Schweitzer Fachinformationen
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In diesem ersten Kapitel werdet ihr gleich merken, dass das ganze Thema Nachhaltigkeit, nachhaltiger Lebensstil und die Frage, wie wir zusammenleben wollen, an Menschen hängt. An ihren Haltungen, Einstellungen und Fragen. Und somit hängt das Thema auch an dir und mir. Es hängt an euren und meinen Fragen, unserem Suchen und unseren Überzeugungen. Und das ist gut so. Denn nur, wenn ihr überzeugt seid, seid ihr auch am Start. Dass ihr aber nun manchmal zweifelt und mit anderen Überzeugungen nicht zurechtkommt, ist völlig normal. Ich wundere mich manchmal auch, wie andere denken und sich von Argumenten anderer leiten lassen. Daher will ich mit euch im ersten Kapitel zum einen bei ein paar Argumenten genauer hinschauen und dann eure und meine Überzeugung für eine andere Welt anschauen. Neugierig geworden?
Ich sitze in einem Seminar und wir diskutieren über Nachhaltigkeit, ihre Auswirkungen, wie wir nachhaltig sein können und dabei Dilemmata (vgl. "Ich will eine andere Welt! Dilemmata und Utopie") aushalten können. Am Ende steht eine rund 40-jährige Teilnehmerin auf und sagt genervt: "Wir mussten uns als Kinder das Badewasser teilen. Wir hatten kalte Zimmer, es gab oft nur das, was wir auf dem Feld anbauen konnten. Meine Kinder sagen mir, dass wir viel mehr Geld hätten, wenn wir in Bitcoin investieren würden. Und in all dem soll es auf meine Einstellungen und Entscheidungen ankommen? Bei den vielen Entscheidungen zur Nachhaltigkeit kann ich mir gefühlt alles schönreden und begründen. Das ist alles echt relativ. Und dann frag ich mich ehrlich, was das hier überhaupt bringen soll. Wenn andere in China oder sonst wo in der Welt sich gar nicht dranhalten und das, was ich verbessere, von anderen kaputt gemacht wird oder genutzt wird, um noch mehr produzieren zu können. Die ganze Diskussion hier ist scheinheilig und bringt nichts." Dann nahm sie frustriert ihre Sachen und ging.
Im Grund konnte ich zu allem, was sie gesagt hat, Ja sagen und dass ich sie und ihre Situation verstehe - denn in vielen Fragen fühl ich mich genauso hilflos und suche nach Orientierung. Dennoch muss ich ein: "Ja genau, ABER" einfügen. Denn zu vielen Aussagen und Kritiken an einem nachhaltigen Lebensstil gibt es eben auch andere Aspekte. Vier dieser Aussagen möchte ich näher anschauen:
Jean Philippe Kindler schreibt in seinem bemerkenswerten Buch zu Selbstliebe einen fatalen Satz zur Wirksamkeit individuellen Handelns, der mich lange beschäftigt hat: "Es ist aber viel eher so, dass wir als Privatpersonen uns noch so tugendhaft und klimafreundlich verhalten können, der Planet geht an anderen zugrunde."[1] Zu der Zahl, dass "die hundert größten Konzerne für 70% des ausgestoßenen CO2 verantwortlich sind"[2] kann man nur sagen: er hat Recht. Aber wenn 50% aller in Deutschland lebenden Menschen ihr (Konsum- und Freiheits-) Verhalten ändern, wird das auch Auswirkungen auf die zehn größten Konzerne haben - wenn dazu noch 50% aller anderen Europäer sich anschließen, werden Konzerne gar nicht mehr umhinkommen, etwas zu tun. Also ist einer der wichtigen Schritte zur nachhaltigen Veränderung der, dass viele sich individuell ändern.
Die Folgen so eines kollektiven Wandels waren während der Corona-Zeit zu spüren. Insgesamt ist laut verschiedener Studien während des Corona-Jahres 2020 durch die wenigen Reisen und Produktionsrückgänge die CO2-Emission global um rund 7% zurück gegangen. Leider hat dieser Rückgang langfristig keine Auswirkungen, weil die Nachfolgejahre den Effekt verpuffen lassen haben. Aber immerhin: der Effekt individueller Handlung (v.a. wenn sie von vielen geleistet wird) ist belegbar - es kommt sehr wohl auf die individuelle Ebene an! Und in Bündelung mit kollektiven Maßnahmen wird sie deutlich sehr spürbar. Dabei ist nicht zu vergessen, Einfluss auf das System zu nehmen. Und zu prüfen, was im Einzelfall wichtiger ist: Überspitzt gesagt gilt es abzuwägen, ob ich einen individuellen Umweg von 68 Minuten mache, um eine Gurke zu retten oder diese 68 Minuten in die Organisation einer Demonstration für gelungenere Fahrradwege in meiner Stadt investiere.[3]
In einem ländlichen Teil Burundis hatten wir die Möglichkeit, eine Ausbildungsstelle zu bauen. Die Kirche hatte ein Gelände bekommen, wir konnten Finanzen aus verschiedenen Töpfen zusammenführen und gingen nach einer kurzen Bauzeit mit einem Curriculum an den Start. Auf Grund der Stromversorgung und der damals sehr teuren IT-Ausstattung bildeten wir dort Menschen in Sekretariatsarbeiten aus - inklusive Schreibmaschinenkurs. In den Dörfern hatten Menschen, die mit einer Schreibmaschine Briefe oder Dokumente schreiben konnten, immer wieder Aufträge - in sogenannten Schreibstuben.
