Schweitzer Fachinformationen
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Im Jahr 1998 stand ich in einem Buchladen und sah ein Buch, dessen Titel mich interessierte: Tigerfeeling - Das sinnliche Beckenbodentraining von Benita Cantieni. Ich kaufte es aus fachlichem Interesse. Als niedergelassene Frauenärztin war der Beckenboden bzw. die Schwäche des Beckenbodens ein tägliches Thema in der Praxis.
Die sogenannte Blaseninkontinenz - unfreiwilliger Urinabgang -, zuerst bei Belastung, dann auch einfach so, ist eines der Symptome einer Beckenbodenschwäche. Sie ist sehr unangenehm und lästig. Sie tritt etwas häufiger auf bei Frauen, besonders nach mehreren Entbindungen, in höherem Alter aber auch bei vielen Männern.
Bei dem Symptom Inkontinenz wird oft der Beckenboden auf verschiedene Weise behandelt: mit gymnastischen Übungen, elektrischer Stimulation, Operationen. Der Effekt dieser Therapien ist manchmal nicht ausreichend oder nicht anhaltend.
Neben der Blaseninkontinenz hat die fehlende Aktivität im Bereich des Beckenbodens noch zahlreiche andere Auswirkungen: Rückenprobleme, Gelenkerkrankungen, Organsenkungen und andere. Das wird beim Lesen des Buchs, das Sie gerade in den Händen halten, immer deutlicher werden. Behandelt wird dann meist die Auswirkung - zum Beispiel die Hüftgelenksarthrose -, nicht die fehlende Aktivität im Bereich des Beckenbodens.
Zurück zu 1998: Ich begann "Tigerfeeling" zu lesen, lachte am Anfang über den versteckten Humor und die unverblümte Offenheit der Autorin. Bei den Übungsbeschreibungen wunderte ich mich damals. Ich selbst hatte meinen Patientinnen den Beckenboden bis dahin anders erklärt und auch anders zum Üben angeleitet.
|22|Ich versuchte, die Übungen aus dem Buch selbst zu machen. Zuerst war es gar nicht einfach, die Muskeln so zu aktivieren, wie es Benita Cantieni beschreibt. Ich brauchte eine Weile, um mein Bewusstsein dahin zu lenken, wo - sehr ungewohnt - der Beckenboden sein soll. Dann, nach kurzer Zeit, bemerkte ich ein neues Beckenbodengefühl. Ganz anders als das Trainieren der äußeren Schichten des Beckenbodens wird mit den Übungen aus "Tigerfeeling" die innerste Schicht, der Musculus levator ani, bewusst gemacht und aktiviert. Zuerst merkte ich nur wenig. Nach ein paar Tagen wurde es immer eindeutiger. Es fühlte sich gut an. Auch ohne Beckenbodenprobleme tat diese Art, mit dem Körper zu arbeiten, einfach gut.
Ich begann in meiner Praxis, den Patientinnen mit "Beckenbodenschwäche" kurz das neue Prinzip zu erklären, empfahl das Buch und bestellte die Betroffenen nach drei Wochen zur Kontrolle. Das Tiger-Training wirkte. Wer wirklich übte, half sich selbst. Die Beschwerden ließen nach und auch der Untersuchungsbefund wurde besser. Schön. Sehr schön!
Damals forschte ich nicht weiter nach Informationen über die Cantienica-Methode oder nach Folgebüchern. Ich war zufrieden mit dem, was ich gefunden hatte. Jahre später, Anfang 2005 und damals auf Lanzarote, saßen wir in einer kleinen Gruppe zusammen: Mein Kollege und Freund Dr. med. Fritz Hemmerich, seine Frau Annette Hemmerich, Mal-, Stimm- und Feedback-Therapeutin, Anna van Zelderen, Physiotherapeutin und rhythmische Masseurin, und ich. Wir sprachen über Herzkohärenz. HRV (heart rate variability: Variabilität des Herzschlags) ist eine gut erforschte und sehr wirksame Methode, um im Feedback-Verfahren die Kohärenz und die Variabilität des Herzrhythmus zu steigern. Kohärenz und Variabilität des Herzrhythmus wiederum haben einen Effekt auf den Gesundheitszustand des ganzen Körpers. Nehmen beide zu, können Krankheitssymptome zurückgehen. Das gilt für verschiedene Symptome und Erkrankungen, nicht nur sogenannte Herzprobleme. Damals wusste ich noch nicht, dass HRV eine wichtige Rolle bei dem Thema ventraler Vagus spielt.
