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Brookside Cottage Thornton Lacey 4. September
Sieh da, sieh da, Peter Pascoe!
Die Stimme aus dem Jenseits! Oder vielleicht eher aus der Unterwelt? Aus der Dich Ellie, zumindest vorübergehend, in die Welt der Lebenden zu geleiten hofft. (Im Übrigen war sie es, die mir die Frohe Botschaft Deiner Existenz verkündete, als ich sie letzten Monat in London traf.)
Welche Ironie, dachte Detective Superintendent Backhouse, als sein Blick den kreidebleichen Mann gegenüber streifte. Doch das sagte er nicht laut, denn er war ein gütiger Mensch. Auch wenn er den Grausamkeiten seines Berufs niemals aus dem Wege ging, sobald sie von Bedeutung waren.
Er las weiter.
Sie hat Dir sicher erzählt, dass wir dieses ländliche Elendsquartier auf Vordermann gebracht haben, damit sich bleichgesichtige Städter da erholen können. Jetzt ist also alles unter Dach und Fach, und wir würden uns riesig freuen, wenn Du und Ellie in vierzehn Tagen übers Wochenende zu uns kämt (natürlich nur, wenn's die Polizei erlaubt!). Timmy und Carlo machen sich auf aus Metropolis, wir werden also in Nostalgie schwelgen! Es ist (hoffentlich) nicht ganz so armselig wie das Cottage in Eskdale - aber sonderbarerweise gibt es da doch gewisse Parallelen zum Leben in Thornton Lacey!
»Was meint er damit?«, fragte Backhouse.
Pascoe starrte auf den Satz, auf den der wohlmanikürte Finger des Superintendents zeigte. Erst nach Sekunden konnte er die Worte klar erkennen.
»Als Studenten«, sagte er, »waren wir im Sommer einmal ein paar Wochen in Eskdale. In Cumberland.«
»Dieselben Leute?«
Pascoe nickte. »Colin und Rose waren damals noch nicht verheiratet.«
»Was hat's mit den Parallelen auf sich?«
»Keine Ahnung. Ich kann mich kaum mehr erinnern.«
Außer an einen Abend. Da waren sie im goldenen Schein des sich neigenden Tages in schweigender Verbundenheit zu sechst über ein schräg abfallendes Feld auf das in der Ferne liegende Dorf und dessen Pub zugewandert. Durch den Hang hatten sich ihre Wege getrennt, so dass sie sich über das mit stacheligen Grasbüscheln bestandene Gelände verstreuten und erst wieder an dem Holzgatter am untersten Ende der Natursteinmauer zusammentrafen.
Wenn Ihr's irgendwie schafft, kommt Freitagabend, wenn nicht, dann im Frühtau am Samstag. Zögert nicht, diesem unserem Befehle zu willfahren, oder unser Zorn wird fürchterlich sein. Und Ihr wisst, wie fürchterlich ich in meinem Zorn sein kann!
Nein, im Ernst, ich kann Euch gar nicht sagen, wie entzückt ich über Euer Kommen wäre. Man sieht ja Abélard schließlich nicht jeden Tag glücklich wiedervereint mit Héloïse (und seinem wichtigsten Anhang, wie ich hoffe!).
Alles Liebe von uns beiden,
Colin (und Rose)
Als Backhouse den Brief zu Ende gelesen hatte, seufzte er, notierte sich etwas auf einem Zettel, heftete ihn an das lose blassgelbe Blatt und steckte es in eine grellgrüne Plastikmappe.
»Das behalt ich«, sagte er, »wenn ich darf.«
Nicht, dass es momentan von besonderem Wert wäre. Wahrscheinlich auch später nicht. Aber er arbeitete lieber so. Mit Vorbedacht, statt im Vertrauen auf den glücklichen Zufall.
»Möchten Sie noch Tee?«, fragte er.
Bevor Pascoe antworten konnte, ging die Tür auf. Ein altersschwacher Constable kam müde hereingeknarzt, in der Hand ein paar getippte Blätter.
»Mr. - ich meine, Sergeant - Pascoes Aussage, bitte.«
Er legte Backhouse die Blätter sorgsam hin und zog sich zurück.
»Danke, Crowther«, sagte Backhouse, drehte die Blätter um und schob sie Pascoe hin.
»Lesen Sie's durch«, sagte er freundlich, als Pascoe einen Kugelschreiber nahm und sich anschickte, auf dem ersten Blatt unten zu unterschreiben. »Erst lesen, dann unterschreiben. So wie's hoffentlich auch bei Ihnen der Brauch ist.«
Wortlos fing Pascoe an zu lesen.
Aussage Peter Ernest Pascoe, zu Protokoll genommen auf dem Polizeirevier Thornton Lacey, Oxfordshire, in Anwesenheit von Detective Superintendent D. S. Backhouse.
Samstag, den 18. September, fuhr ich morgens von Yorkshire nach Thornton Lacey. Ich war in Begleitung einer Freundin, Miss Eleanor Soper. Zweck unserer Reise war, das Wochenende mit unseren alten Freunden, Colin und Rose Hopkins, Brookside Cottage, Thornton Lacey, zu verbringen. Außerdem wurden noch Mr. Timothy Mansfield und Mr. Charles Rushworth erwartet, ebenfalls alte Freunde, die ich aber genau wie die Hopkins über fünf Jahre nicht mehr gesehen hatte. Ich weiß nicht, ob noch jemand eingeladen war.
Wir wollten um halb zehn da sein, kamen aber so schnell voran, dass uns klar war, wir würden bereits um neun eintreffen .
