Schweitzer Fachinformationen
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2Beziehungsprozess
Menschen stehen in Beziehung zu sich selbst, zu ihren eigenen Fähigkeiten, zu ihren eigenen Mängeln, Werten und Normen. Beziehung wird meist mit Begriffen beschrieben, die auf die Benennung emotionaler Zustände, Stimmungen oder Dynamiken abzielen. Die Beziehung zwischen Betroffenen und Pflegenden kann zum Wohlbefinden beitragen und einen positiven Einfluss auf den Genesungsprozess nehmen; sie unterliegt jedoch auch ihrerseits vielen Einflussfaktoren.
Eine Schlüsselfunktion nimmt die erste Begegnung zwischen Pflegeperson und zu begleitendem Menschen ein. Sie prägt die weitere Entwicklung der Beziehung zwischen beiden entscheidend.
Pflegebeziehungen sind etwas Besonderes. Es handelt sich bei ihnen um einen Kontakt, der aufgrund äußerer Bedingungen notwendig ist. In dieser von den Patienten oft nicht freiwillig gewählten Situation kann es einerseits zu körperlicher Nähe, andererseits - durch das gemeinsame Erleben von Ausnahme- und Krisensituationen - zu nahen zwischenmenschlichen Beziehungen kommen. Die Beziehungsgestaltung wird umso wichtiger, je langwieriger die Pflege ist, je abhängiger die Pflegebedürftigkeit macht und je gehemmter sich das Verhältnis zur Umwelt gestaltet.
Oft wird die Beziehung zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden durch das Gefühl der Scham beeinflusst. Scham wird im Krankenhausalltag erlebt, aber nicht immer gezeigt. Ein Erröten der zu begleitenden Personen, verschränkte Arme vor der Brust oder das Ansprechen des Sich-Schämens sind eher selten. Auslöser der Scham sind zumeist Unzufriedenheit mit sich selbst, die Nichterfüllung von Erwartungen oder das Gefühl des Ausgeliefertseins.
Neben individuellen und körperbezogenen Faktoren ist auch die Abhängigkeit von Pflegepersonen ein Faktor, der Scham auslösen kann. Der Unterstützungsbedarf bei der Mobilisation, bei der Nahrungsaufnahme usw. wird als "beschämend" bezeichnet (vgl. Sieger/Ertl-Schmuck/Harking, 2010).
Das Erleben der zu begleitenden Menschen wird durch das Auftreten der Pflegepersonen beeinflusst. Eine aufmerksame, empathische und freundliche Pflegeperson wird als "menschlich" und sympathisch wahrgenommen, und durch die entstandene vertrauensvolle Beziehung gelingt es der Pflegeperson, Gefühle von Scham zu lindern. Gefühlen der Scham kann auch durch zeitgerechte und ausreichende Information vorgebeugt werden (vgl. ebd.).
Pflegetheoretiker*innen weisen darauf hin, dass die Grundhaltung der Pflegeperson entscheidend ist. So verstehen Benner und Wrubel (1988) Pflegepersonen nicht als distanziert agierende Personen, sondern erkennen die wahre Pflegequalität in der Bereitschaft sich auf das Gegenüber einzulassen.
Dieses gefühlsmäßige Einlassen auf das Gegenüber wird als Caring (Fürsorge) beschrieben und versteht sich in Form eines wertschätzenden und respektvollen In-Beziehung-Tretens (vgl. Benner & Wrubel 1988, Swanson 1993, Stemmer 2003).
Ausgehend von Watson (2008), Benner und Wrubel (1988), Swanson (1993) und weiteren Theoretiker*innen, welche die Fürsorge und eine gelebte Beziehung als Grundhaltung definiert haben, versteht sich Relationship-based Care bereits im übergeordneten Sinne, nicht auf die professionelle Pflege reduziert, sondern als eine beziehungsbasierende Begleitung innerhalb des gesamten Gesundheitsversorgungssystems (vgl. Campbell 2009).
"Relationship-based care (RBC) is a nursing model for transforming practice, focusing on the value of relationship - the healthcare provider´s relationship with patients, families, and community; with self; and with colleagues and interdisciplinary team members. (.) RBC and servant leadership ground the professional practice environment of care into one in which care providers are central and able to focus all their knowledge, skills, and abilities on patients and families." (Koloroutis 2004)
Abbildung 1 stellt sechs Kerninhalte für die Implementierung Beziehungsbasierter Pflege dar. Sie dienen als Bezugsrahmen. "Die Beziehungsbasierte Pflege ermöglichet eine pflegerisch-heilende Umgebung, in der Pflegende die Würde jedes einzelnen Menschen achten und alle Ressourcen wirksam für die Bedürfnisse des ganzen Menschen einsetzen." (vgl. ebd.)
Abb. 1: Beziehungsbasierte Pflege (vgl. Koloroutis 2011)
(1) Führungspersönlichkeiten in der Pflege nehmen ebenso Einfluss wie (2) funktionierende Teambeziehungen und (3) das privilegierte Vertrauensverhältnis zwischen Betroffenen und Pflegepersonen der professionellen Pflegepraxis. Im Fokus steht eine professionelle therapeutische Pflegebeziehung im Rahmen eines patient*innenorientierten (4) Versorgungssystems. Verfügbare (5) Ressourcen wie Pflegepersonen, Ausstattung, System und Budget erfordern kritisches Reflektieren und einen kritischen Einsatz. Weiters hat RBC einen positiven Einfluss auf (6) Outcome-Ergebnisse (vgl. ebd.).
