Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Wertvolle Unterstützung für Kinder im Autismus-Spektrum
Wenn Kinder und Jugendliche eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum erhalten, fühlen sie und ihre Eltern sich oft allein gelassen. Die Psychologin Dr. Kathrin Hippler kennt das aus ihrer Praxis nur zu gut und bietet mit diesem schön gestalteten und kindgerecht illustrierten Reflexions- und Mitmachbuch optimale Hilfe für Kinder mit Asperger-Syndrom an:
Unterstützen Sie aktiv Ihr Kind im Autismus-Spektrum!
Hallo, darf ich mich vorstellen? Ich bin ein Fingertier, ein sogenanntes Aye-Aye, und ich heiße auch so: Aye-Aye. Schön, dass du da bist! (Natürlich können Aye-Ayes die Menschensprache gar nicht »in echt« sprechen. In diesem Buch aber schon.)
Wir Fingertiere sind nachtaktive Lemuren und sehen aus wie Eichhörnchen-Affen mit großen Ohren, gelben Augen, Biber-Zähnen, spinnenartigen Fingern und einem buschigen Schwanz. Ganz schön speziell, oder? Ich finde das fantastisch! Möchtest du noch mehr wissen?
Wir Aye-Ayes leben in den Regenwäldern Madagaskars und sind scheue Einzelgänger*innen. Mit vielen anderen eng auf einem Haufen? Nicht so unser Ding!
Wir sind ausgezeichnet an unseren Lebensraum im Wald angepasst: Wir können sehr geschickt klettern und wenn's sein muss auch kopfunter die Bäume hinabgleiten. Hierfür hilft uns unser sechster (!) Finger: ein kleiner Zusatzdaumen, der perfekt ist fürs Klettern!
Das ist aber noch nicht alles: Unser Mittelfinger ist ein Spezialfinger, der viel länger ist als die anderen. Mit dem können wir spielend an das leckere Innere der Früchte des Ramy-Baumes, an Kokosmilch oder Insektenlarven gelangen.
In unserer vertrauten Umgebung sind wir absolute Expert*innen und fühlen uns sehr wohl. Aber stell dir vor, wir müssten umziehen und wären plötzlich in einer anderen Umgebung, in der wir tagsüber aktiv sein (Schnarch!) oder in einer Gruppe unsere Beute jagen müssten (Hilfe!). Das könnte ganz schön verwirrend und anstrengend für uns werden. ? [2]
Ganz ähnlich ist das bei den Menschen. Autistische Menschen finden es manchmal schwierig, in einer neurotypisch geprägten Welt zu leben. Neurotypische Menschen würden es wahrscheinlich schwierig finden in einer autistisch geprägten Welt zu leben.
Aber mal der Reihe nach: Was ist das überhaupt - »autistisch« und »neurotypisch«?
Wie du wahrscheinlich weißt, nehmen wir über unsere Sinne wahr: Augen, Ohren, Nase, Haut und Zunge leiten Informationen aus der Umgebung über Nervenzellen in unser Gehirn weiter. Zu diesen fünf Sinnen, gibt es auch noch die Wahrnehmung von Bewegung und Temperatur sowie deinen Gleichgewichtssinn, der dich zum Beispiel vor dem Umkippen schützt.
Im Gehirn wird die von den Sinnen hereinkommende Information verarbeitet. Die Art der Verarbeitung im Gehirn hat Einfluss darauf, wie du denkst und dich verhältst. Viele Eindrücke aus der Umgebung erleben Menschen wahrscheinlich ähnlich, da menschliche Nervensysteme und Gehirne weitgehend gleich aufgebaut sind. Es gibt aber feine Unterschiede.
Diese Unterschiede des Gehirns nennt man »Neurodiversität«. Der Begriff wurde von der australischen Wissenschaftlerin und Aktivistin Judy Singer geprägt und bekannt gemacht. ? [3] Judy Singer ist selbst Autistin und kennt sich daher besonders gut aus. »Neuro« bedeutet »das Nervensystem/das Gehirn betreffend« und »Diversität« bedeutet »Vielfalt«. Neurodiversität bedeutet also, dass es Unterschiede in unserer jeweiligen Gehirnentwicklung gibt, die ganz natürlich sind. Und das ist gut so.
Die Unterschiede werden vor allem durch unsere Gene bestimmt. Die Gene sind winzig kleine Abschnitte auf unserer Erbsubstanz, der DNS (oder ausgeschrieben: Desoxyribonukleinsäure). Die DNS ist wie ein verwurschtelter, langer und dünner Faden, der in jeder einzelnen Zelle unseres Körpers vorkommt. ? [4] Jede Zelle muss wissen, was sie zu tun hat. Darum sind all diese Informationen in den Genen gespeichert. Wie eine Lego-Aufbauanleitung haben auch die Gene einen Bauplan, wie sich der Körper einer Person entwickeln soll. Nach diesem Plan werden Proteine (Eiweiße) gebaut, die all die verschiedenen Aufgaben erfüllen, die es in einer bestimmten Körperzelle gibt. ? [5]
Als »neurotypisch« gelten Personen, deren Gehirnentwicklung - wie schon der Name sagt - typisch verläuft, also so wie beim Großteil der Menschen. Als »neurodivergent« werden Personen bezeichnet, bei denen winzige Veränderungen auf vielen verschiedenen Genen eine etwas andere Hirnentwicklung vorgeben. Autismus kann als eine solche neurodivergente Variante gesehen werden, also eine besondere Art der Gehirnentwicklung. Dadurch unterscheidet sich das Wahrnehmen und Erleben autistischer Menschen von dem der meisten anderen.
