Mein Rendezvous
mit der Spinnenfrau
von Ian Rolf Hill
Simone Cosamona war einundzwanzig Jahre jung und liebte das Leben und Partys. Sie war einer der Stars in der Clubszene von Rom. Das hatte sie nicht nur ihrem Aussehen zu verdanken, sondern auch dem Geld ihrer Familie.
Simone war die Tochter von Emilio Cosamona, seines Zeichens Capo eines der einflussreichsten Mafia-Clans der Ewigen Stadt.
Für Simone war das Fluch und Segen zugleich. Einerseits wagte kaum jemand, ihr einen Wunsch abzuschlagen oder ihr gar blöd zu kommen, andererseits wusste sie nie, ob eine neue Bekanntschaft nicht nur deshalb Interesse heu?chelte, um über sie an ihren Vater heranzukommen. Aus welchen Gründen auch immer.
Auch bei ihrer neuesten Eroberung war sie sich dessen nicht sicher. Vielleicht war er Mitglied eines rivalisierenden Clans oder gar ein verdeckter Ermittler.
Ansonsten waren Simone die Geschäfte ihres Vaters egal. Sie wollte bloß ihren Spaß.
Und Eric Turner sah aus, als könnte man mit ihm jede Menge davon haben.
Dass er bestimmt doppelt so alt war wie sie, störte Simone nicht. Im Gegenteil, sie mochte reifere Männer viel lieber als die großspurigen Aufschneider aus ihrer eigenen Altersklasse. Die taten zwar immer so, als wären sie die Größten der Welt, und kehrten den Macho raus. Aber wenn es drauf ankam, stellte sich oft heraus, dass das meiste davon nur heiße Luft war.
Eric Turner dagegen sah nicht so aus, als käme bei ihm nur heiße Luft.
Sein locker sitzendes Armani-Sakko umschmeichelte seinen durchtrainierten Oberkörper, über den sich ein schwarzes T-Shirt spannte. Die Haut war leicht gebräunt, das dunkelblonde Haar fiel leicht gewellt bis auf die Schultern.
Mit dieser Frisur wirkte er ein wenig aus der Zeit gefallen, aber Simone bewunderte viel lieber seine kräftigen und gepflegten Hände, die ebenmäßigen gebleachten Zähne und seine unergründlich blickenden dunklen Augen.
Vor allem die zogen sie geradezu magisch an, sodass Simone das Gefühl hatte, darin zu versinken.
Es war ein Klischee, das war ihr klar, und doch kam sie sich jetzt genauso vor.
Simones Atem ging merklich schneller. Je länger sie in Erics Nähe verweilte, desto stärker wurde das Verlangen, sich ihm hinzugeben.
Ja, sie wollte es mit jeder Faser ihres Körpers. Noch in dieser Nacht!
Sie schwitzte unter dem dünnen Top, was kein Wunder war, immerhin hatten sie mindestens eine halbe Stunde sehr intensiv miteinander getanzt. Bei ihm dagegen perlte nicht ein Schweißtropfen.
»Keine Ahnung, wie du das machst, aber ich brauche jetzt dringend was zu trinken!«, rief sie über die laute Musik hinweg.
Eric lächelte und nickte ihr zu. Besitzergreifend legte er die Hand auf ihre Hüfte und führte sie an die Bar. Simone spürte, wie sie erschauerte.
»Was möchtest du?«
Seine Lippen waren plötzlich ganz dicht an ihrem Ohr, sein Atem strich über die dünne Haut ihres Halses, seine Stimme schien direkt in ihrem Kopf zu erklingen.
»Dich!«, hörte sie sich sagen.
Es war einfach aus ihr herausgerutscht. Kaum war ihr das Wort über die Lippen gekommen, da wurde ihr noch wärmer, als es ihr ohnehin schon war. Sie glühte förmlich und hoffte nur, dass er sie über den Lärm hinweg nicht verstanden hatte.
Blödsinn!, schoss es ihr durch den Kopf. Natürlich wollte sie, dass er es gehört hatte.
Er lachte leise. »Ich meinte eigentlich, was du trinken möchtest.«
»Wodka Lemon«, sagte sie hastig. »Entschuldige bitte, ich verschwinde mal kurz wohin!«
»Lass dir nicht zu viel Zeit.«
Seine Hand glitt über die Innenseite ihres Oberschenkels.
Simones Herz klopfte schneller. Eilig quetschte sie sich zwischen den schwitzenden Körpern der anderen Gäste hindurch in Richtung der Toiletten.
Sie atmete auf, als sie endlich den Waschraum mit den Toiletten erreichte - und stöhnte sogleich genervt auf. Wie so oft standen die Frauen auch diesmal Schlange, um eine der fünf Kabinen zu benutzen.
»Das darf doch jetzt nicht wahr sein!«, seufzte Simone.
Die Musik und die Stimmen der Feiernden waren hinter der Tür zurückgeblieben, trotzdem klingelten ihr die Ohren auch weiterhin. Wahrscheinlich hatte sie lauter gesprochen, als nötig gewesen wäre.
Sämtliche Blicke wandten sich ihr zu. Beiläufig, mitfühlend, vielleicht auch eine Spur herablassend.
Das änderte sich erst, als einige der Damen sie erkannten.
