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Ein Weihnachtsstern für Vincent Klink
"Ich liebe es, mit Wein zu kochen", hatte der amerikanische Filmkomiker W. C. Fields einst erklärt, "gelegentlich gebe ich ihn sogar ins Essen."
Dieser Satz hätte auch vom schwäbischen Kochkaliber Vincent Klink stammen können, der sich selbst Sitting Küchenbull nennt. Ein Vincent Dampf in allen Gassen. Ohne eigenes Verschulden war er in Hessen auf die Welt gekommen, wuchs aber dann zur Wiedergutmachung in Schwäbisch Gmünd auf. In der Folge wurde er Klosterschüler, Metzgerlehrling, Bundeswehrsoldat, schließlich Sternekoch und Fernsehstar im 16:9-Format. Neuester Höhepunkt seiner Karriere: Verdächtiger in einer Mordermittlung zur Weihnachtszeit.
Klink ließ sich die seltsamen Ereignisse noch einmal durch den Kopf gehen, während er an einem Fenster seines Edelrestaurants Wielandshöhe stand und versonnen über das nächtliche Stuttgart blickte. Es schneite gerade, was hier eher selten vorkommt. In der Schwabenmetropole ist das Klima mild, da sind ein paar romantische Schneefleggla am Nachthimmel schon ebbes Bsonders.
Der Restaurantkritiker Ansgar Stahlmann war kein Weihnachtsmann, im Gegenteil, er war knallhart, nomen est omen. Ein Anwalt des teuren Geschmacks, ein Primus der Branche. Die Petersilienschaumsüppchen bebten vor Angst um ihren guten Ruf, wenn er in der gehobenen Gastronomie auftauchte. Dabei war sein Werdegang nicht unbedingt ein Ruhmesblatt. Begonnen hatte er als Autor von Groschenromanen. Stahlmann verantwortete damals die Serie Berge des Schicksals. Alle zwei Wochen ein Heft mit 64 Seiten, da raucht der Rechner, doch das Honorar ist übersichtlich. Ausgabe 122 brachte die Wende. In dieser Geschichte verirrt sich ein erfolgreicher und natürlich umwerfend gut aussehender Gastrokritiker in eine einfache Zillertaler Gaststätte und bekommt dort Tiroler Knödel serviert. Gerade hat ihn seine Frau verlassen, und der Bedauernswerte erlebt dank der Specksemmelknödel unerwartete Linderung seines Schmerzes. Merke: Nicht nur Liebe, auch Trost geht durch den Magen. Wie der Groschenroman es so will, ist auch die Köchin kürzlich verlassen worden und entflammt im Herzen ob der lobenden Worte des Gastes. So findet eines zum anderen, beide finden auf Seite 63 ins Bett, und wenn sie im Liebesrausch nicht gestorben sind et cetera pp. Beim Schreiben der Story kam Stahlmann auf die Idee, Restauranttester zu werden. Lag doch auf der Hand. Schreiben konnte er, essen ebenfalls, sein Verlag brachte neben preisgünstigen Heftchen von der Stange auch richtige Bücher heraus, fertig war der neue Fresspapst.
Diesen Vincent Klink hatte er seit Anbeginn auf dem Zettel. Ganz eindeutig ein Nestbeschmutzer, der mit faulen Eiern und Tomaten nach den hehren Tempeln des Genusses warf. Der Dicke wetterte gegen die Pâté de foie gras, die Gänseleberpastete, wegen der angeblich armen Viecher, denen der Nahrungsbrei gnadenlos in den Hals gestopft wird, damit sie eine gourmettaugliche Fettleber entwickeln. Na und? Als Feinschmecker muss man auch mal wegschauen können. Und mit Trüffel verfeinert schmeckt die sündhaft teure Pampe doch köstlich!
