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Seine bevorzugte Waffe ist das Rasiermesser. Mit ihm nähert er sich leise aus der Dunkelheit. Er ist auf der Suche nach seinem nächsten Opfer, denn sein Impuls zu töten ist übermächtig ... Thornhill hat schon viele Menschen getötet. Die kürzlich eröffnete Weltausstellung lockt Tausende Besucher nach Chicago. Dort kann er in der Masse der Touristen untertauchen und auf Jagd gehen. Doch schon bald macht er sich Feinde unter den Gangs der Stadt. Schnell sind die ersten Toten zu beklagen - und Thornhill wird vom Jäger zum Gejagten.
Viele, die auf ihrem Weg zur Arbeit oder auch aus anderen Gründen mehr oder weniger regelmäßig an dem Hotel vorbeikamen, nannten es schlicht die Burg. Auch Thornhill lag dieses Wort ganz instinktiv als Allererstes auf der Zunge, als er aus der Tram stieg und mit der linken Hand die Melone zurechtrückte, mit der er seit Jahren den immer schneller werdenden Vormarsch seiner Geheimratsecken zu kaschieren versuchte.
Dabei tat die Bezeichnung Burg dem beeindruckenden Gebäude mit seinen modernen Ziegelsteinwänden, den großen Fenstern und kühn vorspringenden Erkern mehr als unrecht, denn es stach ganz im Gegenteil eher positiv aus der Masse der umliegenden Gebäude heraus.
Und dennoch: Das große dreigeschossige Haus hatte etwas Bedrohliches. Es war nicht mit Händen zu greifen und auch nicht mit Worten zu beschreiben, sondern eher wie ein unsichtbarer Schatten, der sich vor das Sonnenlicht schob und ihm einen winzigen Teil seiner Leuchtkraft stahl; jenen Teil, der nicht den Körper, sondern die Seele wärmt.
Was für ein seltsamer Gedanke, der so gar nicht zu ihm passen wollte . und aus dem er auch unsanft und von einem ungeduldigen Schrillen herausgerissen wurde.
Thornhill brauchte noch eine weitere halbe Sekunde, um zu begreifen, dass er mit einem Fuß noch immer auf dem Trittbrett der Tram stand und sie so am Weiterfahren hinderte, und die andere Sekundenhälfte, um den Fehler zu berichtigen und ganz auf die Straße hinabzutreten. Er hatte es noch nicht ganz geschafft, da setzten sich die beiden muskulösen Zugpferde schon wieder in Bewegung, und die Tram rollte auf ihren eisernen Schienen weiter.
Das Gefährt bildete einen sonderbaren Kontrast in sich, vereinte es doch die beinahe altmodischste Art der Fortbewegung mit den modernen Schienenfahrzeugen, die mehr und mehr das Bild der Städte bestimmten. Thornhill ertappte sich dabei, so lange stehen zu bleiben, bis es den Platz überquert hatte und verschwunden war. Dann ergriff er seine Tasche fester, rückte noch einmal die Melone zurecht und nahm sowohl den Weg zum Hotel als auch seinen letzten Gedanken wieder auf. Sicher, es war ein beeindruckendes Gebäude, aber es machte ihm Angst.
Vielleicht lag es ja auch an der ganzen Gegend. Chicago an sich genoss schon keinen guten Ruf, aber Englewood war in einer schlecht beleumundeten Stadt zweifellos das Viertel, über das man am meisten die Nase rümpfte, ein Viertel, auf das nicht nur der Rest Chicagos hinabsah. Selbst die meisten Einwohner Englewoods waren mittlerweile Opfer des üblen Rufes geworden, den sie sich so mühsam erarbeitet hatten, und trauten sich nach Sonnenuntergang kaum mehr aus ihren Häusern.
Aber darüber wollte sich Thornhill nicht beschweren. Schließlich war er aus keinem anderen Grund hergekommen.
