Schweitzer Fachinformationen
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Text: Tobias
Anmerkungen: Bernhard
Kopfschmerzen.
Das erleichterte es mir, mich in der unbekannten Umgebung zu orientieren. Wegen der enormen Allgäuer Kälte musste ich mich nach dem kläglichen Weckversuch früh um sieben wieder unter dem gigantischen Federbett verkrochen haben, um zu hoffen, der Tag beginne vielleicht doch ein paar Stunden später. Dort, wo der Schmerz war, müsste sich allem Anschein nach mein Kopf befinden, mutmaßte ich. Bingo! Zu meiner Überraschung kramte ich noch einen kleinen Laptop, ein Netzwerkkabel und ein Mobiltelefon unter meinem Astra(l)-Körper hervor. Dadurch erklärten sich dann auch die Hämatome und eingeklemmten Nerven in diversen anderen Körperteilen. Beschwingt von so einem übersichtlichen Start in den Tag, versuchte ich trotz der enormen Kälte die Matratze zu verlassen.
«'n Morgen!», frohlockte ich in Richtung des anderen Bettes, wo ich meinen Zimmergenossen Bernhard vermutete.
Keine Antwort. Nur leises Gebrabbel vom Flur.
Nachdem ich meinen Körper nun vollends aus dem Bett manövriert hatte, konnte ich durch die weitgeöffnete Zimmertür die komplette StaubMaul-Belegschaft inklusive Bernhard bereits emsig ihre Habseligkeiten zu den Autos tragen sehen. Ich nickte ihnen wohlwollend zu und begab mich in unsere unterkühlte Nasszelle, um diese ausgiebig auf ihre Funktionstüchtigkeit zu testen. Aufgrund der Wassertemperatur und allgemeiner Lustlosigkeit beließ ich es bei dem Nötigsten und reihte mich in die Geschäftigkeit der anderen ein. Nach wenigen Momenten schwappte die Erregung über den bevorstehenden Start unserer lang herbeigesehnten Unternehmung dann selbst auf meinen Geist über, auch wenn dieser noch in einem Plasma aus restalkoholischem Weißbier vor sich hin waberte.
Der Berliner Zahnarzt-Hotelier hatte Wort gehalten und nichts weiter unternommen, um unseren Aufenthalt durch Nahrungsangebote oder andere nervige Kontaktaufnahmen absichtlich zu verlängern. Nachdem sämtliches Gepäck in den Autos verstaut oder auf deren Dächern verzurrt war, begab ich mich vorsichtig auf den Beifahrersitz des Volvos. Bernhard hatte vermutlich meine glasigen Pupillen bemerkt und hielt es für sicherheitsrelevant, das Fahrzeug auf den ersten Metern selbst zu steuern.
Der Morgen fühlte sich feucht, klamm und nebelig an. Der Tau hatte sich um diese Zeit noch nicht ansatzweise darüber Gedanken gemacht, irgendeinem Lichtstrahl die Chance zu geben, ihn zu vertreiben. Durch grüne Allgäuer Wiesen mit ihren täuschend echt wirkenden drapierten Kühen schlängelte sich unser frühsportlicher Konvoi die paar Kilometer zum Festzelt, wo der Start erfolgen sollte. Nichts deutete unterwegs auf ein größeres Ereignis in der unmittelbaren Nähe hin. Das änderte sich jedoch schlagartig, als wir im Epizentrum der reisefreudigen Fahrerveranstaltung ankamen.
Das Festzelt vom Vortag lag gemütlich verregnet in einem großen Matschhaufen, umgeben von zahllosen Rallye-Fahrzeugen und den mehr oder weniger planlos drum herumschlendernden Insassen. Interessierte Einheimische, leicht zu erkennen an Regenschirm, anständiger Bekleidung und panischer Angst vor schmutzigen Pfützen, flanierten am Fuhrpark vorbei und verfolgten die weiteren Startvorbereitungen. Wir parkten unsere stolzen Reisesitzmöbel einfach irgendwo.
«Meinst du, hier können wir stehen bleiben?», wandte ich mich sorgenvoll an Bernhard.
«Darüber können wir diskutieren, falls du bei der Parkplatzsuche ein anderes Prinzip als die Chaostheorie zugrunde legen kannst», raunzte es vom Fahrersitz.
«ENTSPANN DICH!», brüllte ich gedanklich zurück, unterließ aber die verbale Artikulation, um meine Kräfte zu schonen.
Generell war ich natürlich froh, dass Bernhard bei unserem kleinen Ausflug in den Orient mit an Bord war. Verschiedene Wesenszüge prädestinieren ihn für ein solches Vorhaben. Zunächst wäre da eine temporäre Komfortresistenz, die ihn gerne für einen Zeitraum X auf jegliche Annehmlichkeiten der als zivilisiert definierten Welt verzichten lassen kann. Da hierunter auch Deoroller und Handwaschmittel fallen können, wird eine ebensolche Fähigkeit bei seinen Mitabenteurern unbedingt vorausgesetzt. Selbstverständlich ist er im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten ein überaus reinlicher Mensch, und sogar bei der Nahrungsaufnahme kommen vor allem steriles Fastfood und ultrahocherhitzte Konservenwaren zum Einsatz. Dadurch ist ein international verträglicher Standard an Keimen gegeben, und der Körper wird nicht weiter angegriffen.