Da man aber immer noch nicht so richtig gut in die Gehirne von Menschen reinschauen kann, merken die meisten Menschen nur die Auswirkungen, die diese besondere Wahrnehmung auf das Verhalten hat. Das Verhalten autistischer Menschen unterscheidet sich nämlich vom Verhalten neurotypischer Menschen. Diese »Außensicht« wurde zum ersten Mal vor vielen Jahren von der russischen Ärztin Grunya Sukhareva beschrieben. ? [6] 20 Jahre nach Grunya Sukhareva entdeckten etwa zeitgleich der österreichische Kinderarzt Hans Asperger ? [7] und der österreichisch-amerikanische Kinderpsychiater Leo Kanner ? [8] ganz ähnliche Verhaltensweisen bei einigen ihrer jungen Patienten, die sie als »autistisch« beschrieben.
Die Innensicht aber, also wie es sich wirklich anfühlt, autistisch und vor allem du selbst zu sein, kennst nur du! Und natürlich andere Autist*innen, so wie Frederick, Hanna, Robert und Alice. Zeit also, die vier kurz vorzustellen:
Frederick ist 9 Jahre alt, geht in die Grundschule und ist nach seiner Züge- und Dinosaurier-Phase nun absoluter Ultra-Experte für Pokémon. Sein besonderes Kennzeichen ist sein Hut (was es damit auf sich hat, wird er dir ein wenig später erklären!).
Hanna ist 28 Jahre alt, Mathematikerin, arbeitet an ihrer Doktorarbeit (PhD), lernt gerne verschiedene Instrumente und Sprachen und verbringt viel Zeit in der Natur und beim Yoga.
Robert ist 16 Jahre alt und Schüler an einem Gymnasium. Er denkt gerne nach, liebt Tiere (neben Hunden und Katzen hat er auch Asseln und Kröten zu Hause) und weiß sehr viel über geschichtliche Themen, wie Kriege und Schlachten.
Alice ist 34 Jahre alt und hat ihre jahrzehntelange Begeisterung für Insekten zu ihrem Beruf gemacht: Sie ist promovierte Entomologin (= Insektenforscherin) und unter anderem Erstbeschreiberin mehrerer Ameisenarten.
Die vier werden im Lauf des Buches immer wieder zu Wort kommen und dir von sich erzählen. Vielleicht bemerkst du einige Ähnlichkeiten zu dir selbst. Auch Fredericks Mutter und Vater werden hin und wieder etwas aus der Elternsicht beitragen.
Gut zu wissen
Niemand ist total autistisch oder total neurotypisch! Lorna Wing, eine bekannte Autismus-Expertin, hat gesagt: »Nature never draws a line without smudging it.« ? [9] (Übersetzt: Die Natur zeichnet keine Linie, ohne sie zu verschmieren.)
Damit meinte sie, dass es in der Natur keine klaren Grenzen gibt. Eigenschaften und Wahrnehmungsweisen von autistischen und neurotypischen Personen können sich also zu einem gewissen Grad überschneiden. Lorna Wing war auch die erste Ärztin, die verstanden hat, dass Autismus ein Spektrum ist, das aus Teilkomponenten besteht, deren Ausprägung unterschiedlich sein kann.
Stell dir vor, ich wüsste nicht, dass ich ein Aye-Aye bin und würde öfters mit Wolfskindern spielen.
Manches würde mir bekannt vorkommen: Wölfe und Aye-Ayes haben einen fantastischen Geruchssinn und markieren ihre Reviere mit Duftspuren (Ah, da ist die Reviergrenze - da kenne ich mich aus!). Auch im Hören sind meine Wolfsfreund*innen und ich spitze. Ich höre das leiseste Krabbeln der Insekten durch die Baumrinde, meine Freund*innen hören das Heulen ihrer Artgenossen kilometerweit.
Aber als Aye-Aye finde ich auch viele Verhaltensweisen der Wölfe ziemlich komisch: Wölfe heulen zur Verständigung (Hä?) und über ihren Schwanz, ihre Körperhaltung, den Gesichtsausdruck und die Stellung von Fell und Ohren drücken sie ihre Emotionen aus. Zum Beispiel Freude, Angst, Selbstsicherheit oder Unsicherheit. Sie signalisieren dadurch auch, ob sie dem Gegenüber drohen, sich unterwerfen oder den anderen zum Spiel auffordern. ? [10], ? [11] Diese vielen fremden Signale finde ich, ehrlich gesagt, ganz schön verwirrend.
Meine Wolfsfreund*innen jagen gemeinsam ihre Beute und leben in Rudeln. Sie schlafen aneinandergekuschelt (eng! unvorhersehbare Berührungen!) in geschützten Bereichen unter Bäumen (Was? Man schläft doch auf den Bäumen! In schönen Nestern und am liebsten allein!). Das macht wirklich alles gar keinen Sinn für mich. Das Verhalten der Wölfe verunsichert mich und manchmal fühle ich mich sogar richtig unwohl und fremd.
Die Wölfe können meine Stärken (Kletterspezialist*in, Insekten-Aufspürer*in, und so weiter) gar nicht sehen und schätzen. Das finde ich sehr schade. Stattdessen fällt viel mehr auf, was ich alles nicht kann und wie anders ich bin (na logisch - ich bin ja kein Wolf!).
Um mich besser auszukennen, beobachte ich die Wölfe ganz genau, um zu verstehen, wie sie so ticken, was sie machen, wann sie etwas tun und wie sie...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.