Schweitzer Fachinformationen
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«Ich weiß, du hasst Überraschungen, Stella. Um dir also unsere Erwartungen mitzuteilen und eine vernünftige Zeitspanne vorzugeben, möchten wir dich wissenlassen, dass wir bereit für Enkelkinder sind.»
Stella Lanes Blick schnellte von ihrem Frühstück hoch zum würdevoll alternden Gesicht ihrer Mutter. Subtil aufgetragenes Make-up lenkte die Aufmerksamkeit auf kampfbereite kaffeebraune Augen. Das verhieß nichts Gutes. Wenn Stellas Mutter sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war sie wie ein Honigdachs mit einer Vendetta - streitlustig und stur, nur ohne Geknurre und Fell.
«Ich habe es zur Kenntnis genommen», antwortete Stella.
Schock wich rasend schnellen, panisch durcheinanderwirbelnden Gedanken. Enkelkinder bedeuteten Babys. Und Windeln. Bergeweise Windeln. Explodierende Windeln. Und Babys weinten, durchdringende, heulende Schreie, die selbst die besten geräuschreduzierenden Kopfhörer nicht zu dämpfen vermochten. Wie konnten sie nur so ausdauernd und heftig weinen, obwohl sie so klein waren? Außerdem, Babys bedeuteten Ehemänner. Ehemänner bedeuteten feste Partner. Feste Partner bedeutete Dating. Dating bedeutete Sex. Sie erschauderte.
«Du bist dreißig, Stella, Liebes. Wir machen uns Sorgen, weil du immer noch Single bist. Hast du es schon mal mit Tinder versucht?»
Sie griff nach ihrem Wasser und kippte es hinunter, dabei verschluckte sie aus Versehen einen Eiswürfel. Als sie wieder Luft bekam, antwortete sie: «Nein, das habe ich noch nicht versucht.»
Der bloße Gedanke an Tinder - und die entsprechenden Dates, auf die es hinauslief - ließ ihr den Schweiß ausbrechen. Sie hasste alles am Daten: das Abweichen von ihrer vertrauten Routine, die Konversation, die abwechselnd geistlos und verwirrend war, und wieder, den Sex .
«Mir wurde eine Beförderung angeboten», sagte sie in der Hoffnung, ihre Mutter damit abzulenken.
«Schon wieder?», fragte ihr Vater und ließ seine Ausgabe des Wall Street Journal sinken, wodurch das Drahtgestell seiner Brille sichtbar wurde. «Du wurdest doch erst vor zwei Quartalen befördert. Das ist ja phänomenal.»
Stella richtete sich auf und rutschte an den Rand ihres Stuhls. «Unser neuester Kunde - ein großer Online-Händler, der ungenannt bleiben soll - liefert die herrlichsten Datensätze, und ich darf den ganzen Tag mit ihnen spielen. Ich habe einen Algorithmus entworfen, um ihre Kaufvorschläge zu verbessern. Offenbar funktioniert er besser als erwartet.»
«Wann tritt die neue Beförderung in Kraft?», fragte ihr Vater.
«Nun .» Die Sauce hollandaise und das Eigelb ihrer Crabcakes Benedict waren ineinandergelaufen, und sie versuchte, die gelben Flüssigkeiten mit der Spitze ihrer Gabel zu trennen. «Ich habe die Beförderung nicht angenommen. Als leitende Ökonometrikerin wären mir fünf Mitarbeiter direkt unterstellt gewesen, und ich hätte viel mehr mit Kunden interagieren müssen. Ich möchte aber nur mit Daten arbeiten.»
Ihre Mutter wischte diese Aussage mit einer nachlässigen Handbewegung fort. «Du wirst bequem, Stella. Wenn du aufhörst, dich herauszufordern, dann machst du in Sachen soziale Kompetenzen keine weiteren Fortschritte. Dabei fällt mir ein, gibt es in deiner Firma irgendwelche Kollegen, mit denen du gern ausgehen würdest?»
Ihr Vater legte seine Zeitung weg und faltete die Hände über seinem runden Bauch. «Ja, was ist mit diesem einen, diesem Philip James? Als wir ihn bei deinem letzten Firmentreffen kennengelernt haben, wirkte er sehr nett.»
Die Hände ihrer Mutter flatterten zu ihrem Mund wie Tauben, die sich auf Brotkrumen stürzten. «Oh, warum hab ich nicht an ihn gedacht? Er war so höflich. Und eine Augenweide noch dazu.»
«Er ist in Ordnung, schätze ich.» Stella fuhr mit den Fingerspitzen über die Kondenstropfen an ihrem Wasserglas. Um ehrlich zu sein, hatte sie Philip schon in Betracht gezogen. Er war zwar eingebildet und ruppig, aber er sagte offen, was er dachte. Das war etwas, das sie an Menschen schätzte. «Ich glaube, er hat mehrere Persönlichkeitsstörungen.»
Ihre Mutter tätschelte Stellas Hand. Anstatt sie danach wieder in den Schoß zu legen, ließ sie sie auf Stellas Fingerknöcheln liegen. «Vielleicht würde er dann gut zu dir passen, Liebes. Wenn er eigene Probleme zu bewältigen hat, dann hat er vielleicht mehr Verständnis für dein Asperger-Syndrom.»
Obwohl die Worte in sachlichem Tonfall gesprochen wurden, klangen sie unnatürlich und laut in Stellas Ohren. Mit einem schnellen Blick zu den benachbarten Tischen auf der überdachten Terrasse des Restaurants versicherte sie sich, dass niemand es gehört hatte, dann starrte sie hinunter auf die Hand ihrer Mutter auf ihrer eigenen und widerstand nur mühsam dem Drang, sie fortzureißen. Ungebetene Berührungen reizten sie, und ihre Mutter wusste das. Sie tat es, um sie zu «akklimatisieren». Aber Stella machte es vor allem verrückt. War es möglich, dass Philip Verständnis für so etwas hatte?