Das hochtrabende San-Pellegrino-Wasser hatte Klink ebenfalls aus seinem Laden verbannt. Weil es vom Schweizer Weltkonzern Nestlé kommt, dem unter anderem Ausbeutung und Kinderarbeit in der Dritten Welt vorgeworfen werden. Was soll's? Dafür können westliche Kiddies sich an KitKat, Smarties und Choco Crossies erfreuen und sich damit die Zähne ruinieren. Wenn das kein Ausgleich ist! In seinem Tagebuch-Blog hatte sich Klink auch noch über die Konkurrenz lustig gemacht, wo steife Kellner beim Servieren sämtliche Details des Gerichtes herunterbeten, als wären die Gäste verkalkte Dummerle, die nicht mehr wissen, was sie bestellt haben: "Sorgsam gegrillte Atlantik-Seezunge auf Champagner-Kaviar-Spiegel an wildem Spinat mit Strohkartöffelchen." Noblesse oblige, Adel verpflichtet, Koch-Adel dichtet, Kellner schwafelt.
Vincent, der unmögliche Küchenrebell, machte drei Kreuze, als der Gourmet-Schreiberling samt Freundin endlich aus seinem Laden in die Winterwelt hinaus verschwunden war. Mit Vergnügen hatte er ihm persönlich die Rechnung präsentiert. Nur die reichlich genossenen Schnäpsle am Schluss waren aufs Haus gegangen. Alles andere war fein säuberlich aufgelistet als Wiedergutmachung für den Verriss des Ostermenüs, den sich der geschmacklose Vielschreiber vor einem Dreivierteljahr geleistet hatte. Stahlmann war natürlich beleidigt, weil er zahlen musste. Zähneknirschend hatte er das Mäppchen mit seiner schwarzen Kreditkarte zurückgereicht, allerdings ohne ein sternegerechtes Trinkgeld zu gewähren. Okay, die Angestellten würden es verkraften. Beim nächsten Mal würde Klink wieder gnadenlos vorgehen, nahm er sich vor. Nicht ahnend, dass es kein nächstes Mal geben würde.
Cheyenne hatte gerade die Kerzen am Adventskranz angezündet, als sie Ansgars Stöhnen aus dem Schlafzimmer hörte. Sie eilte zu ihm und bekam gerade noch mit, wie der Seufzer erstarb, der Ansgars letzter sein sollte. Stille. Kein Atemzug mehr, nur noch Stille. Cheyenne suchte an der Halsschlagader nach dem Puls, fand aber keinen.
Der Notruf ging exakt um 20 Uhr ein, Rettungswagen und Notarzt wurden losgeschickt. Weinhaldenstraße 110 bei Stahlmann. Blaulicht, Martinshorn und durch! Die Helfer fanden ein modernes Einfamilienhaus vor, von hohen Hecken umstellt. Auf der Terrasse lag ein Weihnachtsbaum, noch im Netz gefesselt. Eine sichtlich mitgenommene Dreißigjährige mit aufgelöstem Haar öffnete die Tür.
Im Schlafzimmer roch es penetrant nach Alkohol. Ansgar Stahlmann lag auf der einen Seite des Doppelbettes, die Decke war halb zu Boden gerutscht. Auf dem Nachttisch eine Dose Red Bull und eine geöffnete Packung Schmerzmittel.
Der Mann war tot, zweifellos. Kein Fall für den Rettungswagen, ein Fall für Polizei und Rechtsmedizin. Als die Sanitäter gerade abziehen wollten, drang aus dem Wohnzimmer Brandgeruch. Der Adventskranz! Kurz entschlossen erstickten die Sanis das Feuer mit einem der voluminösen Kissen, die in der Sitzlandschaft herumlagen. Wenigstens eine Rettung gelungen!
Als die Kripo eintraf, hatte der Notarzt seine Untersuchung abgeschlossen. Keine äußeren Verletzungen. Der Tod möglicherweise eine Wechselwirkung von Alkohol und Schmerzmittelgaben. So etwas ist immer ungesund, selten letal, aber manchmal doch. Er übergab an den Rechtsmediziner, nahm seine Sachen und verließ das Haus.
