REGELN UND BESONDERHEITEN
In der Hund-Hund-Kommunikation, aber auch in der Mensch-Mensch-Kommunikation gibt es bestimmte Regeln, die Auskunft darüber erteilen, ob Verhalten offensiv, ausladend und unhöflich oder defensiv, einladend und freundlich gemeint ist. Wir drücken mit Anwendung dieser Regeln nicht nur unsere Stimmung und unsere Emotionen aus, sondern erzeugen damit natürlich auch beim Gegenüber Stimmungen und Reaktionen.
Egal ob Hund oder Mensch: Unsere Kommunikation ist in vielen Fällen völlig übereinstimmend, es gelten die gleichen Regeln. Und da das so ist, scheinen diese Regeln auch in der zwischenartlichen Mensch-Hund-Kommunikation, zumindest tendenziell, zu funktionieren.
GRUNDLEGENDE TENDENZ
Sind die kommunizierenden Körperteile und Bewegungen nach oben () und nach vorne () ausgerichtet, wirkt das Individuum aufmerksamer, selbstbewusster, unangreifbarer, offensiver, ausladender, abgrenzender oder auch unhöflicher, als wenn sie nach unten () und nach hinten oder seitlich () gewandt sind, was eher Schüchternheit, Unsicherheit, Ängstlichkeit, Rückzug/Deeskalation bzw. einladende Freundlichkeit vermitteln kann.
Im ersten Fall versucht das Individuum sich größer zu machen, im zweiten Fall kleiner. Wir müssen bei der Regel auch die Oberflächenvergrößerung bzw. -verkleinerung berücksichtigen, wie zum Beispiel bei hochgezogenen Schultern. Zwar geht die Bewegung scheinbar nach oben, was laut Geometrie der Körpersprache ausladend und offensiv (/) bedeuten müsste, in Wahrheit aber zieht sich das Individuum bei dieser Bewegung, meist in Kombination mit einem gerundeten Rücken (also), zusammen und macht sich kleiner, "unsichtbarer". Es gilt also hier eher die "unten/hinten"-Regel (/).
© Frieder Krohmer/Altelier Krohmer
Übereinstimmende Geometrie der Körpersprache
© Anna Auerbach/Kosmos
Nach oben/vorne oder nach hinten/unten? .
© Anna Auerbach/Kosmos
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. Die Bedeutung von Körpersprache folgt bestimmten Grundtendenzen.
© Anna Auerbach/Kosmos
MISCHFORMEN
Natürlich gibt es auch Mischformen, wenn unterschiedliche Körperteile unterschiedlichen Ausrichtungen folgen, was zum Beispiel Unentschlossenheit und Übersprung ausdrückt oder für eine Art der Kommunikation steht, die nur uns Menschen zu eigen ist: die Lüge oder die Ironie, die das Gegenteil dessen ausdrückt, was wir fühlen oder meinen. Ziehe ich eine Augenbraue nach oben, bedeutet dies nicht automatisch, dass ich mich gerade über etwas ärgere, sauer bin oder drohen möchte, sondern vielleicht sogar im Gegenteil, dass ich gerade amüsiert bin und ironisch schaue, weil mein Hund durch unauffällig auffälliges Herumschleichen versucht, Wurst vom Tisch "wegzufinden".
GESAMTKÖRPER-DISPLAY
Für den Hund ist die Augenbraue in solchen Fällen natürlich schwer zu interpretieren, denn sie geht nach oben, ohne die Bedeutung nach oben/vorne gerichteter Körperteile zu haben. Doch ziemlich sicher wird er nicht nur die Augenbraue in seine Abwägungen einbeziehen, sondern das Gesamtkörper-Display. Das Gleiche tut er auch in Hund-Hund-Begegnungen: Hunde untereinander zeigen häufig sehr gegensätzliche und schnell wechselnde Körpersprach-Displays aufgrund wechselnder Emotionen innerhalb einer Situation, die das Gegenüber im Idealfall alle wahrnehmen und bewerten sollte, um angemessen handeln zu können. Eine anspruchsvolle Lernaufgabe, die nur mit entsprechenden Erfahrungen und durch Kontakte zu unterschiedlichen Hunderassen bewältigt werden kann.
