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Bewegend! Daniel Kehlmann - Erhebend! Christian Kracht - Belebend! Florian Illies - Erregend! Florena Horaz
Zehn Jahre nach Rafael Horzons erfolgreicher Autobiografie Das Weisse Buch ist es still geworden um den einstigen Liebling der Berliner Intelligenzija. Zu still, wie er findet. Also rafft er sich auf, um es noch einmal zu versuchen: Mit einem neuen Buch möchte er sich zum wichtigsten Intellektuellen des 21. Jahrhunderts aufschwingen, ja sogar endlich den heiß ersehnten Nobelpreis gewinnen. Doch ihm fällt einfach nicht ein, worüber er schreiben könnte. Aus dieser einfachen Grundidee zaubert Rafael Horzon ein wahres Meisterwerk, das manchmal tieftraurig ist, hauptsächlich aber unfassbar lustig, und dann ist an dieser wahnwitzigen Geschichte auch noch kein Wort erfunden ...
Ganz beiläufig verfasst Horzon so vor seinen Lesern Seite für Seite ein kluges und leichtes Buch über die Freundschaft, den Tod, das Leben und die Liebe.
kapitel 2
»Hmmm .«, machte Jonathan Landgrebe, Geschäftsführer des mächtigen Suhrkamp Verlags, faltete die Papiere zusammen, die er soeben durchgelesen hatte, und legte sie vor sich auf den Schreibtisch. Dann lehnte er sich zurück, nahm seine Lesebrille ab und schaute Horzon an, der vor ihm in einem niedrigen Ledersessel kauerte und verträumt in die Luft starrte.
»Und dieser Pressetext ist das EINZIGE, was du in den letzten zehn Jahren geschrieben hast?«
»Neun Jahren«, verbesserte ihn Horzon, der jetzt aus seinem Halbschlaf erwachte. »Genau gesagt waren es ja sogar nur achteinhalb Jahre, oder warte mal, achteinviertel Jahre. Oder . ich rechne nochmal ganz genau nach, also, ich hatte doch .«
»Ja, ja, egal«, fuhr ihm Landgrebe ungeduldig dazwischen und schaute Thomas Halupczok an, der neben ihm am Tisch stand, »es ist jedenfalls bald zehn Jahre her, dass Das Weisse Buch bei uns erschienen ist, und seither hast du nichts mehr publiziert.«
»Ja, also, kein Buch oder so .«, sagte Horzon sehr langsam und versuchte angestrengt, seine Gedanken zu sortieren. »Aber ich habe einen Artikel verfasst, über den Pianisten Malakoff Kowalski. Und ich habe sogar NOCH einen Artikel geschrieben. Über meine Reise nach Aserbaidschan. Aber der wurde leider nirgends gedruckt.«
»Hmmm .«, machte Landgrebe wieder. »Viel ist das natürlich nicht. Eigentlich schade, denn Thomas hatte mir einmal erzählt - das ist allerdings auch schon wieder etliche Jahre her -, dass du einen Plan hattest, den ich ganz interessant fand.«
»Was denn für einen Plan?«, fragte Horzon und schaute hilfesuchend zu Thomas Halupczok hinüber, seinem Lektor, der schon sein Weisses Buch betreut hatte.
»Na ja«, antwortete Halupczok, »du wolltest alle Artikel, die du nach deinem Buch geschrieben hast, oder die du zumindest vorhattest zu schreiben, in einem neuen Buch zusammentragen.«
»Ach so, jaaa!«, rief Horzon, dem jetzt wieder alles einfiel. »Genau! Und dieses neue Buch sollte heissen: Horzon über alles.«
»Horzon über alles?«, fragte Landgrebe gereizt.
»Na ja, also, Horzon über alles, im Sinne von: Horzon schreibt über alles. Über alles, was es so gibt. Es sollte so eine Art Enzyklopädie werden.«
»Hmmm .«, sagte Landgrebe, »das wäre dann allerdings eine ziemlich magere Enzyklopädie, mit nur einem Artikel.«
»Tja, das stimmt wohl«, erwiderte Horzon.
»Dann müsste man vielleicht mal umdenken«, fuhr Landgrebe fort, »hattest du denn irgendeine andere Idee, in den letzten zehn Jahren?«
»Achteinhalb Jahren«, verbesserte Horzon und hielt dabei den Zeigefinger senkrecht vor sein Gesicht.
»Es ist natürlich auch etwas schwierig«, sprang Thomas Halupczok seinem Autor bei, »es ist eben das zweite Buch, und wir alle wissen ja, dass das zweite Buch .«
»Eben!«, rief Horzon. »Thomas hat recht. Es ist nicht so einfach. Man schreibt nicht einfach mal so eben ein Buch. Besonders, wenn es das zweite ist. Alle grossen Autoren scheitern am zweiten Buch. Meistens wird dann erst das dritte Buch wieder gut. Vielleicht sollten wir das neue Buch ja gleich Das Dritte Buch nennen. Moment mal, das wäre doch sogar eine richtig gute Idee.«
»Oder lass uns mal ganz anders an die Sache rangehen«, sagte Halupczok. »Worüber hättest du denn Lust zu schreiben, Rafael?«
»Na ja, irgendwas Abenteuerliches, ein Abenteuerbuch, exotisch oder so, das wäre eigentlich .«, stotterte Horzon.