Im Garten, wo eine LED-geschmückte Zypresse romantisch in den Schneefall strahlte, griff er zu seinem Mobiltelefon: "Falco, ich hab was für dich! Einen seltsamen Todesfall mit einer prominenten Leiche."
Falco Freiwald, genannt FF, Klatschreporter beim Stuttgarter Kurier, war höchst angetan. Er hatte einen Deal mit dem Notarzt. Für jeden Tipp eine finanzielle Zuwendung. Das medizinische Personal im öffentlichen Dienst ist ja hierzulande nicht gerade überbezahlt. FF bedankte sich für die Information, die eine Steilvorlage war für eine Knaller-Schlagzeile: "Restaurant-Kritiker gibt bei Klink den Löffel ab!"
Schimanski hatte sein Team versammelt.
Da ist mir jetzt nichts durcheinandergeraten, der hieß wirklich so. Mitten in Schwaben, wo alle, die nicht Brüderle heißen, Häberle heißen oder wenigstens Vögele. Der Kommissar aber hieß Schimanski. Immerhin nicht mit Horst davor, sondern mit Heinz. Mit dem Ruhrpott-Rambo aus dem Duisburger Tatort, Gott hab ihn selig, hatte er rein gar nichts gemein. Er vermied Prügeleien, ernährte sich nicht von Currywurst, sondern von Spätzle, und trank statt Bier lieber Trollinger.
Er war nicht nur ein gemütlicher, sondern auch ein moderner Schwabe. Was im Grunde Pflicht ist im Land von Daimler, Bosch und Carl Zeiss. Technisch voll auf der Höhe der Zeit, hatte er die Flipcharts abgeschafft und durch einen Großbild-Monitor ersetzt. Neben dem stand er jetzt und stellte die Frage aller Fragen: "Was habet mr?"
Auf Kriminal-Hochdeutsch: "Was haben wir?"
Als Hauptdarsteller hatten sie den toten Ansgar Stahlmann, Schriftsteller und Restaurant-Kritiker. Auf dem Bildschirm erschien ein Foto von Stahlmann aus lebendigen Zeiten.
"Umstrittene Figur", ließ sich Lavinia vernehmen, die Recherche-Göttin der Truppe. "Karrierist, ehrgeizig ohne Ende, hatte etliche Köche an den Rand der Existenz geschrieben, ging über Leichen. Jetzt ist er selbst eine."
Als nächstes Bild erschien eine Spätzle-Werbung, die eine attraktive Brünette zeigte.
Lavinia fuhr fort: "Stahlmann war zusammen mit Cheyenne Seitenbacher, ein in Schwaben weltbekanntes Model für Teigwaren-Werbung. 31 Jahre, polizeilich unauffällig."
Zu guter Letzt noch der Kopf aller Köpfe. Vincent Klink, Gastronom, bei dem das Opfer am Abend vor seinem Ableben zum Essen war. Lavinia erklärte dazu: "Da der Tote wohl vergiftet wurde, müssen wir Herrn Klink zu den Verdächtigen zählen, ob wir wollen oder nicht. Die toxische Substanz ist dem Gast ja wohl mit einem Getränk oder einer Speise zugeführt worden."
Kommissar Schimanski grinste innerlich: "Toxische Substanz!" Lavinia liebte es, sich so auszudrücken, als hätte sie sämtliche Bachelor-Grade nur um Haaresbreite verpasst.
Jetzt lag es am Rechtsmediziner, die toxische Substanz näher zu erläutern. Der Mann war ein elendiglich dürrer, blasser und strohtrockener Kerl. Den Großbildschirm ignorierte er, schließlich hatte er alles mit schwäbischer Gründlichkeit in einer Kladde notiert. Der Doc setzte seine Brille auf, räusperte sich und begann.
"Das Ableben ist in der Tat auf eine Vergiftung...
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