Schweitzer Fachinformationen
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Der Sturm hatte etwas nachgelassen, aber es regnete in Strömen. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen, doch auf Canola-Field brannten noch die Lichter, weil niemand Schlaf fand. George saß immer noch an derselben Stelle, das unberührte Abendessen vor sich auf dem Tisch.
Er sah vergrämt aus und schien an diesem Abend um Jahre gealtert zu sein. Sein silbergrauer Bart ließ die Blässe um seine Augenpartie fast unheimlich wirken. Mary hatte sich zu ihm gesetzt und versuchte vergebens, ihn zu ein paar Bissen zu überreden. Auf nüchternen Magen konnte man nicht gut über Sorgen nachdenken, war stets ihre Devise gewesen. Schließlich gab sie auf und streichelte ihm immer wieder tröstend über den Rücken. Einmal hatte er kurz aufgesehen und ihr gesagt, sie solle schlafen gehen. Aber Mary hatte sich geweigert, und George hatte von da an wieder ins Leere geblickt.
Matt hatte eine Weile im strömenden Regen Holz gehackt. Es schien ihm die beste Methode, den Kopf frei zu bekommen. Als er völlig durchnässt war, sowohl vom Regen als auch vom Schweiß, ging er unter die Dusche. Dann machte er sich auf die Suche nach Jamie.
Er fand ihn schließlich im Pferdestall bei Maestoso, seinem braunen Hengst. Er saß auf dem Boden, die Knie angezogen, den Kopf darauf gelegt. Als er Matt kommen hörte, blickte er auf. Seine Augen waren rot gerändert. Matt kam näher und sah, dass Jamie sich an der rechten Hand verletzt hatte. Er blutete ein wenig, doch das schien ihn nicht zu stören. Gerade als Matt fragen wollte, fiel ihm eine faustgroße Delle in der Bretterwand auf, und er vermutete, dass Jamie ein paarmal darauf eingedroschen hatte, um sich abzureagieren. Matt nahm den Verbandskasten von der Wand neben der Stalltüre und hockte sich neben Jamie auf den Boden. Dieser hielt ihm die Hand hin, und Matt begann sie vorsichtig zu säubern und zu verbinden. Jamie zuckte hin und wieder zusammen. Die Wunde war nicht tief, aber doch schmerzhaft, wenn auch nicht so sehr wie die Wunde in seinem Herzen.
»Ich hab es nicht gewusst, Jamie!«, sagte Matt plötzlich.
»Das weiß ich. Woher solltest du auch?« Jamie sah seinen Bruder verwundert an und erkannte, dass es Matt genauso quälte wie ihn.
»Ich frage mich die ganze Zeit, ob Mum irgendwann erwähnt hat, dass sie mit zwei Babys schwanger war! Aber ich weiß es einfach nicht mehr. Ich kann mich nicht erinnern!« Seine Stimme klang trostlos.
»Matt!«, sagte Jamie und griff mit der unverletzten Hand nach Matts Handgelenk. »Du warst erst fünf. Du konntest es nicht wissen!«
»Er hätte uns nicht belügen dürfen.«
Matt hatte seine Arbeit beendet und setzte sich nun mit hängenden Schultern auf einen Strohballen.
»Was machen wir denn jetzt?«
»Ich werde sie suchen!«, sagte Jamie entschlossen.
»Ja!«, sagte Matt nach einer Weile, doch es war nicht mehr als ein heiseres Krächzen. Er wollte noch so vieles sagen, doch er fand keine Worte. Nun sollte er also auch noch Jamie verlieren. Denn wenn er jetzt ginge, wer wusste schon, wann und ob er wiederkäme. Ihn zu begleiten wäre unmöglich. Das würde seinem Vater das Herz brechen. Und ganz gleichgültig, was er getan hatte, er war und blieb ihr Vater.
»Wann?«, fragte Matt tonlos.
»Im Morgengrauen!«, antwortete Jamie.
»Und Kate?«
»Ich werde zu ihr gehen und mit ihr reden. Ich hoffe, sie begleitet mich. Vielleicht kommt sie ja auch später nach«, erwiderte Jamie und strich nachdenklich über seinen Verband.
»Ich bin also nicht allein!«, fügte er hinzu, als er Matts gequälten Gesichtsausdruck sah. Matt nickte und verschwand.
Auch Jamie ging zurück zum Haus, um seine wichtigsten Habseligkeiten zu packen. Er würde Matt bitten, gut auf Maestoso aufzupassen. Gott, wie würde er das alles hier vermissen! Zum Glück würde er Kate dabeihaben - daran hegte er keinen Zweifel -, die ihm das Liebste auf der Welt war.
Nach etwa einer halben Stunde kam Matt in sein Zimmer und reichte ihm ein Bündel. Bei genauerem Hinsehen, erkannte Jamie, dass es sich um einen Briefumschlag mit einigen - oder eher ziemlich vielen - Banknoten handelte.
»Nein, Matt!«, wehrte er ab. »Ich hab genug Geld.«
»So, wovon denn?«
»Ich hab die letzten Jahre viel gespart, genau wie du!«, sagte Jamie, während er seinen Seesack mit Klamotten vollstopfte.
»Das wird dir bald ausgehen. Nimm es.«
Doch Jamie beachtete Matt gar nicht, der ihm das Bündel immer noch hinhielt.
»Jamie, ich kann . ich kann nichts tun. Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen, aber das kann ich nicht.« Müde ließ er sich auf Jamies Bett sinken und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
»Aber das musst du nicht!«
»Sie ist aber auch meine Schwester! Verstehst du! Das wird mein Beitrag sein!« Er warf den Umschlag achtlos auf das Bett und stand auf. Da trat Jamie zu ihm und umarmte ihn. »Ich danke dir!«
Weit nach Mitternacht hatte er alles für seinen plötzlichen Aufbruch vorbereitet, so gut er konnte.