Fritz Hemmerich beschäftigte sich sehr intensiv mit HRV. Er erzählte, wie durch bewussten und gezielten Einsatz des Beckenbodens die Variabilität des Herzrhythmus schnell zunimmt. Die Variabilität ist ein Indikator für die zur Verfügung stehende Lebensenergie (und die Aktivität des ventralen Vagus). Das ist erstaunlich: Die Aktivierung des Beckenbodens steigert ohne Medikamente, ohne Kurmaßnahmen, ohne sonstige Therapie sofort die zur Verfügung stehende Energie. Wir sprachen ausführlich über dieses Phänomen und kamen dann auf "Tigerfeeling" zu sprechen. In diesem Zusammenhang entdeckten wir die Cantienica-Methode noch einmal. Vieles hatte sich methodisch verändert, war feiner geworden in den vergangenen Jahren. Bei "Tigerfeeling" geht es um viel mehr als nur um den Beckenboden. Das merkte ich jetzt erst.
Im Sommer desselben Jahres hatte ich nacheinander drei Erlebnisse, die mich von der Wirksamkeit der Cantienica-Methode noch mehr überzeugten (Ich hatte |23|mir inzwischen das "Tigerfeeling" der zweiten Generation bestellt und übte wieder danach.)
Das erste Erlebnis verschaffte mir eine Sängerin mit Rücken- und Hüftbeschwerden. Wir sprachen lange über den Einsatz der inneren Beckenbodenschicht. Ich lieh ihr mein "Tigerfeeling" aus, und sie übte an einem Tag mehrere Stunden. Ihr Rücken veränderte sich dabei so stark, dass ich bei der nächsten Untersuchung nach einigen Tagen kurz dachte, ich hätte die Patientin verwechselt.
Das zweite Erlebnis war die seelische Wirkung der Übungen bei einer Frau mit Depressionen. Sie beschrieb nach einigen Tagen intensiven Übens, wie anders sie ihren Körper jetzt wahrnehme und wie gut ihr das tue. Sie fühlte einen neuen Halt und eine Kraftquelle im Bauch und merkte, wie positiv das auf ihre Gemütslage wirkte.
Besonders eindrücklich war eine Patientin, die jedes Jahr wegen Rückenschmerzen in unser Therapiehaus kam. Wir behandelten sie mit lokaler Hyperthermie (mit einem Gerät, das eine aktive Erwärmung in allen Schichten des behandelten Körperbereichs anregt und deswegen zu einer Tiefenentspannung führt). Anschließend ging es ihr immer einige Monate gut. Damit war sie zufrieden gewesen. Andere Therapien hatten bis dahin nicht so lange geholfen. In diesem Jahr kam sie, begrüßte mich freudig und sagte, sie brauche jetzt keine Hyperthermie mehr, sie trainiere mit der Cantienica-Methode.
Im Dezember 2005 begann ich selbst mit der Ausbildung Cantienica-Beckenbodentraining. Gleich nach dem ersten Baustein setzten wir die Methode therapeutisch ein. Die rasche Wirkung bei Haltungsschwächen, Rückenschmerzen und Gelenkproblemen war eine Freude für alle Beteiligten.
Innerhalb von zwei Jahren machte ich dann die ganze Ausbildung in Zürich. Ich gab Kurse in kleinen Gruppen - schwerpunktmäßig wendete ich die Methode in Einzeltherapien an. Dabei gab es oft schöne Überraschungen.
Auch ich selbst profitierte zunehmend von den Übungen. Ich hatte auch bei schwerer körperlicher Arbeit keine Rückenschmerzen mehr, insgesamt mehr Kraft, wurde beweglicher, 2,5 cm größer usw.
In der Arbeit mit meinen Patientinnen und Patienten war es beeindruckend zu erleben, wie schnell sich anatomische Strukturen verändern können, wie sich die Aufrichtung optimiert, die Wirbelsäule streckt, abgenutzte Gelenke heilen können und wie ein erwachsener Mensch die Altersschrumpfung aufhalten kann und seine Ursprungsgröße wieder gewinnt.
Aufrichtig aufrecht: Die Aufrichtekraft ist ein Schwerpunkt-Thema von Benita Cantieni. Die Aufrichtekraft im Körper formt mit an Wirbelsäule, Becken, Gliedmaßen, Schädel, sie wirkt auf die Organfunktionen, Gesamthaltung und Ausstrahlung eines Menschen. Wenn wir sie nicht bewusst pflegen und üben, geht sie uns heute immer mehr verloren. Wir werden zunehmend selbst dafür verantwortlich, den eigenen Körper aufrecht zu halten.
|24|Darüber hinaus hat die Aufrichtekraft auf verschiedenen anderen Ebenen eine Bedeutung. Aus seelischen niedergedrückten Stimmungen sich aufzurichten, aus sozialen Gruppenzwängen auszutreten, aus einer biografischen Krise gestärkt und authentisch hervorzugehen - das alles erfordert Achtsamkeit,...
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