyler erhob sich der Lift-Turm über zweihundert Meter in einen tiefvioletten Himmel. In jeder anderen Nacht hätte eine Reihe von Leuchtpunkten, bestehend aus den Scheinwerfern der Gondeln, das Aufzugsseil kenntlich gemacht, wie ein vertikaler Strang von Lichterketten, die sich bis hinauf in den Weltraum erstreckten.
Aber nicht in dieser Nacht. Durch die dunklen Gondeln war das dünne Kabel so gut wie unsichtbar.
Skyler fragte sich, ob es nur die stehen gebliebenen Kabinen gewesen waren, die die Menge draußen zur Gewalt getrieben hatten. Vielleicht war der Abschaltung etwas anderes vorausgegangen. Eine Konfrontation mit dem Orbitalrat oder streikende Wassertransporter. Solche Gerüchte breiteten sich aus wie ein Lauffeuer. Der kleinste Hauch von Problemen, von einer ernstzunehmenden Veränderung ihrer ohnehin schon trostlosen Lage, konnte die Menschen zu solchen verzweifelten Gewalttaten treiben.
Eine Ansammlung hoher Gebäude stand um den Fuß des Turms, so dass man den Krater nicht sehen konnte, der entstanden war, als das Seil in die Erde eingedrungen war. In den Gebäuden belud man die Gondeln hinter gewaltigen Rolltoren und reihte sie hintereinander auf. Eine Reihe von Kränen, jeder höher als fünfzig Meter, umringte den Bereich. Sie befestigten Frachtcontainer an den Gondeln oder nahmen sie ab. Skyler sah eine leere Gondel an einem der Kräne. Die spinnenartigen Kabinen bestanden aus einer Mittelachse mit Elektromotoren, Inversionsplatten und Milliarden von winzigen Armen, die das unfassbar dünne Kabel umschlossen. Oben und unten an der Achse waren acht Gerüstarme angebracht, an denen die Fracht hing. Auf dem Asphalt wartete ein Stapel langer Stahlkisten, untätige Arbeiter drängten sich in der Nähe zusammen.
Rechts von ihm, an der am Meer verlaufenden Mauer der Festung, sah Skyler ein Durcheinander aus Baracken und anderen Hilfsgebäuden, darunter auch den alten Platz-Familiensitz, der schon längst zugenagelt war. Jemand hatte ihm erzählt, dieses einst luxuriöse Anwesen diene inzwischen als Lagerraum. Was für eine Verschwendung.
Die Festung Nightcliff war aus purer Notwendigkeit entstanden, um den von Außerirdischen errichteten Lift einzufassen und zu verteidigen. Warum die Erbauer siebzehn Jahre zuvor den Lift hier errichtet hatten, wusste niemand. Nur wenige interessierten sich noch dafür. Die Außerirdischen waren nie in Erscheinung getreten, hatten sich nie vorgestellt. Keine Erklärung, nur ein automatisiertes Baugefährt, das im Orbit stehen blieb und seinen Faden wie eine Angelschnur in den Boden schoss.
Skyler war Anhänger der Theorie der »reinen Glückssache«. Das Kabel war vom Himmel gefallen, ihm voraus eine pfeilförmige schwarze Masse, und hatte sich tief in diesen kleinen Landstrich hineingebohrt.
Fast über Nacht hatte sich Darwin von einer verschlafenen Stadt am Meer in eine wuselige Metropole verwandelt: ins Zentrum der Welt. Skyler erinnerte sich an die Aufnahmen, die er in der Schule gesehen hatte: Vorher-nachher-Vergleiche, die seinen jungen Geist verblüfft hatten. Eine Zeit des Fortschritts und der Wunder. Eine Zeit des Zukunftsglaubens.
Sie war nicht von Dauer gewesen.
Fast fünf Jahre nach der Ankunft des Lifts war die Krankheit ausgebrochen und hatte sich über den Erdball verbreitet. Warum oder wie der Lift sie unschädlich machte, blieb ein Rätsel. Es gab eine Verbindung zwischen beiden, so viel war klar, aber in dieser Zeit der weltweiten Panik war es nur auf eines angekommen: auf nach Darwin. Darwin ist sicher. Die Stadt war damals unter dem Ansturm der Flüchtlinge, darunter Skyler, zusammengebrochen. Die Erinnerungen an seine Reise brachten ihn auch jetzt noch zum Zittern. Erstaunlich, was Menschen einander antun konnten, wenn ihr Überlebensinstinkt einsetzte.
Die Rampe der Melville traf mit einem tiefen Knirschen auf Beton, was Skylers Aufmerksamkeit von der Aussicht ablenkte.
Russell Blackfield, der Präfekt von Nightcliff, wartete auf dem Landefeld. Seine Anwesenheit zerstörte sämtliche Hoffnungen, die Skyler noch gehegt hatte, es könne sich um eine reine Routineinspektion handeln.