»Gut: exotisch, das ist doch schon mal ein Ansatz«, sagte Halupczok. »Imperium von Christian Kracht war ja auch ein grosser Erfolg.«
»Ein grosser Erfolg, den er ausschliesslich MIR zu verdanken hat!«, rief Horzon und tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Brust.
Landgrebe winkte entnervt ab. »Was soll denn das jetzt schon wieder?«
»Ja, also, das war so«, fing Horzon an und machte es sich in seinem Sessel bequem, »es muss 2009 gewesen sein. Wir wollten damals ein Auto kaufen. Ein grosses Auto. Eine schwere, dunkle Limousine. Und dann wollten wir vorne zwei kleine Flaggen anschrauben, von irgendeinem Schurkenstaat, sagen wir mal: Monrovia.«
»Monrovia ist kein Staat, sondern eine Stadt«, warf Landgrebe ungeduldig ein.
»Ja gut«, sagte Horzon, »dann eben: Dänemark. Das ist doch ein Staat. Oder ist das vielleicht AUCH eine Stadt?«
»Nein, Dänemark ist ein Staat, das stimmt schon«, sagte Halupczok, »aber was hat das jetzt alles mit Imperium zu tun?«
»Ach so, ja, wir waren also an den Bodensee gefahren, nach Konstanz, weil es da einen Autohändler gab, der ausschliesslich diese schönen alten S-Klasse-Limousinen verkauft hat. Er kam dann übrigens kurz danach ins Gefängnis, weil er die Kilometeranzeige bei allen Autos zurückgedreht hatte.«
Landgrebe schaute ostentativ auf seine Armbanduhr und seufzte ein wenig.
»Mir war das aber eigentlich egal«, fuhr Horzon fort, »ich wollte einfach nur eine dunkle, schwere Limousine mit hellen Ledersitzen, der Kilometerstand spielte da keine Rolle.«
»Ja, und dann?«, fragte Halupczok.
»Ja, und dann hatten wir dieses Auto auch sofort gefunden, eine dunkle, schwere Limousine mit hellen Ledersitzen, ich bezahlte in bar und bekam als Quittung einen kleinen, hellgrünen Schmierzettel, auf dem stand Geld erhallten, mit Doppel-L, nichts weiter. Und dann machten wir uns auf den Weg. Wir wollten einmal um den ganzen Bodensee herumfahren. Erst einmal an der Schweizer Küste entlang, dann an der österreichischen Küste entlang und dann wieder zurück nach Deutschland. Während der gesamten Reise durfte ausschliesslich Musik von Krachts Lieblingsband U2 gehört werden. Tagsüber besuchten wir Boutiquen, abends machten wir Halt in einem Gasthof, tranken Bier und assen Braten. Und zum Einschlafen musste ich Kracht aus der Apotheken Umschau vorlesen. Da gab es nämlich einen grossen Artikel über den Sänger von U2, Bono Vox. Diesen Artikel habe ich wahrscheinlich neun oder zehn Mal vorgelesen. Und dann gab es da einen Artikel über Kanarienvögel. Und einen über Kokovorismus. Und ein Jahr später erschien dann Imperium.«
»Hmmm .«, sagte Landgrebe und rieb sich ratlos das Kinn. »Vielleicht habe ich die Zusammenhänge ja nicht vollständig erfasst . Aber zumindest hast du ja, wie man merkt, grossen Spass am Erzählen. Und vielleicht schreibst du ja tatsächlich mal einen fantasievollen Abenteuer-Roman.«
»Nein«, sagte Horzon traurig, »das geht leider nicht!«
Landgrebe und Halupczok schauten sich an. »Warum denn nicht?«
»Ich kann keinen Roman schreiben, weil ich mir nichts ausdenken kann. Ich kann immer nur das aufschreiben, was mir tatsächlich passiert ist. Ich kann mein Leben nacherzählen. Oder ich kann ein Sachbuch schreiben. Aber keinen Roman. Ich habe keine Fantasie.«
»Hmmm .«, machte Landgrebe. »Keine Fantasie?«
»Nein. Leider nicht.«
»Also, gar keine Fantasie?«
»Nein. Keine Fantasie. Gar keine Fantasie. Null.«
»Tja, schade«, sagte Halupczok. »Aber dann schreib doch einfach auf, was dir in den letzten zehn Jahren so passiert ist. Das Weisse Buch hatte ja viele Leser, gerade weil du da aus deinem Leben erzählt hast. Und diese Leser, die möchten doch jetzt wissen: Was geschah danach?«
»Ja, vielleicht hast du recht«, sagte Horzon nachdenklich.
»Schön«, sagte Halupczok. »Also, was hast du denn gemacht in den letzten zehn Jahren?«
Horzon legte den Zeigefinger an den Mundwinkel und dachte angestrengt nach. Dann zuckte er die Achseln und seufzte. »Eigentlich nichts.«
»Nichts?«, fragte Halupczok.
»Nichts«, sagte Horzon.
»Überhaupt gar nichts?«, fragte Landgrebe. »Aber irgendetwas musst du doch tun, den ganzen Tag!«
»Na ja, viel fällt mir da nicht ein. Ich gehe halt spazieren und mache Kreuzworträtsel.«
»Spannend ist das nicht gerade«, sagte Landgrebe...
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