Matt hatte Jamie inständig gebeten, sich von George zu verabschieden, doch er wollte davon nichts wissen. Als Mary die Unruhe vor dem Haus bemerkte, eilte sie hinaus und sah erschrocken, wie Jamie sich auf seine Straßenmaschine schwang. Sie stieß einen verzweifelten Laut aus und lief zu ihm, um ihm noch einmal die Hände auf die Wangen zu legen und ihn kräftig zu drücken, gerade rechtzeitig, bevor er seinen schwarzen Helm aufsetzte. Auch Matt umarmte ihn noch einmal, während Mary wieder ins Haus lief, um George zu holen.
»Soll ich ihm noch etwas sagen?«, fragte Matt.
Doch sein Bruder schüttelte nur den Kopf und stand auf, um mit einer ruckartigen Fußbewegung den Kickstarter hinunterzutreten. Der Motor setzte sich ratternd in Gang.
»Pass auf euch alle auf, Matthew!«, rief er über den Lärm hinweg. »Und sag ihm, dass ich sie zurückhole!«
Als George sich endlich dazu durchringen konnte, aufzustehen und nach draußen zu gehen, war Jamie gerade vom Hof gefahren.
Helen Harrison war von einer seltsamen inneren Unruhe erfüllt, die sie - wie so oft - nachts wach liegen ließ. Selbst Johns gleichmäßiges monotones Schnarchen konnte sie nicht beruhigen. Was war es, das so an ihren Nerven zerrte?
Sie stand auf und ging ruhelos im Zimmer hin und her. Dann trat sie ins Badezimmer und nahm eine Dose mit Pillen aus dem Schrank. Sie lagen ganz unten, zwischen den Handtüchern, vor Kates und Johns Augen verborgen. Es waren Beruhigungstabletten, und Helen wollte nicht, dass jemand davon wusste. Schon seit geraumer Zeit halfen sie ihr, wenn die Existenzangst oder die Einsamkeit wieder einmal die Oberhand gewann. Unter keinen Umständen durfte ihre Familie von ihren kleinen Helferlein erfahren; sie würden sich nur unnötige Sorgen machen. Helen schüttete zwei Tabletten auf ihre Handfläche und nahm sie in den Mund, spülte mit Wasser nach, schloss die Pillendose und verstaute sie wieder sorgfältig im Schrank.
Schließlich beschloss sie, nach den neugeborenen Lämmern zu sehen. Sie waren erst ein paar Tage alt, neunzehn an der Zahl, und Helen hoffte, dass sie das Unwetter gut überstanden hatten. Immer noch regnete es, und sie warf sich ihr Regencape über und setzte ihren breitkrempigen Akubra auf, den sie sich tief ins Gesicht zog. Bevor sie lautlos aus dem Haus schlüpfte, ging sie noch einmal zurück und steckte ihre Pillendose in die Tasche ihrer schiefergrauen Jogginghose.
Brownie, ihr dunkelbrauner Treibhund - Kate hatte ihm diesen Namen gegeben, als sie zwölf war -, der in der Hundehütte lag, nahm das Geräusch binnen Sekunden wahr, machte aber sofort seine Herrin aus und rannte schwanzwedelnd auf sie zu.
»Schscht, leise Brownie!«, flüsterte Helen und streichelte ihn. »Jaaa, bist ja mein Guter!«
Mit einem kurzen Blick zum Himmel schritt sie zum Schafstall - dankbar, dass sie daran gedacht hatte, Gummistiefel anzuziehen - und hinterließ ein schmatzendes Geräusch im aufgeweichten Boden.
Den Lämmern ging es allen gut. Helen verweilte ein wenig im Schafspferch und betrachtete die winzigen Wollknäuel. Sie war bei unzähligen Geburten dabei gewesen, und dennoch war es immer wieder ein außergewöhnliches Erlebnis. Ein Geschenk, ein Wunder der Natur, an dem sie teilhaben durfte. Für Helen gehörte dies zu den schönsten Dingen am Landleben. Wie die Sonnenauf- und -untergänge, die sie am liebsten mit ihrem Mann genoss. Sie hatte allen Grund, glücklich zu sein. Und dennoch .
John und Kate waren die einzigen Gründe, warum sie noch hier war. Helen war in der Stadt groß geworden, in Adelaide. Sie hatte John dort kennengelernt, als er einen Geschäftstermin hatte. Sie war Studentin an der Kunstakademie gewesen und hatte irgendwann an einem heißen Sommermorgen einen jungen Mann auf der Straße getroffen, der sich verlaufen hatte. Er bat sie um Hilfe, und schon war es um sie beide geschehen. Von da an schrieben sie sich regelmäßig feurige Liebesbriefe. Sehen konnten sie sich nur sehr selten, weil John viel Arbeit auf der Farm hatte. Doch schon damals hatten sie gewusst, dass sie füreinander bestimmt waren, und ein Jahr später hatte Helen ihre Zelte in Adelaide abgebrochen und war zu ihrem Liebsten aufs Land - nach Queenshill - gezogen. Nie hatte sie diese Entscheidung bereut, aber manchmal vermisste sie das pulsierende Leben der Großstadt. An manchen Tagen machte ihr die unendliche Weite des Landes Angst, und die Stille und Einsamkeit erdrückten sie beinahe. In letzter Zeit wurde sie auch oft von schlimmen...
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