Zwei Mädchen tuschelten erst miteinander und ließen Simone dann vor.
Das war einer dieser Moment, in denen sie es genoss, Tochter von Emilio Cosamona zu sein.
Sie lächelte und bedankte sich bei den Teenagern. Geschwind schlüpfte sie in die Kabine.
Sie war gerade fertig, als ihr die unnatürliche Stille auffiel.
Keine Stimmen mehr, kein Klappern von Kabinentüren oder das Rauschen der Spülung. Nur das Hämmern und Dröhnen der Musik drang gedämpft durch die Tür.
Simones Puls beschleunigte sich, ihr Atem ging schneller. Behutsam öffnete sie die Tür - und zuckte im ersten Moment zusammen, als sie sich selbst im Spiegel gegenüber erblickte.
Der Waschraum, der eben noch von jungen Frauen belagert worden war, war menschenleer.
Wie hypnotisiert ging Simone auf das Waschbecken zu und hielt die Hände unter den Hahn.
Im selben Moment, als das Wasser herausschoss, begann das Licht zu flackern.
Und wie aus dem Boden gewachsen, stand Eric hinter ihr.
Simone erschrak und wollte herumwirbeln, doch Eric war schneller.
Seine Hand wühlte sich in ihre schwarzgelockte Mähne, zog daran, nur um sie gleich darauf nach vorn zu stoßen. Sie keuchte, klammerte sich an das Waschbecken und spürte noch im selben Atemzug die zweite Hand, die ihren Rock nach oben schob, sich auf ihr Gesäß legte, tiefer glitt ...
Simone schnappte nach Luft!
»Das wolltest du doch schon die ganze Zeit über«, raunte Eric, »nicht wahr?«
Sie erzitterte unter seiner Berührung, schloss die Augen.
»Sag es!«, befahl er.
»Ja«, keuchte sie. »Ja, ich ... ich will es!«
Eric Turner lachte leise.
Kurz darauf lachte er nicht mehr, da wurde nämlich die Tür aufgestoßen, und zwei Männer betraten den Raum. Ihre ernsten Mienen ließen keinen Zweifel daran, dass ihnen überhaupt nicht gefiel, was sie zu sehen bekamen.
»Schätze, das reicht jetzt!«, sagte der kleinere der beiden, der Eric Turner immer noch um mehrere Zentimeter überragte. Das schwarze Haar trug er zurückgegelt, die Augen waren hinter einer Sonnenbrille verborgen.
Sein Kumpan war wenigstens zwei Meter groß. Auch er trug eine Brille mit dunklen Gläsern, sein Kopf dagegen war so kahl wie eine Bowlingkugel. In seinem Ohr steckte ein Knopf, das schlechtsitzende Sakko verbarg die Schusswaffe im darunterliegenden Holster nur unzureichend.
Eric Turner ließ von Simone ab, die einen leisen Schrei ausstieß. Rasch sprang sie auf und zog ihren Rock nach unten. Im gleichen Atemzug kochte die Wut in ihr hoch.
»Was soll der Mist, Pablo?«
Der Schwarzhaarige ließ Eric keine Sekunde aus den Augen, als er Simone antwortete. »Ich tue nur, wofür Ihr Vater mich bezahlt.«
»Er bezahlt Sie, um auf mich aufzupassen, nicht um mich zu stalken! Und schon gar nicht, um mir auf die Toilette zu folgen!«
»Doch, genau das tut er. Zumindest wenn Ihnen ein Kerl dorthin folgt, nachdem alle anderen Frauen die Toilette fluchtartig verlassen haben.«
»Eric hat nichts getan!«, behauptete Simone.
»Das sah eben aber noch ganz anders aus!«
»Dabei habe ich noch nicht mal richtig angefangen«, meldete sich Eric zu Wort.
Simone kicherte.
»Oh.« Pablo hob die Brauen. »Wie es aussieht, haben wir hier einen Klugscheißer. Mögen wir Klugscheißer, Carlo?«
Der Glatzkopf schüttelte den Kopf. »Nein, Pablo!«
»Und was machen wir mit Klugscheißern?«
Carlo griente und holte einen silbern glänzenden Schlagring aus der Seitentasche seines Sakkos. Genüsslich streifte er ihn sich über die wulstigen Finger. »Wir prügeln ihnen die Scheiße aus dem Leib und spülen sie die Toilette runter.«
»Ganz genau, Carlo!«
Simones Augen weiteten sich vor Entsetzen. Mit einem Schritt stellte sie sich zwischen Eric und die beiden Bodyguards. »Nein! Das werdet ihr ganz bestimmt nicht tun!«
Pablo seufzte. »Gehen Sie zur Seite, Simone. Ab hier übernehmen wir.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das könnt ihr vergessen!«
»Ach, lass ihnen doch den Spaß, Simone«, sagte Eric hinter ihr. »Vielleicht wollen sie ja mitmachen? Oder seid ihr etwa nur meinetwegen gekommen?«
Pablo gab seinem Kollegen einen Wink. »Du wirst gleich sehen, warum wir gekommen sind. Carlo!«
Die Tür öffnete sich erneut. Simone konnte nicht erkennen, wer den Waschraum betreten wollte, denn die Tür wurde gleich darauf wieder zugerammt. Der...