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Der große neue Kriminalroman der norwegischen Bestsellerautorin
Hanne Wilhelmsens Leben droht aus den Fugen zu geraten. Ihre Frau Nefis hat sie verlassen und die gemeinsame Tochter Ida mitgenommen. Als dann auch noch einer der wenigen Menschen, die Hanne auf der Welt etwas bedeuten, brutal ermordet wird, muss sie nicht nur ihre Familie retten, sondern auch den wichtigsten Fall ihres Lebens aufklären. Mit ihren eigenen Dämonen kämpfend, gerät sie in eine düstere Landschaft aus Hass, Verachtung und Missbrauch, in der auch eine Reihe unerklärlicher Schwangerschaften Teil eines größeren schrecklichen Ganzen sind. Schlaflos und verzweifelt arbeitet Hanne rund um die Uhr und stößt schließlich auf eine unerträgliche Wahrheit.
»Wow! Und nochmal wow! Anne Holt beginnt ihren zwölften Hanne-Wilhelmsen-Roman mit einem Paukenschlag - oder zwei.« Stavanger Aftenblad
Ein Lyriker schaute aus dem Fenster.
Er war ein Name, den man kennen musste: Aasmund Aaletjønn. Er hatte zwar nur fünf Gedichtsammlungen veröffentlicht in den dreißig Jahren, die seit seinem Debüt vergangen waren, aber dafür war jede davon ein Ereignis gewesen. Und zwar jedes Mal ein größeres. Die erste Sammlung, Skizzen von einem Acker, Gedanken über eine Ernte, war mit dem Debütantenpreis und einem ziemlich fetten Stipendium belohnt worden. Danach war ihm das seltene Kunststück gelungen, sowohl von der Kritik gelobt als auch vom Publikum geliebt zu werden. Er gab nur selten Interviews. Nicht, weil er besonders eigen gewesen wäre, sondern weil er einfach keine Lust hatte. Belanglosigkeiten interessierten ihn nicht, und ein Pressemensch war im Grunde wie der andere. Sie hatten in der Regel keine Ahnung. Unmittelbar vor der Pandemie hatte ein unbekannter junger Novellenschreiber dennoch eine einstündige Porträtsendung über ihn aufnehmen dürfen. Die war mehrmals gesendet worden und wurde dann auch noch als Podcast des norwegischen Rundfunks ein Erfolg. Seine letzte Lyriksammlung, damals drei Jahre alt, hatte im ersten Herbst, in dem alle eingeschlossen waren, zwei Auflagen erlebt.
Indre Vestfold war nie so trist wie jetzt, mitten im Februar. Der Schnee zwischen den Kiefernstämmen war eingesackt und schmutzig. Die Bäume sahen tot aus. Ein Fichtenkreuzschnabel flog resigniert am Waldrand entlang nach Süden, auf Jagd nach Nahrung. In diesem Jahr würden wohl kaum viele dieser kleinen Finkenvögel zu sehen sein, es hatte bei den Nadelbäumen seit Ewigkeiten keine so schlechte Samenbildung gegeben. Aasmund Aaletjønn hatte zwei Tage zuvor ein Nest entdeckt, im Wipfel einer mageren und halb im Boden eingesunkenen Tanne. In jüngeren Jahren wäre er hochgeklettert, um zu sehen, ob schon Eier darin waren. Sie waren früh unterwegs, diese Fichtenkreuzschnäbel. Brüteten, obwohl die Temperaturen noch unter null lagen.
In etwa einer halben Stunde würde sie eintreffen.
Das war jedenfalls die Abmachung. Mit GPS war es eine Kleinigkeit, herzufinden, abgesehen vielleicht von den letzten beiden Kilometern von der Bezirksstraße 306 hierher. Die Abfahrt war nicht ausgeschildert und führte auch nur auf einen huckeligen Waldweg.
Aasmund Aaletjønn wandte den Blick vom Fichtenkreuzschnabel ab und drehte sich zum Zimmer um.
