Über den Galopprennsport
Dies ist ein überaus persönliches Buch. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, gerade weniger mit dem Sport vertrauten Lesern einen Einblick in die Strukturen und Machtverhältnisse innerhalb des Galopprennsports zu geben. Das macht es auch einfacher, meine persönliche Biografie zu verstehen, die stellvertretend für so viele andere Arbeiter im Galopprennsport steht.
Hierarchie und Strukturen
Im professionellen Rennsport hat man es mit ausgeprägten hierarchischen Strukturen zu tun. Die meisten Besitzer verfügen über große finanzielle Ressourcen. Sie haben das Sagen. Läuft das Pferd nicht nach ihren Vorstellungen, drohen sie mit einem Wechsel des Quartiers (Rennstalls). Die Trainer wiederum setzen alles daran, die Wünsche und Hoffnungen der Besitzer zu erfüllen. Ihre Existenz hängt davon ab. Daher ist ein harter Umgang mit den Jockeys, Pferdepflegern und den Pferden alles andere als ungewöhnlich. Auf der dritten Stufe folgen die Jockeys. Reitet ein Jockey an einem Renntag mit sieben ausgelegten Rennen, bedeutet das sieben Chancen auf den Sieg. Gewinnt er "nur" ein Rennen, wird eher darauf geguckt, weshalb er sechs andere Rennen verloren hat. Daher werden Jockeys, die nicht auf Anhieb top Leistungen abrufen, gerne und schnell ausgetauscht. Dazu kommt, dass für Jockeys jedes Rennen das letzte sein könnte - im wahrsten Sinne des Wortes.
An vierter Stufe befinden sich die sogenannten Futter- und Reisefuttermeister. Sie werden auch als rechte Hand des Trainers angesehen. An fünfter und unterster Stelle steht das Stallpersonal, das auch alle Arbeitsreiter mit einschließt. Die Schuld, wenn das Pferd keine optimale Leistung abgerufen hat, wird häufig auf die Arbeitsreiter geschoben. Ich zählte während meiner Zeit im Rennsport immer zur dieser untersten Hierarchiestufe. In einem noch immer sehr patriarchalisch geprägten System noch dazu eine junge Frau zu sein, ist eine denkbar schwierige Ausgangssituation.
Ähnlich einem großen Unternehmen, spricht die unterste Hierarchie (der Arbeiter am Band) so gut wie nie mit dem Besitzer (oder CEO). Die Stufen zwei bis fünf haben alle das Ziel, den Besitzer mit möglichst vielen Siegen stolz und spendabel zu machen. Schließlich geht es in diesem Sport um viel Geld.
Die Rennpferde stehen, berechtigterweise, häufig auf Höhe der ersten Stufe. Also über Futtermeistern, Arbeitsreitern, Jockeys und Trainern. Verständlich, wenn man darüber nachdenkt, dass ein einziges Pferd teurer sein kann als die kumulierten Jahresgehälter aller Arbeitenden in einem Reit-Rennstall. In meinen Augen, durch meine persönlichen Erlebnisse geprägt, sind es gerade diese Arbeiter, die zu kurz kommen. Aber um das optimale Resultat aus einem Pferd herauszuholen, benötigt man motivierte Mitarbeiter. Und Motivation entsteht durch gute Personalführung, kommunizierte Wertschätzung und nicht zuletzt angemessene Bezahlung.
Mit einem Rennpferd beim Galopp
Ich beobachte immer wieder, dass sich die Ansichten und Meinungen der Menschen hinsichtlich des Reitsports in zwei Lager unterteilen. Die Rennsportgegner und die Rennsportbefürworter. Bei dieser häufig sehr oberflächlich geführten Diskussion werden jedoch die Menschen dazwischen, die diesen Sport überhaupt erst möglich machen, völlig vergessen. Diese Menschen sind Pferde- und Sportbegeisterte. Nicht wenige von ihnen hinterfragen den Sport im Laufe der Zeit und zerbrechen daran. Psychische Erkrankungen sind häufig die Folge. Gerade diese Menschen sind es jedoch, die den Sport mit ihrer Leidenschaft und ihrem Engagement verbessern könnten. Sie hinterfragen und wollen Veränderung, aber können aus ihrer Position der Schwäche kaum etwas bewirken. "Ich finde es so gut, dass du Darüber schreibst. Endlich tut das mal jemand", hörte ich häufig. Mein Ziel ist es, mit diesem Buch das Bewusstsein für eine dringend benötigte Veränderung zu schaffen. Eine Veränderung, die das Ziel hat, das Wohl der Menschen und Tiere im Galopprennsport zu verbessern.
Faszination Reitsport und Pferderennen
Ein aktives Rennpferd hat manchmal einen, manchmal aber auch mehrere Besitzer. In diesem Fall besteht eine sogenannte Besitzer-Gemeinschaft. Der Besitzer (bzw. die Besitzer-Gemeinschaft) finanziert das Rennpferd. Schließlich fallen viele Kosten an: Betreuung, Haltung, Tierarztbesuche, Nennungsgelder, etc. Im Gegenzug erhält der Besitzer einen Großteil der Preise bzw. Preisgelder. Davon wiederum gehen Prozente an Trainer und Jockey (Reiter). Der Besitzer entscheidet sich ebenfalls für ein sogenanntes Dress. Darunter versteht man eine eindeutige Farbe und den Stallnamen, für den das Pferd läuft und in der Szene Bekanntheit erlangt. Die monatlichen Unterhaltskosten belaufen sich auf etwa ein- bis zweitausend Euro pro Pferd - Anschaffungspreis, Transporte, Versicherungen nicht inbegriffen!
