Meine Reise nach den Diamantenfeldern
Inhaltsverzeichnis So verließ ich denn in den ersten Tagen des August 1872 Port Elizabeth, um über Grahamstown, Cradock, Colesberg und Philipolis, Fauresmith zu erreichen.
Von vier kleinen Pferden gezogen, legten wir die 86 englische Meilen betragende Strecke nach Grahamstown, der drittgrößten Stadt der Cap-Colonie, in einem zweirädrigen Karren in 11 Stunden zurück.
Diese Strecke ist in Bezug auf die Schönheit der Scenerie und der Vegetation gewiß die anziehendste. Heute gelangt man nach jenem Orte mittelst Bahn, auch diese führt durch reizende Partien, wenn ich ihnen auch jene, die man früher per Achse passirte, vorziehe. Der größte Theil des Weges führt längs den Abhängen der Zuur-Berge, welche bebuscht und bewaldet mit ihren Schluchten und Thälern, mit den eingeschlossenen Lagunen und den begrenzenden Bergwiesen, dem Künstler wie Naturliebhaber viel des interessantesten Stoffes bieten. Ich möchte sagen, daß wir auf dieser Strecke den mannigfachen Typen größerer Landstriche aller Welttheile begegnen. Weite Ebenen, zum Theil mit hohem Grase bedeckt, erinnern uns lebhaft an eine Pußta, nur daß die bekannten, unbeholfenen Ziehbrunnen fehlen; kurzbegraste Flächen rufen uns ein Bild der Steppe in's Gedächtniß, während einige wenige mit spärlichem Graswuchs bewachsene Sandflächen an die Wüste mahnen. Mancher hochbegraste Abhang gewährt mit den hunderten ihn bedeckenden riesigen und armleuchterartig geformten Euphorbien ein fesselndes Bild, doch den anziehendsten Anblick bieten die bebuschten und mit Niederwald bedeckten Partien.
Die Gebüsche stehen bald gruppenweise, auf Wiesenpartien dichte Knäuel bildend, ein Vegetationsbild, das namentlich weiter im Innern Süd-Afrika's ganze Landstriche charakterisirt; doch bei weitem der größte Theil der Strecke Port Elizabeth-Grahamstown ist von einem sozusagen undurchdringlichen Gebüsche bedeckt, das theils von eigentlichen Büschen, theils von Zwergbäumchen gebildet wird. Manche derselben scheinen wahre Riesen an Alter zu sein, während andere wieder von gewissen Insectenarten befallen, in kurzer Zeit absterben und unaufhaltsam der Fäulniß unterliegen.
Oft führte uns der Weg an Abhängen vorüber, deren weißberindete Bäumchen mit Schüssel- und Baumflechten über und über bedeckt, einen eigenthümlichen Anblick darboten und an niederschlagreiche Gegenden mahnten; besonderen Reiz und eine anmuthende Erinnerung an die Wälder des Nordens gewährte das massenhafte Auftreten einer Bartflechte (Usnea), welche mit ihren grau-grünen, fußlangen und dichten Zotten, einer Draperie gleich, die Queräste der Bäume schmückt und ihnen einen ehrwürdigen Anblick verleiht. An anderen Stellen wieder überschaut das Auge auf Meilen hin mit Zwergbüschen bedeckte Abhänge, aus denen uns sofort mehrere Arten der rothblüthigen Aloë, riesige baumartige, zahlreiche strauchartige und krautartige Wolfsmilcharten, mit ihren wundervollen, meist cactusförmig gebildeten Formen auffallen und das Herz eines Botanikers hoch entzücken. Zahlreiche Solanum-(Nachtschatten-)Species, bald niedrig, bald strauchartig an den Bäumchen emporrankend, mit gelben, weißen, violetten und blauen Blüthen beladen, gestalten mit anderen üppigwuchernden Schlinggewächsen einzelne, durch hochstämmigere Bäumchen ausgezeichnete Partien zu einem förmlich undurchdringlichen Dickicht, während vor Allem die Menge von Gras und Binsen, Erica- und Ranunculusarten unser Staunen erregt.
[Euphorbiaceen-Bäume.]
Den kaleidoskopartig wechselnden Landschaftsbildern entspricht auch die Vegetation; kahle, niedrige, oder aber mit Hochgras bestandene Flächen, Busch- und Miniaturhaine, marschige Stellen, Sümpfe, Bergabhänge und Ebenen zeigen uns immer wieder neue Liliaceen, Papilionaceen und Mimosen.
Hie und da finden wir eine Farm in der Mitte einiger Acker bebauten Landes, an der Wegseite ein aus galvanisirtem Eisen oder aus Backsteinen erbautes Hotel; Hotel heißt es immer, ob es den Namen eines solchen verdient oder blos aus zwei Zimmern und einem Krämerladen besteht.
