Schweitzer Fachinformationen
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Verdammt, dieses Dröhnen! Von irgendwo aus der Ferne kommend bohrt es sich in meinen Schädel und verdrängt die Szene aus Erinnerung und Traum aus meinem Bewusstsein. Die Leichtigkeit ist verschwunden. Stattdessen stechender Kopfschmerz . und dumpfe Taubheit.
Benommen öffne ich die Augen. Der grelle Schein einer Neonröhre blendet mich und ich schließe sie sofort wieder. Lausche erneut dem undefinierbaren Gebrumme. Es scheint lauter zu werden, aber ich kann nicht ausmachen, aus welcher Richtung es kommt, geschweige denn, was es sein könnte.
Blinzelnd erkunde ich die Umgebung: ein gefliestes Gewölbe mit grellgrünen Plastikbänken. Vier Stück, plus einer Fünften, von der ich schwerfällig meinen verkaterten Körper aus seiner zusammengekauerten Pose aufrichte. Von einem Großbrand oder sonstigen Verheerungen keine Spur. Dafür Schienen, die ich hinter einer abfallenden Kante erkenne.
Nach und nach rappele ich mich weiter auf, mache ein paar Schritte auf die Kante zu und werfe einen verunsicherten Blick in den Tunnel dahinter. Eine U-Bahn? Ich runzele die Stirn. Die nächste größere Stadt, die eine solche besitzt, ist über fünfzig Kilometer entfernt. Wie lange muss ich bewusstlos gewesen sein? Und dann die Flammen? Ein Krankenzimmer würde mir jedenfalls logischer erscheinen als dieser Ort.
Noch während ich in die Finsternis des Tunnels starre, wandelt sich das ferne Dröhnen in ein sich zügig näherndes Rattern. Ehe ich mich versehe, flackern Lichter auf. Ein Zug rast aus der Dunkelheit auf den Bahnsteig zu, rauscht jedoch ohne zu halten an diesem vorbei. Wie ein Phantom taucht er wieder in die gegenüberliegende Schwärze ein.
»Was zur .«
Ich schreite auf das Ende des Gewölbes zu, an dem der letzte Waggon soeben verschwunden ist. Aufmerksam scanne ich die Wände nach Anzeigetafeln oder Schildern, die mir einen Hinweis darüber liefern könnten, wo ich hier gelandet bin.
Was um alles in der Welt tue ich hier? Ich war doch eben noch . ja, wo eigentlich? In Gedanken gehe ich diverse Orte durch, die das Potenzial für eine bedrohlich-chaotische Situation enthalten und die überdies eine Begründung für meinen kolossalen Kater bieten würden.
Ad hoc kommt mir unsere alte Stammkneipe in den Sinn. Die eine oder andere Gedächtnislücke würde sich damit schon erklären lassen. Bin ich nicht vor allzu langer Zeit erst dort gewesen? Doch!
Ich trat durch die schäbige Eingangstür mit den bierbefleckten Stufen, die mich in die vertraute Kelleratmosphäre führten. Eine willkommene Zuflucht für Tageslichtverweigerer, die, genau wie ich, die Mischung aus irischer Gastlichkeit, rustikaler Einrichtung und billigen Drinks zu schätzen wussten.
Ich besorgte mir einen Cider an der Bar und schob mich an einigen Tischen mit bekannten Gesichtern vorbei - Protagonisten eines vergangenen Lebensabschnitts. Zu jenen zählten Esoterik-Freak Tara, die an ihrer Kräuterbrause nuckelte, ein paar Jungs aus der Schulband, mit denen ich früher gerne abgehangen hatte, Mode- und Frisurenpüppchen >Barbie<, die ihren Schulabschluss weniger ihrer Intelligenz als ihrer sexuellen Aufgeschlossenheit verdankte, und Pete, der Schuldealer. Überrascht war ich lediglich, unsere ehemalige Chemielehrerin Frau Dr. Schmidt auf einem der Barhocker zu sehen, vertieft in ein sicherlich hochphilosophisches Gespräch mit Mike, dem Barkeeper, und einem Kerl in Motorradkluft.
Meine Freundschaft mit Mia gehörte zu den Beziehungen, die jene verquere Phase unserer Schulzeit trotzig überdauert hatten, und wie damals saß sie zusammen mit Ankie in unserer bevorzugten Nische gegenüber der Theke. Mia wirkte niedergeschlagen; entsprechend hatte Ankie ihr solidarisch eine Hand auf die Schulter gelegt, obgleich sie in diesem Augenblick eher auf die Anbahnungskonversation zwischen Barbie und Pete am Nachbartisch konzentriert war.
»Cay, was machst du denn schon hier?«, begrüßte sie mich aufgedreht. »Hattest du nicht 'ne Verabredung?«
»Ja, richtig.« Mia kam ein Stück aus ihrer leidenden Pose und blickte mich interessiert an. »Sven oder so, nicht wahr?«
»Tom.«
»War nicht so berühmt?« Sie grinste, wie nur jemand grinsen konnte, der mich einfach zu gut kannte.
Müde lächelte ich zurück. »Sagen wir, er war stets bemüht, den ihm gestellten Aufgaben Verständnis entgegenzubringen.«
»Und dann hast du dir überlegt, das Jimmy's könnte dafür Alternativkandidaten bieten?«
»Ich wollte nur Toms Probezeit nicht unnötig verlängern.« Unvermittelt fielen meine Augen auf den Motorradtypen an der Bar, nur damit ich sie gleich darauf abwehrend zusammenkniff. Nein - keine Experimente mehr! Zumindest nicht heute. Ich schüttelte den Kopf wie zur Bekräftigung meines spontanen Entschlusses und ließ mich neben die beiden auf die Bank fallen. Ich nahm einen tiefen Zug aus meinem Glas mit dem Vorsatz, den Erinnerungen an das misslungene Date noch mit vielen weiteren Gläsern entgegenzuwirken.