Rennpferde können auf viele verschiedene Wege erworben werden. Eine klassische, allgemein sehr verbreitete Form ist die Auktion. Bei Auktionen werden mehrmals im Jahr einige hundert Pferde im Wert von tausendfünfhundert bis etwa einer Million, meist von Züchtern, feilgeboten. Der preisliche Unterschied basiert auf Faktoren wie bereits abgelieferten Leistungen, der genetischen Abstammung, dem Alter und dem Gesundheitszustand der Tiere. Wie beim Roulette im Casino kann man auch bei Auktionen großes Glück oder eine Pechsträhne haben. Es kommt vor, dass ein Pferd zunächst äußerst preiswert erworben wird, später eine sagenhafte Entwicklung hinlegt und dann schließlich für einen vielfachen Betrag vermarktet und ggf. verkauft wird. Für Besitzer wie ein 6er im Lotto bzw. der Jackpot im Casino.
Mit eindreiviertel Jahren beziehen die Tiere dann üblicherweise ihren Rennstall. Davor befinden sie sich im Gestüt. Sie werden von Trainern ausgebildet, um im Alter von etwa zwei Jahren ihre ersten Rennen zu bestreiten.
Rennpferde bekommen ein sogenanntes Gewicht (in Kilo) vorgegeben. Stuten zwei Kilo weniger als Hengste. Der Reiter, auch Jockey genannt, bekommt ein sogenanntes "Gewicht" für das jeweilige Rennen zugeteilt. Es bezieht sich auf das Können und die Einstufung der Pferde. Ein schlechtes Pferd trägt somit weniger Gewicht als ein gutes. Damit soll Chancengleichheit gewährleistet werden. Wird ein sogenannter Erlaubnisreiter, (z. B. ein Lehrling) auf das Pferd gesetzt, kann aufgrund seiner noch geringen Erfahrung eine Ausnahme vom zusätzlichen Gewicht gemacht und dem Pferd eine Erleichterung zugesprochen werden. Gewichte variieren zwischen 48 Kg (sehr schlecht) und etwas über 100 Kg (sehr gut). Das Gewicht wird vor dem Rennen auf der Waage kontrolliert und im Anschluss noch einmal überprüft. Ein Jockey kann an einem Renntag durchaus unterschiedliche Gewichte erhalten, was sich in der Verwendung von unterschiedlich schweren Sätteln und evtl. sogar Bleidecken, zeigen kann. Man kann davon ausgehen, dass ein Kilo weniger Gewicht im Endkampf etwa eine Pferdelänge Vorsprung ausmacht. Trägt ein Pferd beispielsweise drei Kilo mehr, sollte es bei sonst gleichen Bedingungen ungefähr drei Pferdelängen hinterher sein.
Es gibt darüber hinaus noch etliche weitere Faktoren, die das Ergebnis eines Rennens beeinflussen, wie z.B. der Trainingszustand, das aktuelle Befinden des Tieres und die Bodenverhältnisse. Leichtere Pferde kommen mit weichem Boden besser zurecht, da sie nicht so weit einsinken und somit weniger Kraft benötigen. Die Harmonie zwischen Reiter und Pferd, ein gutes Training, die zu reitende Distanz, all diese Faktoren entscheiden über Sieg oder Niederlage.
Hat das Pferd drei Rennen absolviert, oder ein Rennen gewonnen, bekommt es eine Marke; eine sogenannte Handicap Marke. Diese Marke weist das Gewicht auf, das von nun angetragen werden muss. Gewinnt das Pferd erneut, wird das Gewicht erhöht, um gegenüber den Gegnern Chancengleichheit zu gewährleisten. Landet es hingegen weiter hinten, werden Kilos abgezogen und die Marke "schrumpft". Ziel ist es, eine möglichst hohe Marke zu erreichen, da diese die Konkurrenzstärke und den Wert des Tieres symbolisieren. Ist das Pferd weniger stark, so ist das Ziel, eine möglichst niedrige Marke zu erhalten, um die Chancen den Gegnern gegenüber zu erhöhen. Infolge dieser Systematik kommt es nicht selten vor, insbesondere wenn ein Trainer in einem Pferd wenig Potenzial sieht, dass die ersten drei Qualifikationsrennen absichtlich nicht gut gelaufen werden. Diesen Effekt kann man beispielsweise durch die falsche Distanz, einen unpassenden Boden oder einen ungeeigneten Reiter erreichen. Die Buchmacher freuen sich dann. Häufig beobachtet man, dass schwere, kräftige Hengste durch die zu tragende Kilozahl weniger stark beeinflusst werden als leichte Stuten.
Hufeisen sind eine notwendige Voraussetzung für die Teilnahme an einem Rennen. Für das Vorbereiten und Anreiten wird im Rennstall gerne auf Hufeisen aus Eisenstahl zurückgegriffen, da diese stabiler sind. Das am häufigsten genutzte Material sind jedoch Hufeisen aus Aluminium, da sie sehr viel leichter sind. Sie haben aber den Nachteil, dass sie im Vergleich häufiger erneuert werden müssen. Schließlich kann im Galopprennsport jedes Gramm über Sieg oder Niederlage entscheiden - und somit mehrere tausende Euro Unterschied bedeuten.
Bei Rennen werden häufig Ohren- und Scheuklappen verwendet, und/oder Boden- und Seitenblender eingesetzt, um das Sichtfeld des Tieres einzuschränken. Entgegen öffentlicher Meinung, es würde sich bei diesen Werkzeugen um Tierquälerei handeln, teile ich diese Meinung nicht, da sie keine Schmerzen verursachen und Ablenkungen vermeiden. Dadurch ist das Pferd...