Die Beziehungskompetenz beschreibt die Fähigkeit, Beziehungen eingehen und gestalten zu können sowie Beziehungsprobleme zu benennen und zu bewältigen. Pflegende treffen in ihrer Berufsausübung auf unterschiedliche Pflegesituationen an verschiedenen Orten (in Hospizen, Pflegeheimen, Schulen .). Die Rolle der Pflegeperson in der direkten Pflegesituation und damit ihr Verständnis von Beziehung wird geprägt von ihrem jeweiligen Verständnis von Gesundheit und Krankheit.
Aufbauend auf einer Analyse empirischer Untersuchungen zur Beziehungsgestaltung nennt Hulskers (2001) folgende einander übergreifende soziale Kompetenzen (siehe Abb. 2):
Abb. 2: Das Konzept Caring (vgl. Hulskers 2001)
Ad Autonomie fördern: Autonomie umfasst die Dimensionen der Selbstbestimmung, Zielorientierung, Wahlmöglichkeit, Freiwilligkeit und Individualität. Zentrale Aufgabe in der direkten Pflege ist es, Pflegebedürftige in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Entscheidungen über die täglichen Aktivitäten sind durch Pflegende zu unterstützen. Grundlage hierfür sind adäquate Informationen (siehe auch 4.: Fürsprechen). "Respekt vor der Privatsphäre und der Würde des Menschen sind unerlässliche Faktoren zur Förderung der Autonomie" (Hulskers 2001).
Ad Vertrauen aufbauen: In einer Untersuchung von Walker et al. (1998) zu vertrauensförderndem Verhalten beschrieben Befragte drei Hauptkategorien: (1) sich genügend informiert fühlen, (2) sich als Individuum wertgeschätzt fühlen und (3) sich zu Hause fühlen. Eine professionelle Beziehung zeichnet sich durch die Vermittlung von Information aus. Wertschätzung wird durch die Verlässlichkeit der Interaktionspartnerin/des Interaktionspartners ausgedrückt und schafft damit Vertrauen (vgl. Walker et al. 1998, zitiert nach Hulskers 2001).
Ad Unterstützen: Unter diesem Begriff versammeln sich verschiedene pflegerische Verhaltensweisen: Erklärungen bieten, beraten, durch Herzlichkeit Wärme vermitteln, Einfühlsamkeit zeigen, motivieren, beruhigen, relativieren, trösten und viele mehr. Mit Familienmitgliedern und Freunden eine Beziehung herzustellen wird ebenso als Unterstützung gewertet.
Ad Fürsprechen: In der Literatur oft als Advocacy beschrieben, hat Fürsprache das Wohlergehen der Pflegebedürftigen zum Ziel, und zwar im Sinne der eigenen Mündigkeit durch Informieren der Betroffenen. Es gilt hier, die Umgebung so zu gestalten, dass die Wahrung der Autonomie möglich ist.
Ad Befähigen (Empowerment): Dieser Begriff bedeutet, Fähigkeiten, Ressourcen und Möglichkeiten zu vermitteln, um eine Situation zu verändern. Ziel ist es, bei Pflegebedürftigen Ressourcen zu fördern, um ein Gefühl der Handlungsfähigkeit entwickeln zu können. Letztlich gilt es für die zu Pflegenden, die Verantwortung mitzutragen. Dafür sind Gefühle von Vertrauen, Wertschätzung und Respekt notwendig. Empowerment fördert ein positives Selbstwertgefühl und die Wiedergewinnung von Kontrolle. Damit werden auch Zukunftsperspektiven wahrgenommen und Gefühle von Hoffnung gestärkt.
Ad Sicherheit vermitteln: Fünf Strategien sind für die Vermittlung von Sicherheit ausschlaggebend: (1) Vorhersagen machen, (2) Unterstützung anbieten und geben, (3) Kontrolle durch Handlungsfähigkeit, (4) Ablenkung, (5) in Aktion treten. Sicherheit wird aber auch durch Information vermittelt, da die Furcht vor dem Bekannten ebenso wie die Angst vor dem Unbekannten auf diese Weise verhindert bzw. reduziert werden. Als Pflegeperson erreichbar zu sein, bietet ebenso Sicherheit wie eine freundliche und fröhliche Kommunikation.
Ad Partizipieren: Grundlage hierfür ist aufseiten der Pflegenden die Auffassung, dass Pflegebedürftige eine eigene Entscheidungskompetenz besitzen und darin unterstützt werden sollen. Voraussetzung dafür sind Kommunikation auf gleicher Ebene, die Pflegebeziehung, die Kompetenz der Pflegeperson und eine verständliche Informationsweitergabe (vgl. ebd.).
Eine gelungene Beziehungspflege stellt weiters die Basis für personenzentrierte Informations- und Beratungsgespräche dar. Diese Gespräche entsprechen der beruflichen Handlungskompetenz; sie bezeugen einerseits die Professionalisierung der Pflege und fördern andererseits die Autonomie und somit das Wohlbefinden der zu begleitenden Menschen. Die Informations- und Beratungsgespräche zeichnen sich durch die bestehende Beziehung, durch den Inhalt sowie durch eine gelungene Gesprächsführung...
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