© Anna Auerbach/Kosmos
Hunde beobachten uns den ganzen Tag und interpretieren unser Verhalten.
KOMBISIGNALE
Der Hund wird also auf die Ausrichtungen der Körperteile im Einzelnen und in Summe (siehe auch Kapitel "Kombisignale"), je nachdem reagieren und uns damit zeigen, wie er uns interpretiert und verstanden hat: Er wird mehr oder weniger Distanz einnehmen, er wird sich abgeschreckt abwenden oder erfreut zuwenden. Er wird sich provoziert fühlen und angreifen oder beschwichtigt und befriedet weggehen oder sich sogar unterwürfig auf den Rücken legen.
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Verschiedene Menschen, verschiedene Kombisignale. Für einen Hund nicht immer einfach zu interpretieren.
GEOMETRIE VON KOPF BIS FUSS
Schau dir die folgende Tabelle an. Sie beschreibt die oben beschriebenen Regeln der Geometrie am Beispiel einzelner menschlicher Körperteile, angefangen vom Kopf bis hinunter zu den Füßen. Da es sich, wie bereits erwähnt, nur um Tendenzen handelt, gibt es natürlich immer auch Ausnahmen oder mehrdeutiges Ausdrucksverhalten, das unterschiedliche Interpretationen zulassen kann.
AUFGABE
Stell dich vor den Spiegel oder suche dir eine Partnerin/einen Partner und probiere verschiedene Ausdrucksverhalten ganz bewusst aus. Welche Emotionen erzeugst du damit bei deinem Gegenüber?
KOMMUNIKATION VON KOPF BIS FUSS
Ausrichtung nach vorne/oben (/):
WIRKUNG:
ausladend / offensiv / aufmerksam / selbstbewusst / angespannt / unhöflich
Ausrichtung nach hinten/unten (/):
WIRKUNG:
einladend / defensiv / unsicher / ängstlich / schüchtern / unterwürfig / freundlich
Stirn
nach oben gezogen, gerunzelt, "konzentriert"
entspannt, glatt
Augenbrauen
hoch- bzw. zusammengezogen
glatt, neutral
Augenlider
hochgezogen
hängend, gesenkt, neutral
Augen
starr, hart, fixierend, weit offen
weich, blinzelnd, leicht geschlossen
Blick
gerade, direkt
vermeidend, nach unten, zur Seite gerichtet
Nasenlöcher
geweitet
normal geöffnet
Mundwinkel
Lippen kurz, nach vorne gezogen, gespitzt, zusammengepresst, angespannt
nach hinten gezogen, weich, leicht geöffnet, Zähne zeigend; nach unten gezogen
Kinn
nach vorne gedrückt, entschlossen
nach unten fallend, weich, versonnen
Hals
gestreckt, steif
zusammengezogen, eingesunken
Schultern
gerade, durchgedrückt, heruntergedrückt (Oberflächenvergrößerung)
hoch- bzw. zusammen- oder nach vorne gezogen (Oberflächenverkleinerung), schlaff nach unten hängend
Brust
nach vorne, herausgedrückt
zusammengesunken, eingefallen
Arme
nach vorne ausgestreckt, steif, gerade, verschlossen vor der Brust verschränkt
locker hängend, zur Seite ausgebreitet, hinter dem Rücken verschränkt
Hände/Finger
weit geöffnet, Handinnenfläche nach vorne gerichtet, ausgestreckte Finger, Faust nach vorne ausgestreckt
locker, weich, Hand hängt herunter; Faust nach unten zeigend ("die Faust in der Tasche")
Rücken
gerade durchgedrückt, gestreckt
krumm, rund, "rückgratlos", lasch, "wie ein Schluck Wasser in der Kurve"
Po
angespannt, hochgezogen
schlaff, locker
Beine/Knie
durchgedrückt, steif
stehend angewinkelt, lockerer Stand, hockend
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