Schweitzer Fachinformationen
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Teresa war mit den Nerven am Ende. Ihre sonst so warme Stimme drang schrill durch das offene Fenster auf die Straße; ein furchtbarer Waschweiberton, der überhaupt nicht zu ihr passte. Luka, der im strömenden Regen zu seinem Touareg lief, unterdrückte einen Seufzer. Ein Umzug bedeutete Stress, darauf hatte er sich eingestellt. Aber die letzten Stunden hatten ihn fertiggemacht.
Im Grunde war Teresa die Coolere von ihnen beiden. Nachdem die Entscheidung gefallen war, nach Rügen umzuziehen, hatte sie eine To-do-Liste angelegt, die sie systematisch abarbeitete. Sie hatte das kleine Reihenhäuschen gefunden, in das sie jetzt einzogen, sie bestellte mit Hilfe eines Vergleichsportals Strom, Gas und Wasser, sah sich nach einem Kindergarten für Matilda um . Selbst als sie herausfand, dass die Plätze auf Rügen Mangelware waren, haute sie das nicht um. «Dann werde ich mir halt was einfallen lassen», verkündete sie lachend.
Zwischen den Telefonaten bereitete sie sich auf ihren neuen Job vor, bei dem es um Offshore-Windenergieanlagen in der Ostsee ging. Vierzehn Tage lang war sie in Aurich beim Hauptsitz ihrer Firma gewesen, um eingearbeitet zu werden, und anschließend renovierte sie die alte Wohnung, als wäre das ein Klacks.
Aber seit sie heute früh Düsseldorf verlassen hatten, war sie wie ausgewechselt. Jede rote Ampel brachte sie auf die Palme, und ihre Kommentare zum Thema Autobahnbeschilderung wären im amerikanischen Fernsehen mit einem langgezogenen Piiieps überspielt worden.
Luka Kroczek öffnete die Hecktür seines Autos. Der Umzugswagen war bereits entladen, aber die empfindliche Elektronik und sein Saxophon hatte er vorsichtshalber im Touareg transportiert. Er steckte eine Decke um die Soundbox fest und schaute zum Himmel. Dass sie auch noch so ein Sauwetter erwischen mussten! Hoffentlich überstand das Ding den Transport bis zum Haus.
Er wuchtete den Kasten hoch, presste ihn gegen seine Brust und rannte los. Aus dem Augenwinkel sah er einen Nachbarn durchs Fenster spähen. Hoffentlich nette Leute. Teresa hatte den Kaffeeklatsch mit ihren Freundinnen geliebt. Als er ins Wohnzimmer trat, stolperte er beinahe über Tilda, die wie aufgezogen durch den Raum sauste.
«Es wird noch ein Unglück passieren, wenn das Kind so weitermacht», brummte Teresas Mutter. Rosi Schomaker saß auf der Kante des Ledersofas, das als einziges Möbelstück bereits am vorgesehenen Platz stand - eine graublonde Frau mit einem Kurzhaarschnitt und einem gerade geschnittenen Blazer, der wie eine Uniformjacke wirkte. Sie hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet und die Beine ans Sofa gepresst, als hätte sie Angst, von Tilda berührt zu werden. Komisch, dass sie ihre Enkeltochter nie beim Namen nannte. Für sie war die Kleine immer nur «das Kind».
Tilda kümmerte es nicht. Sie hatte ihren Bob den Baumeister aus Plüsch weggelegt und versuchte gerade, die kleine Hand durch das Trageloch eines Umzugskartons zu zwängen.
«Verdammtes Ding!», schimpfte Teresa, die vor der Telefonanlage kniete. «Die haben versprochen, dass alles fertig ist, wenn wir ankommen. Das haben sie versprochen! Was denken die denn? Dass ich trommle, bis sie ihren Hintern bewegen?» Sie hielt die Basisstation des Telefons in der Hand und klopfte frustriert auf das Display. Um sie herum lagen Kabel und diverse Mobiltelefone.
Luka stellte die Anlage ab. Einen Moment überlegte er, ob er ihr seine Hilfe anbieten sollte. Aber Teresa war Ingenieurin und steckte ihn bei allem, was mit Technik zu tun hatte, mühelos in die Tasche.
«Das Kind bringt die Kiste in Unordnung», sagte Rosi.
Gereizt blickte Teresa zu Tilda, die Löffel und Kuchengabeln aus dem Griffloch des Umzugskartons zerrte. «Macht doch nichts, Mutti. Es geht ja nichts kaputt.»
«Wenn du es so siehst .»
«Wie denn sonst? Tilda ist noch nicht mal drei, und wir stecken mitten im Umzug. Ich wüsste außerdem nicht, dass sich der Bundespräsident zum Kaffee eingeladen hätte.»
Rosi presste ihre sowieso schon dünnen Lippen so fest zusammen, dass sie zu einem Strich mutierten.
«Tut mir leid, Mutti», schlug Teresa einen weicheren Ton an. «Ich meine es nicht so. Aber dieses verfluchte Telefon .» Sie pfefferte die Basisstation beiseite und streckte sich erschöpft auf dem Boden aus. Ihr blondes, kinnlanges Haar bildete einen Kranz um ihr schmales Gesicht, sie lag wie auf einem Heiligenschein.
Herrgott, ist sie hübsch, dachte Luka. Ihre dunkelblauen, fast schwarzen Augen, hinter denen sie ihre Geheimnisse verbarg, die winzige Narbe am Mundwinkel, die Kuhlen zwischen Hals und Schultern, der kleine Busen, der sich gegen das Shirt drückte .
Sie lachte auf, als Tilda zu ihr gelaufen kam und sich auf ihren Bauch warf. Mit einem kräftigen Schwung schnappte sie sich ihre Tochter und schmatzte ihr eine Kusskaskade unters Kinn.