Nach drei Jahren mussten wir die Ausbildung mit rund dreißig ausgebildeten jungen Menschen aufhören. Unsere Pläne, dass sie in verschiedenen Ämtern, Schreibstuben oder Büros anschließend eine Beschäftigung bekamen, konnten aus verschiedensten Gründen nicht umgesetzt werden. Viele Faktoren lagen außerhalb unseres Einflusses: fehlende Parteizugehörigkeit, nicht vorankommende Elektrifizierung oder zu wenig finanzielle Kooperation mit anderen Institutionen. Eine Reaktion, die mir als Projektverantwortlichem oft begegnete, waren die Fragen: "Hat sich das alles denn gelohnt? So viel Geld und Zeit zu investieren?" Sicher gab es Punkte im Projektdesign usw. zu verbessern - aber der Punkt, um den es hier geht, ist, dass wir über drei Jahre hinweg, dreißig junge Menschen prägen konnten und ihnen Zugang zu Bildung, dem Arbeitsmarkt und sinnhafter Gemeinschaft geben konnten. Lohnt sich das?
Mir fällt dieses Beispiel ein, wenn es darum geht, ob sich ein Engagement auch schon für einen kurzen Effekt lohnt. Und v.a. auch wenn es Gefahr läuft, zu stoppen oder "kaputt gemacht zu werden" wie es die oben erwähnte Frau in Bezug auf ihre nachhaltigen Veränderungen fühlte.
Eine Erfahrung, die wir immer wieder machen - beim Sandburgenbauen am Meer, beim Aufstellen von Steinmännchen, Abstellen von Fahrrädern an Bahnhöfen, Suchmeldungen für eine vermisste Katze - ist: das bewusste oder unbewusste Tun von anderen - sei es Natur, Mensch oder einfach Schicksal - zerstört unsere Hoffnung und unser Tun. Gutes, das wir tun, kommt nicht an, findet ein Ende oder wird von anderen kaputt gemacht. So what? Die Alternative, nichts zu tun, nichts zu ändern und sich nicht auf den Weg zu machen und ggf. aus Fehlern zu lernen, bringt, egal in welchem Bereich, nichts anderes als Stillstand und Verharren und nimmt die Chance zur Veränderung. Daher ist Martin Luthers dickköpfige Haltung ("Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.") mir in diesen Fragen ein Vorbild.
Neben dieser Tatsache, deren Akzeptanz ein wichtiger Bestandteil von unserem Leben ist, gilt es hier einen anderen Blickwinkel einzunehmen:
WIR machen es kaputt!
Vielen anderen wird weltweit durch unser Wirtschaften, unsere Mobilität oder kurz gesagt unserem Lebensstil das Leben kaputt gemacht. Es geht also gar nicht darum, dass die individuellen Effekte meines nachhaltigeren Lebensstiles durch Wirtschaften in anderen Ländern relativiert oder überholt wird. Sondern im Gegenteil: durch unser unachtsames Tun, zerstören wir die Lebensgrundlage von anderen. Dies wird in vielen Statistiken sehr deutlich.
Wir sitzen mit Freunden beim Frühstück und unterhalten uns über alles Mögliche. Weil ich nicht anders kann, lenke ich das Gespräch auf das Thema Nachhaltigkeit. Ein Jugendlicher sagt dann Folgendes: "In meinem Umfeld wird das alles kritisch gesehen. Nicht mal, dass bei dem Thema ne' Ideologie dahinter steht, sondern, dass man es auch nicht vorgelebt bekommt. Zum Beispiel, wenn Baerbock Kurzflüge zu einem Fußballspiel macht[4] - wieso soll ich mich dann einschränken und vor allem durch die steigenden CO2-Abgaben noch mehr für den Diesel bezahlen? Wir wohnen im ländlichen Raum und sind hier nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln mobil." Letzteres stimmt - ich habe es einmal nachgeschaut, zu diesen Freunden mit Bus und Bahn zu kommen, das war selbst mir als widerstands- und leidensfähigem Bahn-Masochisten zu viel. Aber das Argument "so lange Baerbock solche Flüge macht" kann ich dann doch nicht stehen lassen. Mir ist es zwar völlig unverständlich, dass eine grüne Außenministerin sich so einem Diktat unterwirft und ihr Amt so gestaltet. Und es ist richtig, dieses anzuprangern.
Aber Jammern und auf andere zu...
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