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Venedig zur Zeit Tizians: ein Szenenbild der Serenissima * Venedig in der Renaissance: eine Einführung in die Kultur- und Kunstszene und ihre Künstler, die Politik und Herrschaftsstruktur der Republik
Langsam lichten sich die Novembernebel und die Serenissima taucht in der Morgendämmerung auf: schön, stolz, selbstbewusst. Venedig, die Stadt des Mythos, die Königin des Wassers.
Man begegnet dieser Stadt am besten von der Wasserseite aus und begreift: Venedig ist eine Insel, eine ganz andere Welt, eine Welt für diejenigen, die noch Träume haben.
Das Boot fährt den Kanal entlang, und zu beiden Seiten erheben sich Häuser aus dem Wasser. Fast lautlos gleiten die Gondeln an uns vorbei, andere Boote liegen vertäut an bunten Pfählen vor herrschaftlichen Eingangstoren, die bis ins Wasser reichen; in manchem Boot döst ein müder Ruderer und wartet auf den Morgen. Brücken tauchen im Sichtfeld auf und entziehen sich sogleich wieder dem Blick. Überall Wasser, wo es sonst kein Wasser gibt! Ganze Häusergruppen, Kirchen und Paläste steigen aus der Flut empor, und überall die gleiche ungewohnte Stille, nur das dauernde Plätschern des Wassers ist allgegenwärtig. Es ist der kurze Moment des frühen Morgens, bevor die Stadt zum Leben erwacht, bevor die Gassen lebendig werden und die Menschen beginnen, ihrem Tagewerk nachzugehen.
Kommt man jemals an in Venedig? Glaubt man nicht, diese Stadt längst zu kennen, bevor man sie je besucht hat, oder ist man bereit und öffnet sich diesen vielfältigen Eindrücken und der die Sinne berauschenden Schönheit? Venedig das Phänomen, der Mythos, die berückende Unwirklichkeit, die Zauberei, das grandiose Geheimnis, das unerreichbar scheint.
Jeder liebt diese Stadt auf seine Art, findet an diesem Ort, was er will und was er hineininterpretiert: Lebensfreude, Hinfälligkeit, Tod und Verfall, maroden Charme, Kunst und Tand, karnevaleske Visionen, einen Ort des Aufatmens, eine Extravaganz, eine zeitlose Faszination. Ein aus der Geschichte gefallener Ort. Wer einen Sinn für Melancholie hat, ist in Venedig in seinem Element. Kaum ein anderer beschreibt diese zwiespältigen Gefühle von Anziehung und Abgestoßenheit besser als Thomas Mann in seinem Roman Tod in Venedig.
Eine zugleich wirkliche und unwirkliche Stadt, deren Urelement das Wasser ist, segensreich und zerstörerisch, göttlich und dämonisch. Venedig zwischen Wasser und Himmel. Himmelblau, wasserblau, das Grün der Kanäle, die bunten Farben der Häuser, Kirchen und Paläste. Alles spiegelt sich im Wasser der Kanäle und der Lagune und verdoppelt die Vision, und diese Visionen dringen ein in das geistige Empfinden der Besucher.
Die Lagune, die der Ursprung dieser Stadt ist, liefert eine einzigartige Farbenpalette, die sich wie ein roter Faden über die Jahrhunderte durch die venezianische Kunst zieht. Farben, die es so nur hier gibt und die in einem ganz besonderen Schauspiel der Natur ihren Ursprung haben. Es sind die irisierenden Wasserflächen, die je nach Tageslicht weiß, blau, rosa, grau, seltener violett, noch seltener grün erscheinen, grün wie die Kanäle der Stadt, und als grüne Flecken unterbrechen die Lagune dutzende verstreute Inseln mit Weideland und Bäumen. Die bunten Häuser auf den kleineren Inseln, Klöster mit Obst- und Gemüsegärten und Blumen. Auf dem Rialto, dem Großmarkt Venedigs, die strahlenden und farbenprächtigen Luxuswaren aus dem Orient. Der Dunst der Meeresluft macht all diese Farben weich und fließend.
In der Lagune liegen die Wurzeln von Venedig, sie ist gleichzeitig Schwemmgebiet und Sumpf, seichtes Gewässer, Strömungsfeld von Quellwasser und letztendlich das Meer.
Einst zogen die Menschen in die Lagune, um sich vor den Überfällen aus dem Norden zu schützen, und rangen dem Wasser und der Lagune das ab, was das heutige Venedig ist, hunderte von Inseln mit Pfählen vereint. Zwischen Fischern, Bauern, Sammlern und Salzverkäufern errichteten einige Großgrundbesitzer von der Terra ferma ihre Refugien.
Damit die seichten Sandbänke Venedig zu tragen vermochten, bedurfte es eines neuen Fundaments: Dieses Fundament sind tausende und abertausende von Pfählen, senkrecht in den Grund gerammte Eichenstämme. Venedig erhebt sich auf einem versunkenen Wald. So wurde die Stadt auf etwa 150 nahe beieinanderliegenden flachen Inseln in der Lagune erbaut. Die Landzungen bei Chioggia und der Lido schützen die Lagune vor dem offenen Meer. Drei natürliche Durchgänge verbinden sie mit der Adria.
