Schweitzer Fachinformationen
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Nicht mehr ganz so wütend wie vor wenigen Minuten, aber immer noch aufgewühlt, knalle ich die Tür meines Pick-ups zu und kann mich gerade noch beherrschen, nicht danach zu treten. Der Wagen ist zwar nicht mehr neu, trotzdem würde ich es hinterher bereuen. Mein Vater hat es wieder einmal geschafft, mich wie den letzten Trottel dastehen zu lassen. Ich habe ihm meine neuesten Entwürfe für eine moderne Möbelkollektion vorgelegt, doch er hat sie nur belächelt. Ich solle das Entwerfen den Profis überlassen, meinte er.
Seit etwa sieben Jahren arbeite ich nun für meinen Vater in dessen Tischlerei, deren Name seit dem Eintreten meines Bruders zu Haugen & Sønner ergänzt wurde. Letzteres, also Söhne, hätte genauso gut nur Sohn heißen können, denn im Gegensatz zu meinem Bruder Arne habe ich in der Firma so gut wie nichts zu melden.
Arne ist seit seinem BWL-Studium für den Vertrieb zuständig, und obwohl ich gelernter Tischler und somit vom Fach bin wie mein Vater selbst, gilt dessen ganzer Stolz ihm, dem Intelligenzbolzen in der Familie. Ich bin kein studierter Möbeldesigner oder Innenarchitekt, in diesem Punkt gebe ich meinem Vater recht. Trotzdem bin ich überzeugt, dass ich Talent habe und man bestimmt einige meiner Ideen umsetzen könnte. Bei Arne wäre das wahrscheinlich überhaupt kein Grund zur Debatte. Er würde in den Himmel gelobt und sein Erfolg gefeiert, während ich ewig der kleine Handwerker bleiben werde.
Vielleicht sollte ich von hier weggehen und irgendwo ganz neu anfangen. Mit einer eigenen kleinen Tischlerei mein Glück versuchen.
Ich atme mehrere Male tief durch und mache mich auf den Weg ins fünfte Stockwerk des Apartmenthauses vor mir. Zu Fuß, um mich abzureagieren, bevor ich meiner Freundin unter die Augen trete. Sie bewohnt eines der schicksten Penthouses der Stadt, mit direktem Blick auf den Oslofjord. Doch für die Aussicht habe ich jetzt nichts übrig. Wenigstens weicht mein Ärger langsam der Vorfreude auf Solveig. Wir haben uns seit zwei Wochen nicht gesehen, denn als Model ist sie wahnsinnig viel unterwegs.
Zum ersten Mal begegneten wir uns im Fotostudio eines renommierten norwegischen Fotografen. Solveig war dort für ein Shooting, ich wegen der Einrichtung. Ich hatte schon Feierabend und war hundemüde auf dem Weg in mein winziges Loft, das sich fast gegenüber unserer Firma befindet, als mein Vater mich anrief und darauf bestand, dass ich einen ausgesprochen wichtigen Kunden beliefern sollte. Sofort. Natürlich war ich nicht begeistert und an dem Abend auch noch mit einem Kumpel verabredet. Doch wie immer knickte ich nach einer kurzen Diskussion ein, sagte dem Freund ab und machte kehrt, um das Möbelstück abzuholen. Es handelte sich um eine Auftragsarbeit, eine Art großen Hocker aus Nussholz, den man sowohl stehend als auch liegend verwenden konnte. Und obwohl ich das aus zwei Teilen bestehende Ding selbst gebaut hatte, konnte ich es nicht wirklich seiner Berufung zuordnen. Für einen gewöhnlichen Stuhl war es zu hoch, als Liegefläche zu ungemütlich, als Regal etwas unförmig. Es war außerdem schwer und äußerst unpraktisch zu tragen. Ich fuhr zu der Adresse und schleppte das Möbelstück in den vierten Stock hinauf, weil es für den Aufzug zu sperrig war.
Ich hatte weder eine Ahnung noch Interesse daran, um welchen Kunden es ging, ich wollte lediglich den letzten Auftrag für diesen Tag so schnell wie möglich erledigen. Als ich klingelte und jemand mir »Es ist offen!« zurief, platzte ich mitten in ein Fotoshooting, woraufhin mir fast die Gesichtszüge entgleisten, als ich erkannte, wer hier gerade geshootet wurde. Solveig Jakobsen war nicht nur irgendein Model, sondern ein sehr angesagtes. So angesagt, dass sogar ich sie kannte. Und was für mich noch deutlich relevanter war: Sie war wirklich schön. Nicht spindeldürr und doch kein Gramm zu viel, und auf den ersten Blick wirkte sie ganz anders, als sie in den Magazinen rüberkam.
Solveig hielt in ihrer Pose inne und musterte mich ebenso unverfroren wie ich sie. Schließlich wurde auch der Fotograf auf mich aufmerksam und drehte sich, die Kamera in der Hand, zu mir um. Ich war verschwitzt von dem weiten Treppenaufstieg, meine obersten Hemdknöpfe standen offen, und vor mir hatte ich dieses große hölzerne Hocker-Regal-Dingsbums stehen. Solveig fand als Erste ihre Sprache wieder und sagte: »Sieht nicht nach dem bestellten Sushi aus!« Ihre Mundwinkel zuckten, doch ich wusste nicht, wie ich diese Aussage deuten sollte.