Nicht minder artenreich als die Flora ist die Fauna auf dieser Strecke. Wir finden hier ein mannigfaltigeres Thierleben, als selbst im ganzen Raume der nächsten zehn Breitengrade nach Norden, also gegen das Innere Süd-Afrika's. Auf den kahleren, grasarmen Ebenen tummeln sich Scharrthierchen und Erdeichhörnchen; beide Thiere leben in gemeinschaftlichen Bauen, und solche Stellen sind dann etwas erhaben und zeigen bis zwanzig Ein- und Ausgangslöcher, so breit, daß man bequem eine Faust einführen könnte. Wo die Erdeichhörnchen hausen, da finden sich auch zahlreiche große Spitzmäuse vor. (Die Gewohnheiten dieser Thiere will ich hier nicht beschreiben, aber späterhin bei der Schilderung meiner drei Reisen in's Innere Afrika's, wo einzelne der eben noch zu nennenden Thiergattungen bestimmte Landstriche bewohnen, ihrer dann ausführlicher gedenken.) Die hochbegrasten Gegenden zeigen uns zahlreiche Bauten von Maulwürfen, des Schabrakenschakal, des Mäusehundes (das afrikanische Stinkthier), von Springhasen und Stachelschweinen, Blindmäusen, dem interessanten Erdferkel und kurzschwänzigen Schuppenthier. An den Moorstellen beobachten wir Fischottern, eine Wieselart und mehrere Rattenarten. Die felsigen Abhänge weisen zahlreiche Pavianheerden, Rohrrüßler, schwarzgefleckte Genetta's, Tharikatzen, Karakal's, Springmäuse, eine besondere Kaninchenart, röthliche Roibockgazellen und zahlreiche Klippschliefer auf. An hochbegrasten Strecken, wo sich, wie schon erwähnt, stellenweise gruppenförmig dichte Gebüsche vorfinden, finden wir nebst den schon bisher erwähnten Zahnarmen (Edentata), Deuker und Steinbockgazellen. Dichte, niedere, meilenweite Flächen bedeckende Gebüschstrecken beherbergen die gestreifte und gefleckte Hyäne, sowie den Strandwolf (Hyëna brunea) und unter zahlreichen Nagethieren eine riesige Wühlmaus; ferner zwei Arten von Gazellen, darunter namentlich den schönen Buschbock. Hochstehende, die weiten Abhänge bekleidende Büsche, sowie der Niederwald dienen Pavianen und Meerkatzen, grauen Wildkatzen und Füchsen und dem Leoparden, der Kudu-Antilope, dem Buschsark und Blacksark, dem Büffel und dem Elephanten (der größten von den drei afrikanischen Varietäten) sowie einem auf Bäumen lebenden Hyrax (einer besonderen Art) zum Aufenthaltsorte.
Die Leoparden sind in diesen Gegenden gefährlicher als in den menschenleeren Gegenden des Innern, wo sie weniger an den Knall des Feuerrohres gewohnt sind. Da sie als Feinde, namentlich wenn verwundet, sehr gefährlich werden, tödtet man sie in diesen bewaldeten Gegenden meist mit Gift, oder fängt sie in Eisen. Die Elephanten sind durch ein Gesetz vor den Nachstellungen geschützt, so daß wir in der Cap-Colonie noch einige wilde Heerden (je zu etwa 20-30 Stück) zählten, während sie im Oranje-Freistaat, den Transvaal- und in den südlichen Betschuanaländern schon vollkommen ausgerottet sind. Weil sie jedoch nicht gejagt werden, sind diese Thiere recht übermüthig geworden, was uns sofort auffällt, wenn wir sie mit ihren Brüdern im nördlichen Süd-Afrika und in Central-Afrika vergleichen. Dort bringt ein Schuß (wenn er auch in einer Entfernung von 2-3 englischen Meilen abgefeuert wurde) eine Elephantenheerde sofort zur schleunigen Flucht und die Thiere legen dann meistens 20-30 englische Meilen zurück, bevor sie sich eine Rast gönnen; daß dort ein Elephant ungereizt den Menschen angreifen würde, gehört zu den größten Seltenheiten, trotzdem in den letzten zwanzig Jahren allein von den Europäern mehr denn 7500 Elephanten erlegt wurden. Hingegen muß man in den Gegenden zwischen Grahamstown und Port Elizabeth, wo sich die Elephanten aufhalten, vorsichtig sein, um nicht den hin- und herwandernden Kolossen zu begegnen. Bevor ich auf der Heimreise Port Elizabeth erreichte, ereignete sich eben ein trauriger Fall in dem Niederwalde am Zondags-River, der theilweise die genannten Waldpartien durchfließt. Ein farbiger Diener war von seinem Herrn ausgeschickt worden, um einige Ochsen zu suchen, welche sich verirrt haben mochten; da der Mann nicht wieder heimkehrte, forschte man nach ihm, fand aber blos seinen verstümmelten Körper. An den Spuren ringsum konnte man sehen, daß ihn eine vorbeipassirende Elephantenheerde ausgewittert, sich von ihrem Pfade ab auf ihn gestürzt und ihn zertreten hatte. Nur mit Erlaubniß des Gouvernements ist man berechtigt, eines der Riesenthiere zu erlegen.
Von den Vögeln die mannigfachen Species zu erwähnen, würde zu weit führen. Ein etwa sechsmonatlicher Aufenthalt würde hier dem Ornithologen eine reichhaltige Sammlung verschaffen. Ich will nur bemerken, daß dem Jagdliebhaber mehrere Trappenarten, Perlhühner, Reb-, Hasel- und Steppenhühner, Schnepfen und Regenpfeifer, Wildenten und Wildgänse, sowie Taucher und Schlangenhalsvögel täglich seine und seines Dieners Jagdtasche füllen können. Bewundern wir auf der Jagd oder auf einem Ausfluge in dieser Gegend die, die verschiedenen Strecken charakterisirende Pflanzenwelt, so sind es namentlich die Vögel und Insecten, welche den schönen, oft wundervollen Pflanzenformen doppelten Reiz verleihen. Da sind es langschwänzige Kolibris und Honigsucher, welche bald in den prächtigen kelchförmigen Schwertblüthen, bald in den weithin schimmernden carminrothen Aehrenblüthen der Aloëarten nach Insecten haschen. Dort wiederum winken uns die hellglänzenden dunkelgrünen Blätter eines Zwergstrauches, wir fühlen nicht den leisesten Windhauch, der sie bewegen würde-und immer nicken die zarten Aestchen wie mit Befriedigung einander zu. Doch siehe da, ein ganzer Schwarm kleiner, gelblich-grünlicher, unserem Goldhähnchen nicht unähnlicher Singvögel tummelt sich...