Neben dem mächtigen Mann standen vier Schutzwachen, zwei an jeder Seite. Sie trugen braune Kampfhelme, das einzige Stück Rüstung, das sie besaßen. Ihre übrige Ausstattung entsprang einer Vielzahl von Militäruniformen aus der Zeit vor der Krankheit. Hauptsächlich sah Skyler unterschiedlich gut erhaltene Arbeitsuniformen der australischen Armee. Einer trug einen schlecht sitzenden chinesischen Offiziersmantel.
Ihre Waffen waren auf Skyler gerichtet - alle hatten schlanke, dunkle Maschinengewehre. Ihre Uniformen passten nicht zueinander, ihre Knarren schon.
Russell trat vor. »Kommen Sie da raus. Ihre Mannschaft auch. Die Hände so, dass ich sie sehen kann.«
Der Mann trug ein einfaches, weißes T-Shirt, das völlig durchnässt war. Sein kurzgeschorenes blondes Haar klebte in feuchten Klumpen am Kopf. Er trug keine Waffen, soweit Skyler sah.
Skyler schaute nach hinten und sah, dass Jake und Samantha bereits herauskamen. »Jake, hol Angus.«
Sein Schütze nickte und wandte sich um.
Samantha ging zwischen ihnen die Rampe auf den Asphalt hinab. Russell verfolgte sie mit lüsternem Blick, die Diskussion war plötzlich vergessen.
Skyler beugte sich vor, um dem Präfekten die Sicht zu verstellen. »Was soll das?«
»Sabotage«, brummte Russell und reckte den Kopf, um an Skyler vorbeizuschauen.
Sekunden später kam Jake mit Angus im Schlepptau aus der Maschine. Die beiden traten neben Samantha, die Hände nach vorne gestreckt.
»Nun gut«, sagte Russell. »Was zum Teufel haben Sie mit meinem Lift angestellt?«
Stille senkte sich über den Hof.
Da der Antrieb der Melville ganz aus war, hörte man nur den fernen Lärm der aufständischen Menge vor dem Südtor.
Hinter Russells Diktatoren-Fassade erkannte Skyler Sorge. »Sie glauben, das hätten wir verursacht?«
Der grobschlächtige Mann trat näher. Er kniff die Augen zu. »Der Strom ist in dem Augenblick ausgefallen, als Sie auf die verdammte Aura gestoßen sind. Ganz genau. Stellen Sie sich ruhig dumm, Plünderer, aber wir werden der Sache auf den Grund gehen.«
Russell machte eine Geste. Drei Wächter rannten die Rampe herauf und schickten sich an, die gelben Netze von den Frachtbehältern zu entfernen. Der vierte blieb stehen, sein Gewehr deutete auf den Boden zwischen sich und der Mannschaft.
Skyler konnte nur hilflos zusehen. »Schauen Sie, wir waren überrascht über die Verdunkelung der Gondeln, genau wie Sie. Wir haben nichts an Bord, das so etwas auslösen könnte. Ich weiß nicht mal, wie das passieren konnte.«
Russell marschierte halb die Rampe hinauf, eher auf den Inhalt des Flugzeugs konzentriert als Skyler. »Ihr seid die Crew aus Immunen, oder?«
»Stimmt. Wir kommen gerade von einer Tour im Norden zurück.«
Falls Russell das gehört oder eine Meinung dazu hatte, gab er sie nicht zu erkennen. Seine Aufmerksamkeit blieb auf die Frachtkisten gerichtet. »Immunität. Muss schön sein, die Stadt ohne den Anzug zu verlassen. Echte Reisefreiheit.«
»Das da draußen ist kein Garten Eden«, sagte Skyler.
»Dennoch haben Sie die Wahl.«
Skyler schwieg. Er erzählte so gut wie nie von seiner Immunität gegen die Krankheit, wegen der Fragen, die darauf folgten. Es waren immer dieselben: Fühlst du dich anders? Glaubst du, die Erbauer haben dich auserwählt? Könntest du nach meiner Frau oder meinem Kind oder den sterblichen Überresten des Gemeindevorstands, den wir zurückgelassen haben, suchen?
Und schließlich: Warum kehrst du überhaupt zurück?
Er hatte keine zufriedenstellenden Antworten für sie.
Am meisten hasste er es, die Außenwelt zu beschreiben. Freizone nannten sie sie. »Wie ist es da?«, fragten sie immer. Keiner wollte hören, dass die Welt vor die Hunde gegangen war, dass alle großen Metropolen der Menschen nun Unkraut, Ratten, Krähen und Schlimmerem eine Heimstatt boten. Nein, sie wollten glauben, die Welt hätte sich von den Sünden der Menschheit erholt. Nach allem, was geschehen war, brauchten sie einen Silberstreif am Horizont.
Von Russell Blackfield, dem Despoten von Nightcliff, hätten solche Fragen eine ganz eigene surreale Anmutung gehabt. Obwohl er es nie zugegeben hätte, wünschte sich Skyler, er hätte Sams Rat befolgt und den Aufruf zum Landen ignoriert.
Zu seiner Überraschung ließ Russell das Thema fallen. Er schien gänzlich uninteressiert. »Definieren Sie >Norden<«, sagte er.
»Malaysia«, sagte Skyler. »Eine Luftwaffenbasis.«
»Sind Ihnen...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.