Ein unerwartetes Treffen
Mir fällt immer wieder dieser Tag ein, an dem ich einfach nicht mehr konnte. Nicht mehr wollte. Das Leben war nur noch eine Last. Mich erdrückten meine Gedanken und Empfindungen. Wenn mich nicht zufällig ein Kumpel angerufen hätte, könnte ich diese Geschichte nicht mehr erzählen. Aber wer glaubt schon an Zufälle.
Ich wusste, es muss sich was ändern. Ich musste weg von hier. Wenn nicht aus diesem Leben, dann aus diesem Alltag. Ich meldete mich bei einem Surfcamp an, um surfen zu lernen. Es sollte sich rausstellen, dass das die bisher wichtigste Entscheidung meines Lebens sein würde.
Surfen zu lernen war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Ja, das kann ich wirklich sagen. Aber wisst ihr, im Prinzip ist es egal, ob es das Surfen ist oder sonst was im Leben . einfach etwas das fucking Sinn macht. Das dir ein Gefühl gibt von . ach, such dir was aus. Ein gutes Gefühl eben. Manchmal sind diese Dinge ja nur kurz und sehr unbeständig. Aber hey, lass dir von niemanden einreden, das sei weniger wert. Es ist im Prinzip egal. Und alle, die dir verklickern wollen, sie wüssten es besser, haben's schon mal gar nicht kapiert.
Das soll jetzt aber keine Lebensberatung sein. Ich will einfach meine Geschichte erzählen.
Mein Name ist Alex. Ich habe braunblondes, brustlanges Haar. Ich bin 26 Jahre alt. Bin Metallica/ Cliff Burton Fan. Höre aber auch Punk, andere Metall Bands, Rap und Hip-Hop, Reggae und Sachen, die im Radio kommen. Ich ziehe mich ausgeflippt und mit Band-Shirts an. Bin tätowiert. Bin vom Charakter her gutmütig, hilfsbereit, höre Leuten gerne zu. Bin manchmal etwas schüchtern und spiele E-Bass. Und bin manchmal etwas wild und ausgeflippt, aber auf eine gute Art und Weise und habe so meine Macken.
Ich habe mich mit einem meiner besten Freunde zusammengetan und habe uns im Frühjahr, Anfang Sommer, für eine Woche in einem Surfcamp in Spanien angemeldet, um mit ihm richtig Surfen zu lernen und alles, was dazugehört, wie Wellen lesen, wie Wellen entstehen, wie man auf ihnen surft usw.
Zurück in Deutschland verkaufte ich fast alle meine Sachen, schmiss mein BMX-Rad und Longboards, meine Kamera, einige Bücher, meinen E-Bass und das Wah-Wah-Pedal, einen kleinen Fernseher, meine PS2 und PS3, Spiele und einige Filme, Laptop, Zelt und einige Klamotten in mein Auto und fuhr schnurstracks auf direktem Weg nach Bibione. Um mir dort ein Surfbrett zu kaufen, um surfen zu gehen, andere Leute kennenzulernen und zu leben. Unabhängig, zumindest für eine Weile, und vor allem das anzuziehen und zu machen, was ich will und mich nicht nach irgendwelchen Vorschriften und Regeln zu richten. Und vor allem mich von meiner kontrollsüchtigen - ja nicht anders sein - aber auch zum Teil netten und gutmütigen Mutter zu lösen.
Als ich in Italien auf einem Campingplatz ankam, kaufte ich mir an einem Surfshop am Strand ein Surfbrett. Es war weiß mit gelb, orangefarbenen, roten Flammen, die über ¼ der vorderen Boardhälfte gingen. Es war ca. 2 m lang und 50 cm breit.
Am Abend ging ich zum Strand, wo ich Leute aus verschiedenen Teilen der Welt, die eine Party mit Musik und Lagerfeuer dort machten, kennenlernte.
Dort traf ich auch auf die schöne und verrückte, teils rebellische, aber auch coole und zum Teil sanftmütige Sunshine und verliebte mich auf Anhieb in sie. Sunshine ist gebürtige Spanierin. Spricht Spanisch, Englisch und auch etwas Deutsch. Sie ist ungefähr so groß wie ich. Ist ca. 2 Jahre älter, rauchte gelegentlich einen Joint, hat bunt gefärbte, brustlange Dreadlocks, wo jede Dreadlocks-Locke ca. 1,5 cm dick ist. Ursprünglich hatte sie blonde Haare. Sie hat verschiedenfarbige Augen, wobei die innere Hälfte des linken Auges hellrot und die äußere grün ist. Im rechten Auge ist die innere Hälfte bernstein-goldbraun und die äußere tiefblau. Dieses Phänomen nennt man Zentrale Heterochromie, wobei ein Teil der Augeniris erkrankt ist und dadurch der innere Ring eine andere Farbe hat, als der äußere, was die seltenste Augenfarbe der Welt ist. Sie ist tätowiert, hat etwas hellere Haut, geschätzt 75 A Körbchengröße, eine kurze, zerrissene Jeanshose, Juck-Tailer- allstar-Schuhe und ein Misfits Tank top an.
Mein Herz klopfte so laut, als ich auf sie zuging, dass ich meinte, sie könnte es hören. Ich nahm all meinen Mut zusammen und sprach sie auf das Misfits Tank top an. Wir sprachen über Musik, Fotografieren, BMX-Fahren, Longboard fahren, Surfen, was sie hier macht, zum Teil über ihre und meine Vergangenheit und was wir beide, jeder für sich, in der Zukunft vorhatten und über alles Mögliche noch. Wir redeten die ganze Nacht. Auch mit anderen Leuten. Bis die Sonne aufging. Dann sagte ich zu Sunshine, dass ich sie gerne wiedersehen würde und sie antwortete mit dem Satz: "Sehr gerne."