Ein Velofahrer kam ihm entgegen und entblödete sich nicht, ausgiebig die Klingel seines obszönen Gefährts zu betätigen, obwohl die Straße nun wirklich breit genug war, um ihm auszuweichen. Thornhill setzte seinen Weg unverdrossen fort und verzichtete sogar darauf, dem Fahrer auch nur einen bösen Blick nachzuwerfen. Stattdessen tröstete er sich mit dem Gedanken, was er ihm hätte antun können, wenn ihm danach gewesen wäre.
Der Wind drehte und trug einen Übelkeit erregenden Schwall des typischen Chicago-Gestanks heran, den er fast noch unerträglicher fand als den Anblick der Armut und Kriminalität ringsum.
Das Erdgeschoss des großen Eckgebäudes bestand fast komplett aus Ladenlokalen: einer Apotheke, einem kleinen Barber-Shop und einem noch kleineren Gemischtwarenladen, wie man sie fast ausschließlich in Vierteln wie diesem fand und die alles und nichts im Angebot hatten; und einen Gutteil davon vermutlich illegal. Thornhill nahm sich vor, sich demnächst das Ladengeschäft etwas genauer anzusehen und vor allem seinen Besitzer einer unauffälligen Überprüfung zu unterziehen, steuerte nun aber mit schnelleren Schritten den Haupteingang des Hotels an.
Zu seinem Erstaunen protzte der Eingang mit einer modernen Drehtür, wie man sie eher in Gebäuden und Hotels erheblich höherer Preisklasse erwartete, und die ihn in ein ebenfalls unerwartet großes, geschmackvoll eingerichtetes Foyer beförderte. Thornhill war ein wenig verwundert, und ein ganz kleines bisschen verwirrt. Selbstverständlich hatte er diskrete Erkundigungen über das Hotel eingezogen, bevor er sich auf den Weg nach Chicago gemacht hatte. Er wusste sowohl, dass sein Besitzer ein mäßig talentierter Arzt war, der auch vom Hotelgewerbe nicht viel verstand, als auch, dass sich seine Umsätze in Grenzen hielten; um es sehr diplomatisch zu formulieren.
Oder um es in einfachere Worte zu kleiden: Der Kerl brachte es fertig, mit seinem Hotel rote Zahlen in einer Stadt zu schreiben, die seit Wochen praktisch aus den Nähten platzte und in der man eigentlich meinen sollte, dass freie Zimmer mit Gold aufgewogen wurden.
Passend zu seinen Überlegungen war das Foyer menschenleer. Die Theke glänzte wie frisch poliert. Darauf befand sich eine große Messingklingel und ein in teures Leder gebundenes Gästebuch mit einer altmodischen Schreibfeder samt Tintenfass. Die meisten Zimmerschlüssel hingen unbenutzt in ordentlichen Reihen an der Wand dahinter, statt sich in den Taschen zahlender Gäste zu befinden, wo sie eigentlich hingehörten.
Thornhill stellte die Tasche ab, betätigte die Glocke und ließ höfliche zwanzig Sekunden verstreichen, bevor er noch einmal, und jetzt schon etwas weniger zurückhaltend, draufschlug. Irgendwo begann es zu rumoren, und er meinte, näher kommende Schritte zu hören.
Die Wartezeit bis zu ihrem Eintreffen vertrieb er sich damit, das Gästebuch herumzudrehen und ungeniert aufzuschlagen, um es zu studieren. Was er auf den auf feinstem Büttenpapier gedruckten Seiten las, das bestätigte seinen allerersten Eindruck dieses sonderbaren Hotels noch: Es war praktisch leer. Nur zwei von mehr als zwei Dutzend Zimmern waren belegt - und dabei war das, das er telegrafisch reserviert hatte, schon mitgezählt -, und auf den vorherigen Seiten sah es nicht viel besser aus. Thornhill war weder Buchhalter, noch interessierte er sich auch nur die Bohne für Zahlen, aber weder das eine noch das andere war nötig, um zu erkennen, dass die schöne Fassade nur Schein war und das famose Hotel kurz vor dem Bankrott stand.
