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Skandal in der Schickeria
Eine Schickeria besteht aus Menschen, die wahnsinnig wichtig sind. Oder die wenigstens so tun, als wären sie wahnsinnig wichtig.
Unverzichtbar in einer gescheiten Schickeria sind die Frauen, die hier Ladys genannt werden. Business-Ladys, falls sie selbst etwas auf die Beine gestellt haben, oder Society-Ladys, falls sie nur die Gattin von irgendwem Wichtigen sind. Die Notwendigkeit der weiblichen Komponente ist einleuchtend und in jeder bunten Galazeitschrift deutlich zu erkennen. Ladys kommen auf Pressefotos einfach besser rüber als Kerle. Das hat mit der Anatomie zu tun. Anatomie ist zwar etwas, das wir alle haben, aber bei den Mädels sieht sie einfach besser aus.
Erfunden wurde die Schickeria in den 70er-Jahren in München, sie ist dort legendär und immer noch quicklebendig. Auch wenn der schillernde Modezar Rudolph Moshammer sich hat umbringen lassen und Stars wie Jack Nicholson, Sean Connery oder Mick Jagger längst woanders ihre Champagner-Partys feiern. Tina Turner feiert auch nicht mehr im P1-Club, sondern im Himmel. Schade, aber wir haben ja noch Bully Herbig, Uschi Glas, Simone Ballack und Roberto Blanco.
Die Schickeria der Isarstadt scheut auch nicht die eisigste Kälte, um aufzufallen. So geschehen beim 1. Münchener Prominenten-Eisstockschießen zugunsten der Obdachlosen. Die allerdings während des Events weiterhin in ihren U-Bahn-Stationen bleiben sollten. Bei einem hochkarätigen Turnier auf dem zugefrorenen Nymphenburger Schlosskanal würden sie optisch ja eher deplatziert wirken. Das mochten ihnen die Wohltäter nicht zumuten.
Was sich als Vorteil herausstellte: Keiner konnte später den grausigen Mord am Filmproduzenten Wolfgang P. Alexander einem Wohnsitzlosen in die abgewetzten Schuhe schieben. Einen Mord, der die wohltätige Veranstaltung daran gehindert hatte, überhaupt stattzufinden.
Aber beginnen wir ganz von vorne. Ein Schickeria-Ereignis braucht unbedingt ein elegantes Vorglühen. In diesem Fall ein Sektfrühstück im Königlichen Hirschgarten. Das Restaurant liegt im eigentlichen Hirschgarten, der ehemals ein Jagdrevier für Blaublütige war. Heute dient er als Freizeitoase mit Wildgehege und einem Biergarten für 8.000 Durstige. Das einstige Jägerhaus wurde zu einer gediegenen Großgaststätte erweitert, und da trafen sie nun alle ein, die Eisstock-Amateure mit den großen Herzen und den großen Armbanduhren. Man trug vornehmlich hochmodische Winterjacken von Bogner, schließlich war der Chef des Labels, der fesche Bogner Willy, ja auch einer von ihnen.
Rüschi war ebenfalls da, Ehrensache. Er wurde so genannt, weil er ausschließlich Rüschenhemden trug, die zwar aus der Zeit gefallen waren, aber ein schwuler Nobelfriseur darf alles. Weil eine Schickeria ohne schwulen Haarstylisten nur halb so schrill daherkommt. Rüschi hing am Rockzipfel von Rosi, der momentan angesagten Trachtendesignerin, deren Profession ebenfalls essenziell ist in Schickimicki-Kreisen.
Die Blubberbrause, selbstredend aus der Kellerei Nymphenburg, floss in Strömen, der Geräuschpegel war enorm, das Gewusel beträchtlich. So fiel niemandem auf, dass der Wolferl abgängig war. Wolfgang P. Alexander, seines Zeichens Regisseur und Filmproduzent mit extra großer Besetzungscouch.
Bis draußen ein Mordskonzert von Polizeisirenen losging. Blaulicht wischte über die Fenster des holzgetäfelten Stüberls, das Geplapper wurde leiser, die Neugier stieg.
Sie mussten nicht lange warten.
Schloss Nymphenburg hat als Geschenk angefangen. Der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria von Savoyen ließ es als Dankeschön für seine Frau Adelaide erbauen, als sie ihm nach zehn Jahren Ehe den ersehnten Thronfolger gebar. Allein für das Gelände soll er 10.000 Goldgulden bezahlt haben, also umgerechnet fünf Millionen Euro. Das Wohnen in München war schon immer teuer.
Auch der weltberühmte Märchenkönig Ludwig II. ist in diesem Palast zur Welt gekommen, und der fast weltberühmte Wolferl Alexander hat gleich um die Ecke sein Leben ausgehaucht. Womit wir wieder bei unserer Geschichte wären und sich die Frage stellt, wer ihm den Stecker gezogen hat.
Das sollte die ermittelnde Beamtin herausfinden, Hauptkommissarin Elli Eder, eine rothaarige Schönheit. Bei ihrem Eintritt in die Behörde waren sofort die fernseherfahrenen Kobold-Experten auf der Bildfläche erschienen, die ihr den Spitznamen Pumuckl verpassten. Frei nach dem Schreinermeister Eder und seinem kleinen Werkstattgeist mit der feuerroten Haarpracht.
Diese Namensgebung interessierte allerdings in der High Society niemanden, denn Kommissarinnen gehören da eh nicht hin, außer sie sind Schauspielerinnen, die eine Kommissarin spielen. Maria Furtwängler war natürlich auch da.