Ich fragte sie, ob wir uns eventuell heute zu einer BMX-Fahrt durch die Stadt treffen könnten. Sunshine antwortete mit dem Satz: "Können wir gerne machen. Wann und wo?"
Als es Abend wurde, fuhr ich vom Campingplatz mit meinem BMX den Gehweg an der Küste und am Strand auf den roten Pflastersteinen, das in Rot von der Abendsonne getauchte Meer und der Himmel, zur Stadt entlang. Dort angekommen sah ich Sunshine, die cool und lässig auf ihrem BMX- Fahrrad saß.
Sie trug ein MTV Cap wo das M gemauert war, das TV in Grün mit Spritzern an der Seite, als sei es gesprüht worden und unten an der geraden, flachen Schirmseite war ebenfalls eine Mauer aufgestickt. Ihre langen, bunten Dreadlocks waren noch feucht. Außerdem trug sie eine knielange Badehose mit hellgrünem und dunkelblauem Tarnmuster, die noch feucht war und ein Suicidal Tendencies Tank top. Sie hatte einen speziellen Rucksack dabei, wo ein Surfbrett festgeschnallt war. Ein nasses Handtuch und ihre Kamera waren in dem Rucksack, wie sich später herausstellte. Sie kaute auf dem Stiel eines fertiggelutschten Lutschers herum. Sie hatte eine mehrfach umwickelte Kette ums Handgelenk und fuhr ein dunkelblaues BMX-Fahrrad mit hellgrünen Felgen, die sie selber angesprüht hatte. Es hatte orangefarbene Griffe und einen braunen, alten, abgenutzten Sattel.
Ich fuhr mein orangefarbenes Sunday BMX Bike mit den hellgrünen Griffen, es hatte einen Sattel, der in den Großbritannien/Unións-Flaggen designend war. Teils violetten, teils schwarzen Packs, violetten Felgen und dem dunkelgrünen Hinterreifen-Mantel. Ich trug schwarze Juck Taylor all star Schuhe. Eine kurze braune Hose, die mir etwas zu groß war und Taschen an der Seite angenäht hatte. Das Mötley Crüe Abschlusstour-T-Shirt und ein Mötley Crüe-Bandana am linken Unterarm. Eine kleine Kette um das Handgelenk, die ursprünglich mal eine Hängeampel-Kettenbefestigung war. Außerdem hatte ich eine schwere Eisenkette mit dem billigen Schloss und meinen schwarzen Rucksack auf dem Rücken, in dem ich meine Kamera, eine Wasserflasche und mein Drehzeug hatte.
Es war ein schwüler Sommertag, und es sah aus, als würde es nachher noch regnen. Ich fuhr auf sie zu. Als ich ihr näherkam, klopfte mein Herz immer schneller, und als ich ca. neben ihr zum Stehen kam, sagte ich: "Hey."
Sie drehte sich um und begrüßte mich mit einem locker-lässigen: "Hey, wie geht`s?"
Ich antwortete: "Gut. Dir? Cooles Bike."
Sie sagte daraufhin: "Danke, auch gut. Ja, das Bike habe ich selber zusammengebaut. Deins sieht aber auch cool aus."
"Cool. Danke. Habe es auch selber zusammengebaut und es hat einen Spezialeffekt, wenn es dunkel ist."
"Welchen?"
"Da musst du schon warten, bis es dunkel wird." Und ich grinste Sie dabei an. "Wie waren die Wellen?"
Sunshine antwortete: "Hat schon gepasst."
Wir fuhren das Kopfsteinpflaster mitten auf der Straße entlang. Vorbei an den Menschenmassen, den bunten Farben. Wir redeten über alles Mögliche, beobachteten das rege Treiben auf dem Gehweg oder machten Tricks oder sprangen einfach nur so über das eine oder andere Hindernis. Die Regenwolken in der Ferne verzogen sich, und als es dunkel war, leuchtete das BMX von Alex auf einmal. Ich habe es mit einer unsichtbaren Leuchtfarbe angemalt. Die Felgen in einem Grün und Teile vom Rahmen gelb.
Sunshine fand das richtig cool und fragte, woher ich die Farbe hätte.
Ich antwortete: "Aus dem Internet."
Wir fuhren weiter. An einem Platz mit verschiedenen Brunnen, kleinen Läden und Lokalen links und rechts angekommen, vermutlich so eine Art Stadtplatz, war auch jemand der "Too fast for Love" von der Band Mötley Crüe über einen CD-Spieler laufen ließ. Sunshine legte ihren Rucksack ab und fuhr auf den Brunnenmauerrand zu. Hüpfte hinauf und fuhr auf dem Hinterrad weiter. Auf der anderen Seite angekommen, sprang sie mit einem Sprung von dem Brunnenmauerrand, wobei sie den Lenker des BMX einmal um 360 Grad drehte, auf der gepflasterten Straße aufkam und zurück zu mir fuhr. Als sie fast bei mir war, rief ich ihr zu: "Das war krass, was du da gemacht hast!", worauf sie sagte, dass ich jetzt mal was zeigen soll. Ich nahm meinen Rucksack und die Eisenkette ab, legte beides neben Sunshine auf den Boden und fuhr los. Ich spürte das Adrenalin in den Adern, spürte den leicht kühlen Fahrtwind, wie mein Herz schneller wurde und dann riss ich das Fahrrad um 90 Grad mit mir herum, dass ich auf dem Vorderreifen stand und der Hinterreifen in der Luft war. Anschließend drehte ich das...