Eine Tür klappte, und endlich näherte sich eine Frau schwer zu bestimmenden Alters. Sie war schlank und sauber, wenn auch für eine Umgebung wie diese eine Spur zu schäbig gekleidet. Sie hatte schwarzes Haar, das vermutlich prachtvoll ausgesehen hätte, wäre es nicht zu einem unattraktiven Dutt zusammengebunden. Auch ihr Gesicht hatte einen strengen Zug, der ihm viel von der unzweifelhaft vorhandenen Anmut nahm.
Den Rest erledigte ihr Benehmen. Und ihre Stimme, die sich anhörte, als begänne sie jeden Morgen damit, mit Metallspänen und Whiskey zu gurgeln.
»Das nicht für Gäste«, sagte sie mit einem schweren slawischen Akzent und klappte das Gästebuch mit einem Knall zu, sodass Thornhill gerade noch die Finger zurückziehen konnte. »Doktor nicht da.«
»Ich suche auch keinen Arzt, sondern habe ein Zimmer reserviert«, antwortete Thornhill, wohl wissend, dass die feine Ironie bei seinem Gegenüber nicht ankommen würde. Wahrscheinlich verstand sie nicht einmal die Worte, denn sie wiederholte nur: »Doktor nicht da.«
»Mein Name ist Porter«, stellte er sich unter der falschen Identität vor, die er sich für diese Reise zugelegt hatte; und wie es seine Art war, nicht die einer erdachten, sondern einer real existierenden Person, eines wohlhabenden Kaufmanns aus Boston, der die Weltausstellung aus geschäftlichen Gründen besuchte.
»Dann geben Sie mir doch einfach den Meldezettel, und ich fülle ihn selbst aus«, schlug er vor, während er sich - allerdings mit eher klinischem Interesse - fragte, ob ihr Gesicht wohl noch nennenswert blasser werden würde, wenn er ihr die Kehle aufschnitt und zusah, wie sie ausblutete. Wahrscheinlich nicht.
»Doktor nicht da«, sagte sie noch einmal. Sie sah weder das Meldebuch an noch seine Ausweispapiere, die er zusammen mit der telegrafischen Buchungsbestätigung aus der Tasche zog und auf den Tresen legte. Thornhill spürte, wie Zorn in ihm erwachen wollte, aber dann begriff er, dass sie des Lesens vermutlich gar nicht mächtig war. Seine wieder frei gewordene Hand glitt erneut in die Jackentasche und strich über den Perlmuttgriff des rasiermesserscharfen Todes, den er darin trug. Aber er führte die Bewegung ebenso wenig zu Ende wie den weitergehenden Gedanken. Noch nicht.
»Und wo ist der . Doktor?«, fragte er stattdessen. Doch. Genau jetzt. Die Gelegenheit ist günstig. Es gibt keine Zeugen. Niemand hat dich gesehen.
Niemand außer dem Velofahrer. Den anderen Fahrgästen der Tram, und dem Schaffner, bei dem er nicht nur sein Billett gelöst, sondern sich leichtsinnigerweise auch noch nach dem Hotel erkundigt hatte.
Er widerstand nicht nur dem Impuls, noch einmal nach dem Rasiermesser zu greifen, sondern verdrängte dessen bloße Existenz auch für den Moment aus seinen Gedanken und trat einen großen Schritt von der Theke zurück, um die räumliche Distanz zwischen ihnen zu vergrößern. Manchmal reichte schon zu viel Nähe, um sein Verlangen schier übermächtig werden zu lassen. Daher hatte er sich schon vor langer Zeit angewöhnt, einen Sicherheitsabstand von mindestens einer Armeslänge zu allen anderen Menschen einzuhalten, wenn es nur ging.
»Doktor draußen«, antwortete sie mit einiger Verspätung auf seine Frage und einem unwilligen Handwedeln in keine bestimmte Richtung. Sowie...
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