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Allmählich wird mir kalt. Die schäbigen Klamotten, die ich vorhin noch am Leib trug, haben sie in die hinterletzte Ecke der Kapelle geschmissen. Die Acht sitzen in einem Kreis um mich und den Spiegel auf dem Steinboden und frösteln ebenso, dabei trägt jeder von ihnen eine dicke Jacke unter dem schwarzen Umhang. Vor Sergej liegt eine geladene Waffe, deren Lauf eindeutig in meine Richtung gedreht ist. Im Spiegel tut sich nichts, doch ich warte. Starre weiter auf meine Reflexion: das Mädchen mit dunkelblonden Haaren, braunen Augen und dem zarten Körper.
Wie genau die Geschichte ging, die ich Sergej vor drei Tagen erzählte, um in ihre Mitte aufgenommen zu werden, weiß ich nicht mal mehr . der Tristesse eines verödeten Stadtteils entkommen, dem Grau von Plattenbauten und brüchigen Straßen, dem Alltag einer kaputten Familie. Die Suche nach Bedeutung in der Bedeutungslosigkeit - irgendsowas. Pathos wirkt immer gut. Vermutlich haben die anderen ähnliche Vorgeschichten.
Sergej ist der Anführer des Zirkels der Acht. Meine Gefährtin Mia und ich hatten ihn vor vier Tagen bei einem schwarzmagischen Ritual auf dem verwahrlosten Friedhof beobachtet, auf dem die Kapelle steht. Es war eine amateurhafte Beschwörung gewesen, die außer ein paar verwirrten Geistwesen nichts Größeres auf den Plan rufen konnte. Seine sieben Novizen waren trotz allem einigermaßen beeindruckt. Sergej jedoch wirkt seither rastlos. Er will mehr als Schatten und Geister.
Mir und Mia hatten dieser Ehrgeiz wie auch das fehlende Risikobewusstsein der Gruppe, was den Umgang mit schwarzer Magie betraf, sofort gefallen. Mia zog es vor, im Hintergrund zu bleiben, dieweil ich mich in Outfit und Körper des sinnsuchenden Ghettomädchens mit dem Faible fürs Okkulte schmiss. Womöglich weil in diesem Stadtviertel menschliche Emotionen und Empathie nicht gerade verbreitet waren, gelang mir die Rolle gut. Nachdem ich mein Äußeres gegen eine jugendlichere Hülle ausgetauscht hatte, passte ich Sergej vor seinem Wohnhaus ab. Ich nervte ihn mit meiner ausgedachten Story sowie mit den wildesten Gerüchten, die ich angeblich über ihn gehört hätte. Natürlich schlugen die Schmeicheleien bei ihm an, so wie sie es bei jedem narzisstischen Halbstarken mit Hang zum Extremen getan hätten. Dennoch bekundete er wenig Kooperationsbereitschaft, was meinen Beitritt zum Zirkel anbelangte. Die Diskussion mit ihm verlief etwa folgendermaßen:
»Ach komm, lass mich mitmachen - erst mal zur Probe!«
»Sag mal, wie alt bist du, Mädchen? Vierzehn oder so? Du solltest lieber wieder mit deinen Puppen spielen!«
»Mit Puppen habe ich nie gespielt.«
»Es heißt Zirkel der Acht, nicht der Neun!«
»Kann ich wenigstens mal bei einem Ritual zuschauen?«
»Nein! Kuck dir 'nen scheiß Film an!«
»Ich will aber die echte Magie!«
»Ich hab >NEIN< gesagt!« Er stemmte dabei seine Hände in die Hüften und schob den Stoff seiner Jacke zurück, sodass der Pistolengriff in seinem Hosenbund sichtbar wurde. Den Egoverstärker trug er ständig bei sich und holte ihn bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit hervor.
»Oder als Assistentin? Ich mache auch riskante Sachen.«
»Und wenn dich 'n Fluch trifft oder du von Dämonen gejagt wirst?«
»Ist mir egal.«
»Fick dich! Du kannst nicht mitmachen. Fertig. Aus.«
Das >Fertig. Aus.< erwies sich als haltlos, denn schon am nächsten Tag hatte Sergej seine Meinung geändert und wies mich an, ihn vor der abbruchreifen Werkstatt zu treffen, die der Zirkel als Basis nutzte. Er stellte mich nicht vor, was daran liegen konnte, dass er nie nach meinem Namen gefragt hatte. Mit dem knappen Hinweis, noch eine Besorgung machen zu müssen und jeden abzuknallen, der >seinen dreckigen Schwanz in die Kleine steckt<, überließ er mich dort der Obhut seiner Anhänger.
Die meisten von ihnen waren ähnlich wie Sergej: heruntergekommene Gestalten, obgleich sie das Erwachsenenalter gerade mal erreicht hatten. Dass sie Sergejs unmissverständlichen Befehl beherzigten, bedeutete nicht, dass sie mich als potentiellen Neuzugang generell in Ruhe ließen. Einer von ihnen, mit einem eingeritzten Pentagramm auf der Stirn, bedrohte mich mit einer alten Spritze. Ein zweiter mit großflächigem Gesichtstattoo versuchte, mir irgendwelche Pillen und sonstiges dubioses Zeug einzuflößen. Eines der weiblichen Mitglieder zielte mehrfach mit einer Pistole auf mich, drückte aber glücklicherweise nicht ab. Das Ergebnis hätte sie zweifellos schockiert. Ohnehin hätten sie sich ihre kleinen Angriffe wohl zweimal überlegt, hätten sie gewusst, dass sich in dem zarten Mädchenkörper eine Dämonin verbarg, die sie unter normalen Umständen schon längst in Fetzen gerissen hätte. Zu ihrem Glück war meine momentane Situation alles andere als normal.
»Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, bei uns einzusteigen«, ergriff Sergej das Wort, als er nach drei Stunden wieder in der Werkstatt aufschlug.
»Ernsthaft, du willst das Mädel beitreten lassen?«, kam es von dem Spritzentyp.
»Ich bin dabei!«, jubelte ich und blinkte aufgeregt mit meinen großen, braunen Augen.
»Du müsstest nur erst 'n Aufnahmeritual bestehen.« Sergej lächelte böse.
»Bestimmt was Perverses!«, meinte ein anderes Mitglied des Zirkels, es bereits zu wissen.
»Wir schmieren sie mit Schweineblut ein und ficken sie!« Der Gesichtstätowierte griente vor sich hin.
»Maul halten!«, fuhr Sergej dazwischen. »Es ist ein Beschwörungsritual.«
»So wie auf dem Friedhof neulich?«, kam ein fast bissiger Kommentar, den er sofort abschmetterte.
»Nein, es soll niemand Geringeren als den Herrn der Finsternis erscheinen lassen! Wir brauchen nur einen Spiegel und eine beschissene Jungfrau. Den Spiegel hab ich gerade besorgt. Fehlt also nur die Jungfrau .«
»Als Opfer oder so?«
Sergej musterte mich argwöhnisch. »Du bist doch noch Jungfrau?«
Ich nickte.
»Gut, dann komm heute um halb zwölf zur alten Kapelle auf dem Friedhof! Wenn nicht, kannst du dir das mit dem Beitritt abschminken!«
Die Acht wirkten überrascht, als ich pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt auftauchte. Eine gewisse Unruhe stand jedem von ihnen ins Gesicht geschrieben. Bis auf Sergej - was aber auch an irgendwelchen Pillen liegen konnte. In seiner Hand hielt er einen Zettel, der so zerknittert aussah, als hätte er ihn seit Stunden umklammert. Er berichtete knapp, dass eine geheimnisvolle Erscheinung ihm diesen in der Nacht zuvor übergeben hätte. Mit den ominösen Worten: »Der Kreis, der Spiegel und die Jungfrau erfüllen deinen größten Wunsch!«, hatte sie das Papier vor ihm auf dem Boden materialisiert und war plötzlich verschwunden. Das auf dem Zettel verzeichnete Ritual versprach dabei die höchste Errungenschaft für einen Möchtegernmagier wie ihn: ein Meet and Greet mit dem Prinzen der Dunkelheit persönlich. Laut Beschreibung würde er sich dem Beschwörer im Spiegel zeigen und zu ihm sprechen. Sofern jener frei von Furcht und Zweifeln war. Oder waren es Furcht und Schwäche? Egal. Vermutlich unterdrückten Sergejs Pillen ohnehin jegliche Form tieferer menschlicher Regung. Das machte mir ihn fast sympathisch. Noch sympathischer war, dass er mir keine zehn Minuten nach der mysteriösen Begegnung mit der geheimnisvollen Erscheinung die SMS geschickt hatte, in die Werkstatt zu kommen.
Normale Menschen hätten sich nach der wirren Story mit ziemlicher Sicherheit lachend aus der Kapelle verabschiedet. Die verpeilten Zirkelmitglieder hingegen glaubten den Scheiß sofort. Allem voran, weil Sergej offenkundig daran glaubte und ein Typ war, der selten Witze machte.
Zum Einstieg und um die allgemeine Stimmung zu heben, wurde zunächst eine Flasche fuseliger Wodka geleert, von dem ich den Großteil hinunterwürgen durfte. Sergej selbst gönnte sich den Rest, ehe er einmal mehr die Pistole rausholte.
»Ausziehen!«, wies er mich an und schwenkte das Ding hektisch vor meiner Nase herum. Die anderen hatten bereits den Kreis gebildet und mit einer Spur aus Salz vervollständigt.
»Ja, los! Mach schon!«, tönte es aus ihrer Mitte.
Mit gespieltem Widerwillen folgte ich dem Befehl und ignorierte das unverhohlene Pfeifen und Grölen der männlichen Mitglieder des Zirkels: »Selbst wenn es nicht funktioniert, der Anblick ist es wert!«
»Es wird funktionieren!«, brüllte Sergej zurück. »Er wird erscheinen.«
»Und wenn sie gelogen hat? Wegen Jungfrau und so?«
»Dann überlege ich mir das mit der Schweineblutnummer noch mal. Also los, Fräulein, vor den Spiegel!«
Das war vor etwa einer Stunde. Seitdem wiederholt er alle paar Minuten die Formel, die Mia, neben besagter Anweisung, auf dem vergilbten Papier notiert hat. Ansonsten gehören Beschwörungsformeln nicht zu ihren Aufgaben als Oberste Seelenzuteilerin. Den mysteriösen Boten für Sterbliche zu mimen ebenfalls nicht. Dennoch ist ihr beides recht gut gelungen. Just in diesem Moment sitzt sie im 22. Stock eines Plattenbaus und wartet auf meine Rückkehr. Unsere derzeitige Unterkunft dort ist deutlich kühler als ihr Arbeitsplatz am Rand des 7. Höllenkreises oder meiner in der höllischen Hauptverwaltung. Damit sind allein die Kälte und ihr Genöle zwei der Gründe, endlich von hier zu verschwinden. Zwei von vielen Gründen, warum dieses Ritual einfach klappen muss!
Der Wodkageschmack hält sich derweil...
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