Schweitzer Fachinformationen
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Unser Zuhause, der Krameterhof, liegt am Südhang des Schwarzenbergs im Salzburger Lungau, mitten in den österreichischen Alpen.
Heute umfasst unser Hof eine Fläche von knapp 45 Hektar, die sich zwischen 1.100 und 1.500 m Seehöhe erstrecken. Die Winter in dieser recht sonnigen und niederschlagsarmen Region sind lange und streng. Es gibt rund 170 Frosttage, wovon etwa 50 Eistage sind, also Tage, an denen das Thermometer nicht über null Grad Celsius steigt. Der Jahresniederschlag beträgt durchschnittlich knapp 800 mm.
Die Rahmenbedingungen scheinen also herausfordernd und doch wird dieser steile und auf den ersten Blick scheinbar unwirtliche Flecken Erde seit vielen Generationen von Bergbauern bewirtschaftet, schon seit 1890 von meiner Familie.
Wie die meisten Bergbauernhöfe war auch dieser Hof eine Subsistenzwirtschaft, also eine Selbstversorgerlandwirtschaft, die zwar kaum Überschüsse, aber alles zum Leben Notwendige produzieren konnte.
Anders als heute war der Selbstversorgungsgrad in den Bergen einst sehr hoch. Kaum etwas musste oder konnte zugekauft werden. Man darf sich die Menschen auf diesen Höfen aber nicht als arm vorstellen. Im Grunde gehörten sie in der kargen Nachkriegszeit zu den wenigen, die immer etwas zu essen und einen gewissen Wohlstand hatten. Auf einem Subsistenzhof wurde man zwar nicht reich, konnte aber durchaus gut leben.
Viele der Menschen, die auf meinen Hof kommen, meinen, hier etwas völlig Neues zu sehen. Oft werde ich gefragt, wie es denn möglich sei, auf einem Hof in dieser Lage und Seehöhe Gemüse, Obst und Getreide anzubauen. Sie sehen, dass ich Regenwasser in Teichen speichere, mit den Gänsen über den Berg wandere, Schweine auf der Weide halte und fragen mich, wie ich denn auf all diese Ideen gekommen sei? Ich muss dann immer ein wenig schmunzeln und erkläre, dass das alles andere als neu oder innovativ ist. Schließlich wird dieses Gebiet schon seit Jahrtausenden landwirtschaftlich genutzt. Jeder ganzjährig bewirtschaftete Hof versorgte sich im Grunde selbst.
Die Tatsache, dass wir diese Art der Landwirtschaft heute nirgendwo mehr sehen, bedeutet nicht, dass es sie nicht gab. Wie selbstverständlich haben meine Urgroßeltern und Großeltern bereits Obst und Gemüse angebaut, oft in Mengen, die sich heute kaum jemand vorstellen kann. Schließlich mussten auf dem Hof gut zehn Personen versorgt werden.
Zusätzlich wurden Getreide und Kartoffeln, Kraut, Bohnen und Rüben auf Ackerflächen produziert. Auch Öl- und Faserpflanzen - in unserem Falle Flachs beziehungsweise Lein - hat man angebaut. Es gab zudem eine Vielzahl an verschiedenen Tieren.
Tiere ermöglichen es, "Kalorien" von Flächen zu ernten, die ansonsten nicht erschlossen werden können. Jede Art eignet sich für eine andere Fläche und für anderes Futter. Die Tiere waren notwendig, um die Ressourcen des Hofes optimal zu nutzen - sie lieferten wertvolle Lebensmittel, waren aber auch "Arbeitsgerät". Die Art und Weise, wie die Tiere genutzt wurden, hatte auch einen enorm positiven ökologischen Einfluss - sie schufen und erhielten überaus artenreiche Lebensräume.
Die Bergbauernhöfe meiner Urgroßeltern und Großeltern waren also sehr vielfältig, denn Vielfalt war überlebensnotwendig.
Wenn man ganz und gar auf die eigene Produktion angewiesen ist, kann man sich das Risiko einer Spezialisierung nicht leisten. Was, wenn etwas schiefläuft? Wie kommt man über den Winter, wenn die Ernte ausfällt? Als Selbstversorger kann man nicht "alles auf eine Karte setzen".
Weshalb sieht der Krameterhof so völlig anders aus als die umliegenden Bergbauernhöfe?
Der Krameterhof 1954
© SAGIS
Wenn ich Besuchern erkläre, dass ich im Grunde sehr viele Dinge mache, die hier schon seit Jahrhunderten gemacht werden, ernte ich oft ungläubige Blicke.
Sicher hat sich auch unser Hof seit der Übernahme durch meinen Vater in den 1960er Jahren strukturell und auch optisch stark verändert. Aber so wie früher auch produzieren wir immer noch Getreide, Gemüse, Bohnen, Kraut und Obst, halten Rinder, Schweine, Schafe, Hühner und Gänse. Neues ist dazugekommen, Techniken und Ansprüche haben sich geändert, aber alte Traditionen wurden integriert.