»Außer, das soll eine Abkürzung sein für . su . danesisches Schi . Schiebemöbel?« Innerlich verdrehte ich die Augen über mich selbst. Das war absolut das Dümmste, was ich je von mir gegeben hatte, und als mich nun außer dem Model und dem Fotografen auch noch die beiden Assistenten verständnislos anstarrten, wollte ich schon mit kleinen Rückwärtsschritten Richtung Tür verschwinden. Doch plötzlich begannen sie zu lachen. Erst Solveig, und dann stimmten die anderen mit ein. Und der Fotograf begann zu knipsen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das die schönsten Fotos von Solveig waren, die an diesem Tag entstanden, und als ich das Studio wieder verließ, hatte ich die Telefonnummer eines Topmodels in der Tasche und ein Date für den nächsten Abend.
Das war vor ungefähr einem halben Jahr. Inzwischen habe ich tatsächlich mit ihr Sushi gegessen, bin in den Genuss von Austern und Kaviar gekommen, habe in luxuriösen Restaurants mit ihr Champagner geschlürft und war mehr als einmal Grund für Spekulationen in der Klatschpresse. Dieser ganze Jetset ist eigentlich überhaupt nicht mein Ding. Aber Solveig steht drauf, und weil wir uns ohnehin viel zu selten sehen, tue ich ihr den Gefallen und begleite sie in diese schicken Nobelschuppen. Anfangs fürchtete ich, sie könnte sich für mich, den kleinen einfachen Handwerker, schämen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es scheint, als fände sie gerade das anziehend, als wäre ich irgendwie exotisch. Sie wird auch nicht müde, den Leuten zu erklären, wie wir uns kennengelernt haben. Für mich ist das manchmal fast unwirklich und ein völliger Kontrast zu meinem »normalen« Leben. Aber wahrscheinlich geht es ihr genauso.
Gerade war sie ein paar Tage in Mailand, und ich bin gespannt, was sie zu erzählen hat. Sie brennt für ihren Job, und auch wenn mich diese Modewelt nicht besonders interessiert, fasziniert mich doch Solveigs Leidenschaft dafür. Wie ihre Augen leuchten, wenn sie darüber ins Schwärmen gerät, wie unglaublich es ist, die Laufstege zu erobern oder bei besonderen Shootings zu posieren.
Ich weiß nicht, was sie heute für uns geplant hat. Wahrscheinlich hat sie in einem teuren Klub reserviert, den ich mir nur schwer leisten kann. Doch ich werde trotzdem mitgehen, denn mir ist es einerlei, was wir machen, solange wir zusammen sind. Und weil ich mich vor allem darauf freue, sie endlich wiederzusehen.
Als ich bei ihr klingle, dauert es einen Moment, bis sie öffnet. Ihr Anblick überrascht mich. Zum ersten Mal, seit ich sie kenne, trägt sie nur schlichte Leggins und ein weites T-Shirt darüber, das die linke Schulter entblößt. Sie ist barfuß, und ich glaube, ich habe sie nie schöner gesehen. Das Make-up sitzt natürlich trotzdem perfekt, und ihr rotgoldenes Haar fällt ihr in leichten Wellen über den Rücken, deshalb gehe ich davon aus, dass sie einfach noch nicht umgezogen ist.
»Hei«, begrüßt sie mich mit einem Lächeln und hält mir die Tür auf.
»Hallo«, erwidere ich und beuge mich etwas nach vorne, um sie zu küssen. Sie dreht den Kopf zur Seite, und ich erwische ihre Wange, was mich etwas irritiert. Aber ich weiß, dass Solveig anfangs immer etwas braucht, um aufzutauen, und deshalb sage ich nichts.
»Mir ist heute gar nicht nach Ausgehen«, beginnt sie zaghaft, »hast du etwas dagegen, wenn wir einfach hierbleiben?«
Mein Herz macht einen kleinen Satz, denn genau das ist es, was ich mir insgeheim wünsche. Nach dem heutigen Tag war mir eh nicht nach einem lauten Klub oder Restaurant.
»Überhaupt nicht«, antworte ich deshalb fast schon zu schnell, bevor sie es sich wieder anders überlegt. »Das ist perfekt!«
»Wir können uns was zu essen bestellen. Worauf hast du Lust? Thailändisch? Indisch? Italienisch?«
Ich zucke leicht mit den Schultern. »Wenn du nach Mailand Italienisch noch nicht überhast? Wie war es denn?« Auf ihrem breiten Sofa habe ich so gut wie noch nie gesessen, wir haben nur einmal wild darauf geknutscht, bevor ich sie in ihr Schlafzimmer trug. Ich stelle mir vor, wie wir gemütlich darauf herumgammeln, Solveig in meinem Arm, und uns einen Film ansehen. Einfach einmal was ganz Normales machen.
»Mailand war fantastisch . oh . da fällt mir ein, dass Jacques uns zu einer Party eingeladen hat!« Sie fasst sich mit der flachen Hand vor die Stirn und zerschlägt mit diesem Satz die Hoffnung auf einen ganz normalen Abend.
»Schade. Musst du da hin?«, frage ich vorsichtig. Ich weiß, dass Jacques ein Fotograf ist, und auch, dass ihr das Nachtleben mit diesen Leuten viel...
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