Hätte sie als "Tatort"-Kommissarin Charlotte Lindholm die Zeugenbefragung durchgeführt, wäre bestimmt etwas herausgekommen. Sie hätte ja nur im Drehbuch nachlesen müssen. Elli Eder hatte kein Drehbuch, also wurde die Befragung ein Schlag ins Wasser, in diesem Fall eher in den Sekt. Die werten Herrschaften hatten keinen Schimmer von gar nichts.
"Sie sehen doch selbst, meine Schöne, wie voll es hier ist, da sieht man ja vor lauter Hirschen den Garten nicht mehr", witzelte der Hotelerbe Manni Meerkatz, um gleich danach in tiefer Trauer zu versinken. "Grundgütiger, der arme Wolferl, so ein lebenslustiger Kerl, und jetzt ist er tot. Ich bin ganz außer mir!"
Kommissarin Pumuckl begann, den tieferen Sinn des Begriffes Small Talk zu verstehen.
Meerkatz hatte übrigens den Ferrari heute nicht auf dem Gehweg geparkt, wie es sonst seine Gepflogenheit war. Es gab nämlich keinen Gehweg vor dem Hirschgarten. Und es gab auch keinen Ferrari mehr. Der Manni bewegte ab sofort einen rein elektrischen Porsche Taycan in Vulkangraumetallic mit gelben Bremsbacken. Schickeria goes Öko! Schickeria kauft nur noch Bio-Dinkel-Vollkorn-Frühstücksbrötchen und Porsche Taycans, weil es dem Image dient. Und weil die Presse darauf abfährt; das ist schließlich existenziell. "Wenn dich keine Sau mehr kennt, dann hast du einen Trend verpennt!"
Sekt war augenscheinlich ebenso existenziell. Die Kommissarin musste feststellen, dass einige Anwesende schon recht fleißig vorgeglüht hatten, somit war Informatives bei ihnen nicht zu holen. Der andere Teil hatte weder etwas Sachdienliches gesehen noch etwas gehört.
"Mein Gott, das tut mir jetzt leid, dass ich nichts weiß, schon wegen dem Wolferl, er war ja so ein unverzichtbarer Spezi, ein ganz wertvoller Mensch!"
Der wertvolle Mensch und unverzichtbare Schürzenjäger Wolfgang P. Alexander war im Dickicht hinter dem Parkplatz des Königlichen Hirschgartens erschlagen worden. Einfach gnadenlos zack, bumm, aber wenigstens dem Anlass angemessen. Mit einem Eisstock. Mit einem edlen Eisstock aus Birnenholz gedrechselt, der Griff aus Esche, Gewicht viereinhalb Kilogramm, sicher ist sicher. Ein einziger wuchtiger Schlag hatte ausgereicht. Keinerlei Fingerabdrücke auf der Tatwaffe, sie war offensichtlich nagelneu, wohl für das Verbrechen extra erworben.
Übrigens ein Frauen-Eisstock. Wann sich wohl die erste Grünen-Politikerin findet, die geschlechterneutrale Eisstöcke fordert?
In Pumuckls Kommissariat III rauchten die Rechner. Die Drucker spuckten alles aus, was über den Gemeuchelten zu finden war und über den glamourösen Haufen der Eisstockspieler, die ihr Turnier pietätvoll gecancelt hatten. Natürlich hatten sie vorher, genauso pietätvoll, vor den Pressefotografen posiert und ein eilig geschriebenes Transparent in die Kamera gehalten: "Unser Wolferl - unvergessen!" Dann waren sie ihrer Wege gegangen, besser gesagt mit dem SUV nach Starnberg, an den Tegernsee oder ins Glockenbachviertel gefahren. Wo man halt so wohnt, wenn man wer ist.
In einer der Edelkarossen hatte der Tod am Steuer gesessen. Aber in welcher?
Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die Fernsehserie "Kir Royal" mit den Geschichten rund um den Klatschreporter Baby Schimmerlos und seine prominente Klientel. Damals ein Straßenfeger. Heute war eine Schulfreundin von Kommissarin Pumuckl Eder für die News aus den besseren Kreisen verantwortlich. Sie nannte sich Josephine, nach der Tänzerin Josephine Baker, die als Spionin für den französischen Geheimdienst gearbeitet hatte. Allerdings trug Pumuckls Freundin keine Bananen-Röckchen.
Sie saßen beim Franziskaner in der Residenzstraße und genossen den landesweit weltbekannten Leberkäs mit süßem Senf und lauwarmem Kartoffelsalat. Ein echtes bayerisches Schmankerl.
"Was ich dir jetzt erzähle, hast du alles nicht von mir", schickte die Journalistin streng voraus.
"Geht klar, wie immer. Wenn mir mal Internes herausrutscht, hast du das ja auch nicht von mir."
Schon in der Schulzeit hatten sie voneinander abgeschrieben, aber jede Kooperation standhaft geleugnet.
"Der Herr Wolfgang war ein Produzent gewesen, wie er im Enthüllungsbuch steht", begann Josephine mit ihren Auskünften. "Sein Weg vom kleinen Set-Fotografen zum Filmtycoon war gepflastert mit Mega-Erfolgen, ebensolchen Abstürzen und Skandalen. Privat drei gescheiterte Ehen und Affären bis zum Abwinken, das ist ja alles bekannt. Was nicht bekannt ist, aber jetzt ans Licht kommen dürfte, sind spezielle Partys, die er in seiner Villa arrangiert hat. Sie sollen sehr exklusiv gewesen sein. Nur handverlesene Gäste. Außerdem soll der Herr Alexander ein Freund der Jugend gewesen sein, der nachts durch Discos streifte und nach hübschen jungen Dingern suchte, die diese Partys bereicherten."
Pumuckl verschlug es die Sprache. Der Typ war ja ein Sausack hoch drei gewesen....
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