«Ich werde über ihn nachdenken», sagte sie und meinte es auch so. Sie hasste Lügen und Ausflüchte sogar noch mehr, als sie Sex hasste. Und letzten Endes wollte sie ihre Mutter stolz und glücklich machen. Ganz gleich, was Stella tat, es gelang ihr nie völlig, in den Augen ihrer Mutter und damit auch in ihren eigenen Augen erfolgreich zu sein. Ein fester Freund würde dieses Problem lösen, das wusste sie. Das Problem war, sie konnte beim besten Willen keinen Mann halten.
Ihre Mutter strahlte. «Ausgezeichnet. In ein paar Monaten veranstalte ich wieder ein Benefiz-Dinner, und diesmal möchte ich, dass du ein Date mitbringst. Ich würde es sehr gern sehen, wenn Mr. James dich begleitet, aber falls das nicht klappt, werde ich jemanden finden.»
Stella kniff die Lippen zusammen. Ihre letzte sexuelle Erfahrung hatte sie mit einem der Blind Dates ihrer Mutter gehabt. Er war gutaussehend gewesen - das musste sie ihm lassen -, aber sein Sinn für Humor hatte sie verwirrt. Er als Risikokapital-Anleger und sie als Ökonomin hätten viele Gemeinsamkeiten haben sollen, aber er hatte nicht über seine eigentliche Arbeit reden wollen. Stattdessen hatte er es vorgezogen, über Büropolitik und Manipulationstaktiken zu sprechen, wodurch sie sich so verloren fühlte, dass sie sicher war, das Date wäre ein Reinfall.
Als er sie geradeheraus fragte, ob sie Sex mit ihm haben wolle, war sie völlig überrumpelt. Weil sie es hasste, nein zu sagen, hatte sie ja gesagt. Sie hatten sich geküsst, was ihr nicht gefallen hatte. Er hatte nach dem Lamm geschmeckt, das er zum Abendessen gehabt hatte. Sie mochte Lamm nicht. Von seinem Rasierwasser war ihr übel geworden, und er hatte sie überall angefasst. Wie immer in intimen Situationen hatte ihr Körper völlig dichtgemacht. Ehe sie sich's versah, war er fertig. Er hatte das gebrauchte Kondom in den Abfalleimer neben dem Schreibtisch im Hotelzimmer geworfen - das hatte sie gestört; er musste doch sicher wissen, dass solche Dinge ins Bad gehörten? -, ihr gesagt, dass sie ein bisschen lockerer werden müsse, und war gegangen. Sie konnte nur ahnen, wie enttäuscht ihre Mutter wäre, wenn sie wüsste, was für eine Katastrophe ihre Tochter in Sachen Männer war.
Und jetzt wollte ihre Mutter auch noch Babys.
Stella stand auf und nahm ihre Handtasche. «Ich muss jetzt zur Arbeit.» Obwohl sie bei all ihren Projekten im Zeitplan lag, war müssen dennoch das richtige Wort dafür. Die Arbeit faszinierte sie, lenkte die unerbittlichen Bedürfnisse ihres Gehirns in geordnete Bahnen. Außerdem wirkte sie therapeutisch.
«Braves Mädchen.» Ihr Vater stand auf und strich sich das seidene Hawaiihemd glatt, bevor er sie umarmte. «Über kurz oder lang wird dir der Laden gehören.»
Während sie ihn kurz drückte - es machte ihr nichts aus, jemanden zu berühren, wenn die Initiative von ihr ausging oder sie Zeit hatte, sich geistig darauf vorzubereiten -, atmete sie den vertrauten Duft seines Rasierwassers ein. Warum konnten nicht alle Männer genau wie ihr Vater sein? Er hielt sie für schön und hochintelligent, und von seinem Geruch wurde ihr nicht übel.
«Du weißt, dass ihre Arbeit eine ungesunde Sucht ist, Edward. Ermutige sie nicht auch noch», sagte ihre Mutter, bevor sie die Aufmerksamkeit wieder auf Stella richtete und einen mütterlichen Seufzer ausstieß. «Du solltest am Wochenende unter Leute gehen. Wenn du mehr Männer kennenlernen würdest, würdest du auch den Richtigen finden, das weiß ich.»
Ihr Vater drückte ihr einen kühlen Kuss auf die Schläfe und flüsterte: «Ich wünschte, ich würde auch arbeiten.»
Kopfschüttelnd sah Stella ihn an, während ihre Mutter sie umarmte. Ihre allgegenwärtigen Perlenstränge drückten sich in Stellas Brustbein, und eine Wolke Chanel No. 5 umwirbelte sie. Sie ertrug den erstickenden Duft drei unendliche Sekunden lang, bevor sie einen Schritt zurücktrat.
«Wir sehen uns nächstes Wochenende. Ich hab euch lieb. Bye.»
Sie winkte ihren Eltern zu, dann verließ sie das schicke Restaurant im Zentrum von Palo Alto und ging die von Bäumen und teuren Läden gesäumten Bürgersteige entlang. Nach drei sonnigen Blocks erreichte sie ein niedriges Bürogebäude, das ihren liebsten Ort auf der ganzen Welt beherbergte: ihr Büro. Das linke Eckfenster im zweiten Stock gehörte ihr.
Das Schloss der Eingangstür öffnete sich mit einem Klicken, als sie ihre Handtasche an den Sensor hielt, dann betrat sie das leere Gebäude und genoss das einsame Echo ihrer High Heels auf dem Marmor,...
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