Das Hauptelement dieser Stadt war und ist das Wasser! Wasser, immer und überall, der natürliche Werkstoff dieser Stadt. Bereits Niccolò Machiavelli erkannte die Sonderlage Venedigs und die Kraft des Wassers.
Begünstigt durch diese unvergleichliche geographische Lage erhob sich Venedig zu der bedeutendsten Handels- und Seemacht des Mittelmeers. Das Meer verwehrte Angreifern den Zugang zur Lagune, und so konnte die Republik sich aus ganz kleinen Anfängen zu ihrer späteren Größe entwickeln. Die Serenissima (Serenissima Repubblica di San Marco) kontrollierte die wichtigsten Handelswege im Mittelmeerraum und fungierte als Brücke zwischen Orient und Okzident. Paläste und Kunstschätze der Stadt zeugen noch heute von ihrem einstigen Reichtum.
Ab dem 9. Jahrhundert entwickelte sich eine wachsende Autonomie der Gemeinde am Rivus Altus, dem Rialto, und die Oberhoheit der oströmischen Kaiser hatte nur noch einen formalen Charakter. So begann ab der 2. Hälfte des 10. Jh. Venedigs Aufstieg zu einer überregionalen Handels- und Seemacht. Handelsprivilegien im Tausch gegen militärische Hilfe durch die venezianische Kriegsflotte halfen Venedig beim Aufschwung zu eigener politischer Macht, dazu kamen das Knüpfen eines internationalen Netzwerkes, das auf Dauer die Handelswege für die venezianischen Flotten sicher machte, und ein Netz von Hafenstützpunkten unter der direkten Herrschaft der Serenissima. Die Machtverhältnisse zwischen der einstigen Provinzsiedlung in der Lagune und der Metropole am Bosporus verschoben sich zugunsten Venedigs, indem die Stadt im 12. Jahrhundert immer mehr Handelsfreiheiten bekam und letztendlich mit der Eroberung von Konstantinopel 1204 durch ein christliches Heer ganz die Freiheit gewann. Nicht nur zwischen Byzanz und Venedig hatte sich das Verhältnis geändert, auch auf der Apenninhalbinsel galt die Stadt in der Lagune inzwischen als politischer Machtfaktor ersten Ranges. Doch Venedig war an keiner territorialen Macht interessiert, sein Denken und Handeln wurde von wirtschaftlichen Handelsinteressen gelenkt: Der Blick der Venezianer war auf das Meer gerichtet.
Allerdings war der Republik nicht ganz gleichgültig, was auf dem Festland vor sich ging. Um seine eigenen Handelsinteressen zu wahren, verfolgte sie mit wachsender Sorge die Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser, den beiden obersten Autoritäten des christlichen Abendlandes. Der Papst fühlte sich und seine Vormachtstellung durch die wachsende Macht des Kaisers bedroht und verbündete sich zu seinem Schutz mit den norditalienischen Herzogtümern, was wiederum der Kaiser als Bedrohung verstand. Venedig kam in diesem Falle eine wichtige diplomatische Rolle zu, und so brachte Venedig die sich feindlich gesinnten Parteien mit viel Diplomatie und politischem Fingerspitzengefühl zu einem Friedensschluss: dem Frieden von Venedig 1177 zwischen Papst Alexander III. und Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Dieser Frieden war ein Meilenstein in der politischen Geschichte Venedigs und dem Verhältnis zwischen Papst und Kaiser in Europa. Mit diesem Frieden in Venedig wurde ein jahrhundertelang andauernder Streit zwischen Papst und Kaiser beigelegt, und als Dank dafür wurde die Serenissima mit Privilegien von beiden Seiten belohnt, die Venedigs politische Macht bestätigten.
Der Frieden von Venedig 1177: Kaiser Barbarossa unterwirdt sich Papst Alexander III. Gemälde von Francesco Salviati, 16. Jhr.
Diese Gunstbeweise wurden für die Venezianer die historische Begründung ihres wichtigsten Staatsfestes, der sensa, der rituellen Vermählung des Dogen mit dem Meer. Venedig sah sich nach diesem Friedensschluss als ausgleichende Macht zwischen den beiden Autoritäten und den Dogen als geradezu über Papst und Kaiser stehend. Eines stand fest, der Aufstieg der einstigen Siedlung im Sumpf zu einer europäischen Großmacht war damit besiegelt, Venedig befand sich im Zenit seiner Macht. Wenn auch diese Vormachtstellung nicht immer ganz unangefochten war. Genua und Venedig trugen immer wieder Konflikte um diese Handelsvormachtstellung im Orient aus, bis Venedig Genua letztendlich zurückdrängte und mit dem Friedensschluss von Turin 1381 den Rivalen faktisch ausgeschaltet hatte. Und mit dem Frieden zwischen Mailand und Venedig 1453 wurden auch die größten Konflikte auf dem oberitalienischen Festland beigelegt.
Venedig gehörte nun zu den Hauptakteuren auf dem europäischen Parkett und spielte über einen Zeitraum von fast 300 Jahren eine maßgebliche Rolle in der europäischen Politik.
Venedigs Geheimnis der Macht war ohne jeden Zweifel eine Verfassung, die eine enorme innere Stabilität garantierte; hinzu kamen der immense Reichtum, die diplomatische Überlegenheit und die Toleranz gegenüber religiösen und philosophischen...
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