«Man darf Kinder nicht verwöhnen!», sagte Rosi streng.
«Mutti!» Der kurze Moment der Entspannung war sofort wieder dahin. Teresa ließ Tilda los, gab ihr einen Klaps auf den Hintern und wandte sich wieder der Telefonanlage zu.
Luka machte kehrt und holte den Rest der Anlage aus dem Auto. Dann zog er die schmutzigen Schuhe aus. Ein Blick auf die Armbanduhr zeigte ihm, dass es kurz vor sieben war. Er suchte aus der Kiste mit den Schraubenbeuteln die Packung für die Regalwand heraus und legte sich das erste Brett zurecht. Das Bücherregal könnte er heute noch schaffen.
«Tilda auch!»
«Du willst mir helfen?»
Matilda hielt sich an seinem Arm fest und kletterte ihm über die Beine. Obwohl sie mit den Vögeln aufgestanden war und im Auto kaum geschlafen hatte, war sie wie aufgedreht. Eifrig krallte sie sich eine Handvoll Schrauben und begann, sie in einem der Schuhe zu verstauen. Luka zwinkerte ihr zu, dann machte er sich an die Arbeit.
«Mutti! Du kannst hier doch nicht rauchen!»
Es ging schon wieder los.
Rosi hatte sich eine Zigarette aus ihrer Handtasche geangelt, doch bei Teresas scharfen Worten ließ sie die Hände sinken.
«Jedenfalls nicht, wenn Matilda im Raum ist», meinte Teresa verärgert.
«Es tut Kindern nicht gut, wenn man sie verwöhnt.»
«Das hat doch nichts mit Verwöhnen zu tun. Passivrauchen ist so was von . Ach, lass es doch einfach!»
«Dir hat das bisschen Qualm auch nicht geschadet.»
«Woher willst du das wissen? Warte mal, bis ich vierzig oder fünfzig bin.»
Ungerührt holte Rosi ihr Feuerzeug hervor. «Man hätte das Kind weggeben sollen, bis hier alles fertig ist. Kinder haben bei einem Umzug nichts zu suchen.» Der Anzünder flammte auf.
Luka lehnte das Brett, das er an den Regalboden schrauben wollte, an die Wand. «Nein, wirklich. Du kannst hier nicht rauchen», erklärte er bestimmt und nahm Rosi die aufglimmende Zigarette aus der Hand. Sie hatten die Kücheneinrichtung der Vormieter übernommen, sodass er das Drecksding direkt in der Spüle ausdrücken konnte.
«Wenn ich störe, kann ich auch nach Hause gehen», hörte er Rosi beleidigt sagen.
«Aber wir wollten doch noch zusammen essen», protestierte Teresa.
«Du hast doch gar nichts vorbereitet.»
Luka hatte das Bedürfnis, sich die Ohren zu reiben. Beschwerte Teresas Mutter sich tatsächlich darüber, dass kein Essen auf dem Tisch stand? Warum hatte sie nicht einfach eine Schüssel Kartoffelsalat in die Umzugswohnung mitgebracht?
«Wir lassen uns was kommen, Mutti. Das macht überhaupt keine Mühe.»
«In Restaurantgerichten ist überall Glutamat drin. Das vertrage ich nicht.»
«Wir können bei der Bestellung ja angeben .»
«Denen ist doch egal, was sie bringen. Die schauen nur aufs Geld.»
«Aber .»
«Ich will lieber nach Hause.»
«Deine Mutter hat recht», fiel Luka Teresa, die immer noch protestieren wollte, ins Wort. «Es ist schon spät.»
In Teresas Augen glitzerten Tränen. Na wunderbar, dachte Luka. Wie kam ein warmherziger, humorvoller Mensch wie seine Liebste nur an einen solchen Drachen von Mutter? Schweigend zog er die Schuhe wieder an und hielt Rosi die Tür auf. Sie sah aus, als könnte sie gar nicht schnell genug nach draußen kommen.
Während der Fahrt über die im Regen glänzenden Straßen sagte sie keinen Ton. Luka war sicher, dass sie ihn nicht leiden konnte, was ihm allerdings nichts ausmachte. Er suchte keinen Familienanschluss. Aber wie sie mit Teresa und der Kleinen umging, regte ihn trotzdem auf.
Wenig später erreichten sie den Wohnblock mit der grünen Zackenbemalung, in dem Rosi wohnte.
«Bis bald dann.»
«Ja», murmelte sie geistesabwesend, stieg aus, schlängelte sich an einem Bauzaun vorbei und verschwand hinter der Eingangstür, über der eine riesige grüne 15 prangte. Sie kam ihm vor wie ein Maulwurf, der nach einem Ausflug ans Tageslicht glücklich wieder in seine dunkle Höhle kroch.
Als er in die neue Wohnung zurückkehrte, fand er das Wohnzimmer verlassen. Auch aus den übrigen Zimmern war kein Ton zu hören. Er stellte den Fernseher, den er aus dem Wagen mitgenommen hatte, neben die Telefonanlage und machte sich auf die Suche nach Teresa. Sie und Tilda lagen zwischen Kisten und Kartons auf der Doppelbettmatratze. Ihre blonden Haarschöpfe lugten unter der dicken Decke mit dem geblümten Bezug hervor. Tilda hatte sich an ihre Mama gekuschelt und schlief Gott sei Dank bereits. Aber Teresa war mit Sicherheit noch wach.
Luka kniete sich auf die Matratze und streichelte über ihr Haar.
«Sie hat Tilda kein einziges Mal auf den Arm genommen», sagte Teresa leise.
«Ich weiß.»
«Mich hat sie auch nicht angefasst....
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