Schweitzer Fachinformationen
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2 Die Person als Einheit von Körper, Fühlen und Denken im sozialen Kontext
Wenn man Zusammenhänge zwischen der Beziehungsqualität der beteiligten Personen, neurophysiologischen Prozessen, bewussten Gedanken und Sprechen versteht, kann man in der Physiotherapie einerseits die Bedeutung der spezifischen Einstellungen eines personzentrierten Therapeuten besser verstehen (diese werden in Kapitel 3 näher erläutert). Andererseits können Therapeuten dann gezielt die unterschiedlichen somatischen, mentalen und emotionalen Prozesse im Kontakt mit dem Patienten beachten, die für die Behandlung relevant sind (Kapitel 4 bis 7).
In 2.1 wird erläutert, wie sich die Situation auf das Befinden der Person und deren hirnphysiologische Prozesse auswirken kann. In 2.2 werden weiterführende aktuelle Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften und der Bindungsforschung dargestellt, die eine Sichtweise der Person als Einheit von Körper, Fühlen und Denken unterstützen. Es wird aufgezeigt, dass insbesondere der soziale Kontext und die zwischenmenschlichen Beziehungen einen großen Einfluss auf die Entwicklung des einzelnen haben. Besonders eingegangen wird im Abschnitt 2.3 auf die Vorgänge bei Stress und das Phänomen der Abspaltung von Erfahrungen aus dem Bewusstsein, die Unterdrückung von Gefühlen aufgrund von Erziehungs- und Sozialisationsprozessen sowie die damit in Verbindung stehenden Probleme. In Abschnitt 2.4 werden die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst.
2.1 Person und Situation
Sowohl die Alltagserfahrung als auch die in der Physiotherapie zu beobachtenden positiven Wirkungen bestimmter Verfahren zeigen, dass es einen starken Zusammenhang zwischen einer für einen Menschen günstigen, lebensförderlichen Situation und dessen Wohlbefinden gibt. Ein Patient, der mit starken Schmerzen zur Behandlung kommt und im Verlauf der Anwendung von schmerzstillenden Therapieverfahren eine deutliche Linderung erfährt, fühlt sich danach oft befreit, entlastet und sicher viel glücklicher als vorher (auch wenn die Beeinträchtigung durch diese Therapieeinheit noch nicht vollständig beseitigt sein muss). Insofern lässt sich sagen, dass sich die diesem Patienten zur Verfügung stehende Therapiesituation deutlich positiv auf dessen Erleben auswirkt.
In der Physiotherapie handelt es sich in den meisten Fällen um eine sehr individuelle Behandlung durch eine andere kompetente und professionelle Person - den Therapeuten. Auch bei Therapiegruppen richtet sich die Aufmerksamkeit der Patienten stark auf den jeweiligen Therapeuten als Fachmann und Leiter der Gruppe. Aus der Perspektive des Patienten betrachtet, trägt der jeweilige Therapeut, der diesen Patienten behandelt, in hohem Maße dazu bei, wie der Patient die Therapiesituation wahrnimmt (z. B. mehr oder weniger angenehm, mehr oder weniger positiv etc.). Umgekehrt erlebt ein Therapeut die Therapiesituation stark durch die Person des Patienten geprägt, mit ähnlichen Auswirkungen auf sein eigenes Erleben.
Diese persönlichen Erfahrungen zum Einfluss der Situation auf die beteiligten Personen werden durch neuere neurowissenschaftliche Studien bestätigt: Günstige, lebensförderliche und ungünstige, belastende Situationen beeinflussen deutlich unterschiedlich neurophysiologische Prozesse. Beispielsweise haben Untersuchungen ergeben, dass liebevoller Körperkontakt mit der Ausschüttung von Oxytocin zusammenhängt. Dieses Hormon steht in starkem Zusammenhang mit dem Empfinden von Freude und Glück. Streichelnde, rhythmische Berührungsreize an der Haut führen zu "Entspannung, Beruhigung und Wohlbefinden, [reduzieren] Stress-Hormone, [senken] Blutdruck und Pulsfrequenz ( ... ), [mindern] das Schmerzempfinden und [fördern] Heilungsprozesse" (Lenhart u. Lenhart 2006, S.200). Oxytocin wird auch beim Kontakt mit Personen, zu denen man eine starke Zuneigung und Nähe empfindet, freigesetzt. Insofern ist Oxytocin ein sehr soziales Hormon, das familiäre Bindungen und freundschaftliche Kontakte intensiviert. Neurohormonale Zusam menhänge modulieren also den zwischenmenschlichen Kontakt und die Regulation emotionaler Zustände wie Angst oder Glück (Uvnäs-Moberg 1998).
Aber auch umgekehrt lassen sich die negativen Auswirkungen belastender Situationen neurophysiologisch nachweisen. Untersuchungen an ausgesprochen sozial lebenden Strauchratten zeigen, dass bereits kurze Trennungen eines Jungtieres von der Gruppe markante Veränderungen in Hirnphysiologie und Hirnstruktur nach sich ziehen (Braun, Bock, Gruss, Helmeke, Ovtscharoff, Schnabel, Ziabreva u. Poeggel 2002): Diese Jungtiere weisen eine geringere Hirnaktivität und eine veränderte Synapsendichte im cingulären Kortex, dem Präfrontalkortex und in limbischen Regionen im Vergleich zu denjenigen Jungtieren auf, die sich permanent bei der Mutter und im Familienverband befinden. Überträgt man diese Befunde auf den Menschen, so lässt sich vermuten, dass sich die Umweltstruktur und die mehr oder weniger vorhandene Sicherheit und positive Zuwendung auf die Hirnentwicklung ebenfalls auswirken muss. Untersuchungen mit traumatisierten Personen, d. h. mit Personen, die unter extremen Stress standen, bestätigen dies (LeDoux 1998, van der Kolk 1997, Markowitsch, Kessler, Russ, Frolich, Schneider u. Maurer 1999, Yehuda 2001; vgl. 2.3.2).