Fast alles war vorbereitet. Überall war es sauber und ordentlich, und in dem großen Kamin in der Ecke zur Küche brannte schon seit dem Morgen ein munteres Feuer. Nicht dass das zum Heizen notwendig gewesen wäre; das Wohnhaus war größer und viel moderner geworden, seit er hier aufgewachsen war, auf dem ehemals kleinsten Hof der Umgebung.
Vermutlich würde sie überrascht sein. Dafür, dass er so abgelegen wohnte, war es ziemlich luxuriös. Strom und Wasser und Internet. Der Mangel an Breitband war schon vor Jahren durch einen auf seinem Grundstück aufgestellten Mobilmast behoben worden. Die Mieteinnahmen für den Boden, auf dem der Mast stand, überschritten die Ausgaben für die Benutzung von 4G um ein Weites, und bald würde er zu 5G hochgestuft werden.
Das Manuskript lag da, wo es hingehörte.
Auf dem Couchtisch. Ausgedruckt am Vorabend, nach den letzten winzigen Korrekturen. Genau hundert Gedichte, eins auf jeder Seite, 120 Gramm chlorgebleichtes Papier, um die Schwere zu erreichen, die Poesie verdiente. Als Bauchbinde hatte er das Ganze mit einem rot-gelb-schwarzen Flechtband umwickelt. Vor langen Zeiten hatte seine Ururgroßmutter dieses Muster entworfen, und später gelangte es dann als tragendes Element in die Tracht von Vestfold.
Er besaß ganze Meter von diesen Bändern.
Auf dem Papierstapel lag ein Speicherstick mit den Gedichten; er wusste, dass das Originalmanuskript zu seinen früheren Werken in ein verschlossenes und unzugängliches Archiv gelegt werden würde. Davon hat niemand irgendwas, dachte er, aber so wollte er es.
Wieder schaute er auf die Uhr.
Jetzt müsste sie bald kommen. Er legte den Kopf schräg und glaubte, Motorengeräusche zu hören. Als er zum südlich ausgerichteten Fenster ging, konnte er sehen, dass das trübe Wetter sich nun langsam verzog. Sonnenstrahlen durchbrachen die Wolken in umgekehrter Fächerform; er nannte sie Finger Gottes, wenn sie so sichtbar waren wie jetzt. Die Fensterhaken saßen locker, und es war leicht, das Fenster auf kipp zu stellen.
Nun näherte sich aber wirklich jemand, das konnte er hören.
Aasmund Aaletjønn war froh. Er freute sich. Es verschaffte ihm eine tiefe Befriedigung, den Schlusspunkt gesetzt zu haben. Eine hohe Erwartung dabei, seine Gedichte abzugeben. Das zu teilen, was eigentlich unteilbar war. So war es schon gewesen, als er zum ersten Mal in Oslo bei einem Pfeife rauchenden, übel riechenden Cheflektor angeklopft hatte, um seine ersten Gedichte einzureichen. Und als ihm ein beifälliges Lächeln zuteilgeworden war, nachdem der Mann erst drei davon gelesen hatte.
Aasmund schaute sich nach dem ordentlichen Papierstapel um. Sein Herz machte einen doppelten Schlag.
Rasch lief er zum Büfett hinüber. Es war seltsam, dass er vergessen hatte, den silbernen Rahmen zu entfernen, der neben einer Schale mit Clementinen stand. Er griff danach und legte ihn vorsichtig in eine Schublade in dem Möbelstück. Danach legte er einen weißen offenen Umschlag neben das Bild und stellte schließlich sicher, dass die Schublade wieder sorgfältig geschlossen war. Sein Puls ging noch immer ein bisschen zu schnell, als er danach das Manuskript nahm und damit hinaus auf die Treppe ging.
Das Sonnenlicht flutete über den Hofplatz.