Es war ein herrlicher Morgen, nachdem es die Nacht über in Strömen geregnet hatte. Feiner Nebel lag wie ein Schleier über Wald und Feld, löste sich aber unter dem sanften Drängen der aufgehenden Sonne willig auf. Anfangs waren die Straßen noch leer. Selbst die Bauernhäuser, die doch den jungen Morgen immer als Erste begrüßten, schliefen anscheinend noch zwischen den nassglänzenden Feldern.
»Das ist schön«, sagte Ellie und schmiegte sich zufrieden in den bequem eingesessenen Beifahrersitz des alten Riley. »Es gibt Dinge, für die man sich gern wecken lässt.«
Pascoe lachte.
»Ich weiß, was du meinst«, sagte er mit unterdrückter Leidenschaft.
»Du bist sexbesessen«, antwortete sie.
»Überhaupt nicht. Ich kann bis zum nächsten Parkplatz warten.«
Ellie schloss lächelnd die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war eine Stunde vergangen und sie lehnte mit ihrem ganzen Gewicht an der Schulter ihres Reisegefährten.
»Entschuldige«, sagte sie und setzte sich gerade.
»Es geht eben nichts übers Frühaufstehen. Wir liegen übrigens gut in der Zeit. Bist du sicher, dass sie uns schon zum Frühstück dahaben wollen?«
»Absolut. Als ich mit Rose telefoniert hab, war sie ganz schön sauer, dass wir gestern Abend in letzter Minute absagen mussten. Wir sollten unbedingt ganz früh kommen. Die Arme - hatte wahrscheinlich schon das Mastkalb auf dem Rost oder so was.«
»Bestimmt. Tut mir leid. Es war eine Schande.«
Ellie machte aus ihrer Empörung kein Hehl.
»Schande? Dieser sadistische Fettsack Dalziel weiß ja nicht einmal, was das heißt.«
»Es war nicht seine Schuld. Es ist diese Einbruchsserie, bei der wir jetzt eingeschaltet wurden. Das Telefon hat geklingelt, als ich gerade gehen wollte.«
»Pech aber auch«, brummte Ellie. »Total idiotische Zeit für einen Einbruch. Ich wette, Dalziel war's.«
»Der Einbruch ist schon Anfang der Woche passiert«, erklärte Pascoe geduldig. »Die Leute haben ihn erst gestern entdeckt, als sie aus dem Urlaub zurückkamen.«
»Geschieht ihnen recht. Was müssen die auch so früh nach Hause kommen? Wären sie übers Wochenende geblieben, hätten wir unseres auch in voller Länge genießen können.«
»Ich hoffe, das werden wir trotzdem«, gab Pascoe mit einem zärtlichen Lächeln zurück. »Es wird uns gut tun, alle wiederzusehen.«
»Glaub ich auch. Besonders dir«, sagte Ellie nachdenklich. »Du warst lang genug von allem abgeschnitten.«
»Ja, vielleicht. An mir hat's aber nicht gelegen. Auf jeden Fall ist >abgeschnitten< nicht das richtige Wort. Sie waren ja immer da. Wie gut angelegtes Kapital! Ich hab nie daran gezweifelt, dass ich sie alle einmal wiedersehe.«
»Bei mir war ein Unfall nötig, um mich wieder ans Tageslicht zu befördern«, erwiderte Ellie mit leisem Tadel.
»Es gibt halt eine Macht, die unsere Zwecke formt, wie wir sie auch entwerfen«, verkündete Pascoe feierlich. »Colin ist nicht der Einzige, der mit Zitaten um sich werfen kann.«
»Hoch soll sie leben«, sagte Ellie und räkelte sich in der Wärme der Sonne, die nun unangefochten durch das Fenster schien.
Wir erreichten Thornton Lacey um 8.50 Uhr. Das weiß ich so genau, weil ich auf die Uhr schaute, um zu sehen, ob wir die Zeit eingehalten hatten, mit der wir gerechnet hatten. Ich meinte, wir sollten vielleicht noch eine halbe Stunde warten, bis wir zum Brookside Cottage fuhren. Miss Soper und ich entschieden uns aber dann doch dagegen. Es muss also zwei, drei Minuten vor neun gewesen sein, als wir hinkamen. Alle Vorhänge waren zugezogen und niemand reagierte auf unser Klopfen.
»Wir hätten doch warten sollen«, sagte Pascoe oberlehrerhaft.
»Blödsinn. Wenn die gestern so sturzbesoffen waren, dass sie das Klopfen nicht hören, dann sind sie um halb zehn auch noch nicht ansprechbar.«
Sein Berufsethos reklamierte zwar einen Verstoß gegen Logik oder Syntax dieser Behauptung, aber dieses Wochenende war er ganz entschieden und ganz bewusst außer Dienst. Also grinste er sich eins, trat einen Schritt vom Eingang zurück und verrenkte sich fast den Hals, um hinter den Schlafzimmervorhängen irgendwelche Anzeichen von Leben zu erspähen.
Es war ein bezauberndes Häuschen, hart an der Grenze zum Kitsch. Tudor, sagte er sich, Fachwerk, dazwischen zweifellos Flechtwerk mit Lehmschlag, was immer das war (oder musste es »ist« heißen?). Der Versuch, den Eingang mit einer Kletterrose zu umranken, war kein durchschlagender Erfolg gewesen. Über dem Strohdach reckten sich Fernsehantennen vielarmig in der Morgenbrise und kündeten, kühl bis ans metall'ne Herz, vom Triumph der Gegenwart über die Anmut längst vergangener Tage.
»Colin hat da überhaupt keine Skrupel«, sagte Ellie, deren Blick dem seinen gefolgt war. »Wenn schon modernisieren,...
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