»Komisch, du hast immer so'n Pech mit den Typen«, stellte Ankie mit künstlichem Bedauern fest und animierte mich so direkt zu Schluck Nummer zwei.
Sie hatte recht. Die durchschnittliche Haltbarkeit meiner Exfreunde betrug gerade mal vier Wochen. Komplettdebakel wie Tom nicht mitgerechnet.
»Vielleicht sind meine Ansprüche zu hoch .«, hob ich an, doch ein schriller Klingelton aus Barbies Jacke übertönte den Erklärungsansatz für meine gescheiterten Beziehungsversuche.
Wo ist eigentlich mein Handy?
Gegebenenfalls gibt mir das GPS eine nähere Auskunft, wo ich hier gelandet bin. Gründlich prüfe ich sämtliche Taschen, aber es ist nicht da. Überhaupt sind jene weitgehend leer, bis auf zwei angelaufene Münzen, die ich in meiner Jeans finde.
Ein Gedanke durchstreift beiläufig und doch unheilvoll meinen schmerzenden Kopf: Womöglich wurde es aus dem Bus geschleudert?
Ein Bus? Bin ich damit hergekommen? Gar geflohen? Oder ist das Inferno, das so schemenhaft in meinem Kopf herumgeistert, etwa das Ergebnis eines missglückten Drogentrips gewesen?
Meine pochenden Schläfen massierend hocke ich mich erneut auf eine der Bänke und ein mögliches Szenario aus Horrortrip, falschem Nachtbus und plötzlichem Koma kommt mir in den Sinn. Unwahrscheinlich ist es nicht. Halb schließe ich die Augen und verfolge das gleichmäßige Pochen in meinem Schädel, gepaart mit jenen wirren Gedankengängen.
Beides wird nach einer Weile von einem herannahenden Trippeln überlagert. Hinter einer dunklen Nische hallt es hervor und offenbart sich als zu einer gehetzt aussehenden älteren Dame gehörend. Unversehens taucht sie zwischen zwei Sitzreihen auf, ganz so, als sei sie gerade aus der Wand hervorgeschritten. In unentschlossener Manier läuft sie das, was ich soeben als Bahnsteig identifiziert habe, auf und ab.
»Ist die Bahn schon weg?«, krächzt sie mir entgegen.
»Ja! Äh, das heißt .« Ich bemühe mich, nachdenklich zu schauen und abermals eine Anzeigetafel oder Ähnliches zu entdecken, was mir mittlerweile ziemlich idiotisch vorkommt.
Die Dame stört meine Unkenntnis offenbar wenig. Trotz des Überangebots an Platzalternativen lässt sie sich auf dem Sitz direkt neben mir nieder. Selbst für eine alte Frau wirkt sie ungewöhnlich fahl. Ihre Haut ist farblos, nahezu transparent. Mit glaskugelhaften und durch dicke Brillengläser bizarr vergrößerten Augen mustert sie mich ausgiebig. »Na, Kindchen, dann haben wir unsere Bahn wohl verpasst«, wispert sie mir mit dünner Stimme zu. »Aber keine Sorge, die nächste fährt bestimmt bald.«
»Oh, ich hab die Bahn nicht verpasst«, versuche ich höflich zu erwidern. »Ich bin einfach nur so hier.«
»Das glaube ich kaum, Kindchen!«
Ich starre sie ungläubig an, unsicher, was mich mehr irritiert: das aufdringliche Interesse an meinem wie auch immer gearteten Bestimmungsort oder die Unverschämtheit, mich mit knapp einundzwanzig Jahren mit >Kindchen< anzureden.
Trotz meines konsternierten Blicks lehnt sie sich noch ein Stück zu mir herüber. »Ich wette, der nächste Zug ist deiner!« Sie grinst breit und ihr säuerlicher Atem schlägt mir entgegen.
Damit ist meine Toleranzgrenze endgültig überschritten. »Entschuldigen Sie mich bitte!« Überstürzt stehe ich auf, um die unheimliche Unterhaltung abzubrechen.
»Warte besser nicht zu lange!«
Ich ignoriere ihr Gebrabbel und schreite durch den neuentdeckten Durchgang, mit dem festen Vorsatz diesen Ort genau auf dem Weg zu verlassen, auf dem sie gekommen ist.
Ein weiterer Bahnsteig erstreckt sich hier vor mir, exakt wie auf der anderen Seite: gefliestes Gewölbe, grüne Plastikbänke . nur von einem Ausgang keine Spur. Eventuell sollte ich meine merkwürdige Begegnung doch noch mal konsultieren.
»Sorry, können Sie mir vielleicht sagen, wo wir hier .«, hebe ich auf dem Weg zurück zu meinem Ausgangspunkt an, aber die Dame ist weg. Auch ihr Trippeln ist nirgends mehr zu hören. Dafür vernehme ich dumpf das Heulen von Sirenen, vermischt mit dem Gewirr angstverzerrter Stimmen.
Ich drehe mich um, schaue den Bahnsteig hinunter und zucke ob des Anblicks zusammen. Menschliche Körper, teils in grotesken Posen, teils verstümmelt, sind dort verstreut. Zwischen den Bänken liegen Metallteile und Fragmente von Trümmern. Scherben stecken in manchen der leblosen Leiber. Dazwischen Flammen. Bis zur Unkenntlichkeit...
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