Der Motor seines Fortkommens, quasi als Perpetuum mobile konzipiert, ist seine ungezähmte Neugierde. Vermutlich sind sogar die Hautzellen derart modifiziert, dass sie Wissensfragmente absorbieren und direkt ins Gehirn weiterleiten können. Allerdings ist das Areal, welches dafür zuständig ist, die kleinen Einheiten zusammenzusetzen oder allzu unvollständige Informationen als irrelevant zu löschen, durch den übereifrigen Wahrnehmungsapparat gelegentlich unterversorgt. Außerdem fährt er gerne Auto. Hätte ich mir einen besseren Teamkollegen vorstellen können? Mein Emergency-Deoroller lag übrigens die ganze Fahrt über im Survival-Kit im Handschuhfach .
Wir unterließen es also, zu streiten, und betraten durch eine garagengroße Öffnung auf der Rückseite das Zelt.
Einer plötzlichen Erkenntnis folgend, begann Bernhard zu referieren: «Schau an! Hier werden wir also zum Start in das Zelt fahren. Dahinten! Da haben die eine Holzrampe vor die Theke gezimmert, über die wir dann .»
«Jaja», verkürzte ich seine Ausführungen, «kümmern wir uns zunächst um die Theke. Dort gibt es Kaffee, diese pimmeligen Weißwürste, eimerweise süßen Senf und Weizenbier.» Letzteres wurde zum Schutz der umliegenden Dörfer und Anrainerstaaten auf der ersten Rallye-Etappe übrigens ausschließlich alkoholfrei ausgeschenkt. Insgesamt ein Frühstück ganz nach meinem Geschmack.
Wir erfuhren, dass der Start der Teams mitten im Tempel der Bierseligkeit stattfinden sollte. Ich freute mich bereits auf die Abgase und hoffte, dadurch meine Kopfschmerzen weitestgehend betäuben zu können. Wollte ich doch nicht gleich am ersten Morgen um Linderung aus Renates gutsortierter Reiseapotheke bitten, die ich eigenhändig, ganz alleine, ohne Hilfe, völlig freimütig, kompetent und unabhängig zwei Tage vorher eingekauft hatte. Also vier Fünftel davon .
Noch nicht ganz auf der Höhe meiner geistigen Kräfte, wurde ich übermütig und extrem experimentierfreudig: Ich bestellte die ersten Weißwürste meines Lebens. Zwar hatte ich schon des Öfteren süddeutsche Gefilde bereist, aber kulinarisch war mir diese Erfahrung bisher verwehrt geblieben. Warnungen über eine glibberige Fleischpaste, die extrem diffizil aus ihrer darmigen Umhüllung zu befreien sei, stellten sich für meine an diesem Morgen noch etwas unbeholfenen taktilen Fähigkeiten als wahrhaftig heraus. Trotz aller motorischen Schwierigkeiten liebte ich aber den Geschmack, vor allem wegen des von mir schon vorher geschätzten süßen Senfs. Allein als Trägermasse für Letzteren waren die weißlich glitschigen Wurstwaren vorzüglich geeignet.
So war ich bereits das erste große kulinarische Abenteuer dieser Reise angegangen. Um meinen Magen nicht unnötig zu provozieren, spülte ich meinen Heldenmut mit dem mitgelieferten Kaffee in Pottgröße XL herunter. Leider schienen keine frankophonen Fahrerlager anwesend zu sein. Zu gern hätte ich beobachtet, ob der Franzose in typischer savoir-vivre-Manier die weiße Wurst in den Pott getunkt oder wenigstens in dieser Kombination dem Bohnenkaffee etwas Respekt gezollt hätte.
Die Kollegen aus unserem Team StaubMaul taten es mir gleich, legten aber bereits eine gewisse Routine bei der Wurstentpellung an den Tag. Danach streunten wir in kleinen Gruppen durch das Meer von etwa 180 mehr oder weniger ausgefallenen Autos vor dem Zelt oder begutachteten die Konkurrenz im Inneren.
«Ha-fiiiiiiiep-llo, li-fiiiiiiiep-be .», dröhnte es plötzlich aus den Lautsprechern, gefolgt von einem «Scheiße, mach ma leiser».
Eine Heerschar von Rednern und administrativen Begleitern betrat die bühnenartige Rampe, über die wir im Laufe des Vormittags in die Rallye Richtung Amman entlassen werden sollten. Wilfried vom selbsttitulierten «freundlichen Organisationskomitee» machte den Anfang. Diesen Typen konnte man liebenswert als «naturhigh» bezeichnen. Seine Ausbrüche an Begeisterung und Motivation waren nahezu surreal, und mit dem Motor seiner Freude, der unnachahmlichen Lache, müssten allgemeine Ermattung und Depression in chemiefreien Dosen orkanartig weggeblasen werden können.
Dieser Eruption guter Laune war ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht gewachsen. Um die süddeutschen Fleischfrüchte besser verdauen zu können, stapfte ich ein bisschen durch den Matsch rund um das Zelt und begutachtete wieder die Fahrzeuge der anderen Teams. Das Portfolio reichte von langweiligem Irgendwas über festmontierte 50-Liter-Fassbierhalterungen auf Dachgepäckträgern bis hin zu einem komplett selbstgebastelten Fahrzeugding. An dieser Stelle muss ich gestehen, bei den Themen Automobile und Fußballbundesliga einer kölnisch-brasilianischen Transe in Sachen Ahnungslosigkeit in nichts nachzustehen. So blieb mir nur übrig, die Kisten nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Begeistert beobachtete ich die Reserveräder des Teams 77, The Laughing Cow, die zur Befestigung einfach auf den Kofferraum gespaxt waren.
Die Kletterer unter den Lesern kennen den Begriff «gespaxt»...
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