Ein kleines gelbes Auto mit der Aufschrift AVIS an den Seiten stand vor dem Holztor, wo der Weg endete. Die Fahrerin schien Angst zu haben, dass sie nicht hindurchkommen würde, obwohl sie auf beiden Seiten mindestens einen Meter Spielraum hatte. Der Motor brummte ein wenig, dann fuhr der Wagen langsam unter die große Eiche bei der Scheune und hielt dort. Ein wenig schräg und mit zwei Rucklern, ehe der Motor ausgeschaltet wurde.
Die Frau war jünger, als Aasmund Aaletjønn sich das vorgestellt hatte. Blonder auch, und schlanker. Hübscher. Etwas ganz anderes als der schmuddelige Cheflektor, der seine beiden ersten Veröffentlichungen betreut hatte, ehe der Mann dann einfach gestorben war. Die Fahrerin des Mietwagens erinnerte auch nicht an die herzensgute Eli Schwartz, die ältere Dame, die für die folgenden zwanzig Jahre die Betreuung seines Werks übernommen hatte und ihn unter anderem begleitet hatte, als er mit dem Literaturpreis des Nordischen Rates ausgezeichnet worden war.
Die Gestalt dieser jungen Frau hätte das Modell sein können, das Gott im Garten Eden benutzt hatte.
Die Wagentür fiel zu, und sie kam über den mit Eis, Matsch und Streusand bedeckten Hofplatz auf ihn zu. Sie ging rasch, aber mit einem winzigen, femininen Hüftschwung. Sie war geschmeidig, sie sah aus, als ob sie gerne lief. Dennoch hatte ihr Gang etwas Kontrolliertes. Als ob etwas sie zurückhielt.
Er drückte sich das Manuskript an die Brust. Sie reichte ihm die Hand. Er hatte vor zwei Jahren zuletzt jemandem die Hand geschüttelt und wusste nicht so ganz, wie er sich verhalten sollte. Das Ganze wurde seltsam, er stand zwei Treppenstufen über ihr, und sie schaute schräg zu ihm hoch, als er fast das Manuskript hätte fallen lassen, ehe er endlich die warme, trockene Hand nahm und seinen Namen murmelte.
»Ebba. Ebba Braut«, erwiderte sie ruhig. »Deine neue Lektorin.«
Aasmund Aaletjønn erschien in den meisten Lebensbereichen als bedächtiger Mann. Er war 1961 als Sohn eines Kleinbauernpaars geboren worden und nicht gerade in materiellem Überfluss aufgewachsen. Er war gern allein, und er war nach dem Tod seiner Eltern freiwillig auf den Hof zurückgezogen. Er hatte nie Probleme damit gehabt, Frauen zu finden, zumindest sah er das so. Sie waren in der Regel leicht zugänglich und fühlten sich durch die Aufmerksamkeit des Dichters geschmeichelt. Schwieriger war es, sie zu halten. Er war nie verheiratet gewesen und hatte, wenn überhaupt, nur wenige wirklich enge Freunde. Geschwister hatte er auch keine.
Ein Einsiedler war er aber trotzdem nicht. Mit siebzehn war er zur See gegangen und bis fünfundzwanzig ununterbrochen auf großer Fahrt gewesen. Er hatte die Welt gesehen, wenn auch in einer anderen Zeit. Als Autor war er nun ab und zu in Oslo, meistens auf Einladung und Kosten des Verlags. Mindestens einmal im Monat fuhr er nach Larvik oder Sandefjord, um das Nötigste zu erledigen, und ein paarmal die Woche ins Dorf zum Einkaufen. Dann fing er immer ein Gespräch über Gott und die Welt an, und keiner der Bauern in der Nachbarschaft zögerte, wenn er ein seltenes Mal bei irgendetwas auf dem Hof Hilfe brauchte.
Ebba Braut jedoch setzte ihn völlig außer Gefecht.
Er klammerte sich an seine Gedichte, als ob sein Leben davon abhinge.
»Sollen wir reingehen?«, schlug sie vor.
Sogar ihre Stimme war für Aasmund Aaletjønn etwas ganz Neues.
Er...
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