Als mein Vater 1962 den elterlichen Hof übernahm, musste er sich wie viele Bauern und Bäuerinnen seiner Generation entscheiden: Spezialisierung in Richtung Milchwirtschaft - so wie die allermeisten das damals taten - oder neue Wege gehen.
Reine Subsistenz war ab den 1950er Jahren nicht mehr zeitgemäß. Höfe wurden erschlossen. Wege und später Straßen haben selbst die entlegensten Höfe an die Welt angebunden.
Dazu kamen Stromleitungen und später sogar Telefonanschlüsse.
Die Straße zu unserem Hof wurde erst im Jahr 1964 fertiggestellt. Nach und nach wurden Investitionen für Maschinen notwendig, weshalb man (mehr) Geld verdienen musste. Gleichzeitig wurden die Arbeitskräfte und Esser auf den Höfen weniger, was wiederrum eine tiefgreifende Änderung der Bewirtschaftung nach sich zog. Bald war es nicht mehr sinnvoll und notwendig, eine vollständige Selbstversorgung zu gewährleisten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg suchte die Agrarpolitik nach Wegen, die Produktion deutlich zu steigern. Subsistenzwirtschaft hatte in diesen Überlegungen keinen Platz, die neuen Vorgaben hatten das Ziel, die Betriebe und darüber hinaus ganze Regionen, zu spezialisieren.
Die Berggebiete wurden fortan zu Grünlandregionen für die Milch-, und im geringeren Ausmaß auch Fleischproduktion. Ackerbau verschwand fast vollständig vom Berg und fand jetzt nur mehr in den Gunstlagen statt, wo wiederum die Tiere rar wurden.
Diese Umstellung war nicht für jede Betriebsgröße und jeden Hof gleichermaßen umsetzbar. Und so wurden Kleinbetriebe relativ bald unrentabel und in den Nebenerwerb gedrängt.
Die Überschussproduktion führte bald zu einem Preisdruck und durch die Änderung der bäuerlichen Landwirtschaft in Richtung Rohstoff-Urproduktion wurden die Bauern immer abhängiger von Abnehmern und Zulieferern.
Während die Erlöse immer geringer wurden, wurden die Produktionsmittel immer teurer.
Viele, vor allem kleine Betriebe, haben diese Umstellung nicht überlebt: In Österreich sind seit 1960 rund 250.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe verschwunden.
Angesichts dieser Entwicklungen entschied sich mein Vater also für die Vielfalt. Er experimentierte erfolgreich mit unterschiedlichen landwirtschaftlichen Methoden und Sparten. Schritt für Schritt und gemeinsam mit meiner Mutter Veronika diversifizierte er den Krameterhof.
Eines der ersten neuen Projekte war der Aufbau einer kleinen Teichwirtschaft. Mein Vater, der sich schon seit frühester Kindheit für Fische begeistert, hatte sich diese Idee in den Kopf gesetzt. Für die meisten seiner Zeitgenossen war das eine "Schnapsidee": Ein Bergbauer mit einem Hof, der sich eher für die Anlage einer Skipiste eignete, steinig, flachgründig und noch dazu ohne große Wasserressourcen, will Teiche bauen? Seine Antwort: "Gerade weil es hier wenig Wasser gibt, mache ich Teiche."
Auch wenn es auf den ersten Blick verrückt schien, mein Vater hatte eine genaue Vorstellung davon, wie und wo er seine Vision verwirklichen konnte. Inspiriert haben ihn sicherlich auch die traditionellen Mühlteiche der Region. Früher musste das Wasser der Quellbäche und kleinen Gräben auf den Bergen in Teichen gestaut werden, um genug Wasser für den Betrieb der hofeigenen Mühlräder zur Verfügung zu haben.
Die Nachricht, dass ein verrücktgewordener Bauer ausgerechnet am Schwarzenberg Teiche baut, verbreitete sich wie ein Lauffeuer und bald wusste jeder im Lungau, wo und wer dieser Verrückte war.
Eine bessere Werbung für die neue Fischzucht am Krameterhof hätte es kaum geben können. Das Ganze entwickelte sich so gut, dass mein Vater gebeten wurde, auch andere Betriebe zu beraten. Er zeigte ihnen, wo und wie sie eigene Teiche für die Eigenversorgung mit Fischen anlegen konnten. Und so hat er bald nicht nur Fische, sondern auch sein Wissen verkaufen können.
Vom Erfolg befeuert wurden meine Eltern noch experimentierfreudiger. Trotzdem sind sie ihrer bewährten Strategie treu geblieben, nur Dinge zu machen, für die sie sich begeistern konnten, wie zum Beispiel Teiche, Vielfalt in der Tierhaltung, Pilzzucht oder Streuobstwiesen. Dieser Weg war fast immer erfolgreich, vielleicht sogar zu erfolgreich, denn beinahe hätte er sie...
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