Das bedeutet, dass über die Ausschüttung von Neurotransmittern wie u. a. Oxytocin oder Vasopressin hinaus, die in Zusammenhang mit körperlichen und emotionalen Veränderungen stehen, auch die Vernetzung von Neuronen durch die jeweiligen Situationen, in denen sich eine Person befindet, beeinflusst wird (Damasio 2004, Hüther 2006). Insofern lässt sich sagen, dass sich der Körper in der Situation befindet und die Situation sich in gewisser Weise im Körper wiederfindet (Gendlin 1998, Tschacher 2006). Der Begriff "Befinden" bringt dies in seiner doppelten Bedeutung zum Ausdruck: "Ich befinde mich in einer Situation und mein Befinden ist ... (gut/schlecht etc.)." Allerdings muss einem dieses Befinden nicht immer bewusst sein, wenn man z. B. nicht darauf achtet (vgl. 2.2.4).
Aktivität 1
Vielleicht waren Sie ohnehin der Ansicht, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Körper, Fühlen und Denken gibt. Möglicherweise sind Sie aber auch skeptisch, ob und wie weit dies zutrifft. Wenn Sie möchten, können Sie versuchen, Ihren Zweifel für einen Moment einen Schritt zurücktreten zu lassen und folgende Übung probieren. Die Übung dient dazu, sich für die eigenen inneren Prozesse zu interessieren und diese mit einer freundlichen, entspannten Haltung sich selbst gegenüber wahrnehmen zu können. Bevor Sie anfangen, atmen Sie ein paar Mal durch, entspannen Ihren Körper eine kleine Weile und denken an nichts Besonderes, indem Sie z. B. währenddessen für die Zeit Ihrer tiefen Atemzüge kurz Ihre Augen schließen. Tun Sie das so, dass Sie spüren, es tut Ihnen gut.
Situation 1:
Nehmen Sie eine etwas unangenehme Situation, in der Sie vor kurzem waren. Wählen Sie eine nur leicht unangenehme Situation aus. Auf einer Skala von 0 (kaum unangenehm) bis 10 (sehr unangenehm) sollte diese Situation etwa zwischen den Werten 1 und 3 liegen. Haben Sie eine passende Situation gefunden? Dann lassen Sie sich einen Moment Zeit, die möglicherweise entstehenden inneren Bilder (Ort, Personen, Ereignis, Bewegungen, Handlungen), Worte, Töne, Gerüche wahrzunehmen, damit diese Situation in Ihnen etwas lebendig werden kann. Fragen Sie sich nach einer Weile (ca. ein bis zwei Minuten) mit einer Art von freundlichem Interesse für sich selbst, welches Gefühl sich dazu im Körper (Bauch-Brustraum) entwickelt und welche Gedanken Ihnen über diese Situation in den Sinn kommen. Wenn Sie möchten, können Sie nach innen hin fragen: Was ist das Unangenehme an dieser Situation? Warten Sie interessiert und entspannt, ob in Ihnen eine Antwort entsteht, die einen möglicherweise neuen Aspekt hervorhebt. Sollte dies der Fall sein, überprüfen Sie, wie sich Ihr Körper nun anfühlt und inwieweit sich etwas verändert hat oder klarer geworden ist.
Übergang:
Was auch immer entstanden ist, nehmen Sie eswie es ist und beenden Sie den ersten Teil der Übung, indem Sie die inneren Bilder, Empfindungen, Gedanken quasi mit dem Ausatmen wieder aus sich herauslassen. Achten Sie nun für ein paar Atemzüge auf das im Raum oder Ihrer Umgebung, was Sie sehen, hören, riechen können und bewegen Sie sich, wenn Sie möchten, indem Sie aufstehen und ein paar Schritte gehen, sich strecken, gähnen, was auch immer. Nichts besonderes, einfach so.
Bevor Sie mit der zweiten Situation weitermachen, atmen Sie wieder ein paar Mal (tief) durch, so, wie es sich für Sie gut anfühlt, entspannen Sie Ihren Körper für den Moment und lassen Sie Ihre Gedanken etwas zur Ruhe kommen, indem Sie vielleicht kurz Ihre Augen schließen. Tun Sie das so, dass Sie spüren, es tut Ihnen gut. Sind Sie bereit für den nächsten Schritt?
Situation 2:
Dann wählen Sie nun eine angenehme Situation, in der Sie sich vor einiger Zeit befunden haben. Angenommen, Sie könnten verschiedene angenehme Situationen auf einer Skala von 0 (kaum angenehm) bis 10 (sehr angenehm) einschätzen, sollte diese Situation etwa zwischen den Werten 5 und 10 liegen; 4 ist auch okay. Prüfen Sie für sich, welcher Wert für Sie jetzt angenehm wäre: ein hoher oder reicht gerade ein mittlerer?
Haben Sie eine passende Situation gefunden? Dann lassen Sie sich einige Atemzüge Zeit, innere Bilder (Ort, Personen, Ereignis, Bewegungen, Handlungen), Worte, Töne, Gerüche in Ihnen entstehen zu lassen, so dass diese Situation in Ihnen lebendig werden kann....
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