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Im Jahr 1941 beginnt Patricia Highsmith das erste ihrer Tagebücher, die sie von da an parallel zu den Notizbüchern führen wird. Am 14. April 1941 schreibt sie: »Je suis fait[e] de deux appétits; l'amour et la pensée [Mein Appetit ist ein zweifacher: Ich hungere nach Liebe und nach Ideen].« Als Schriftstellerin noch kaum geboren, kreisen ihre Gedanken schon darum, wie viel Erfahrung es wohl braucht, um genug Stoff zum Schreiben zu haben, und inwieweit das eine vom anderen zehrt. Und so sind die Grenzen zwischen ihren Tage- und Notizbüchern fließend, beide nehmen immer wieder Bezug aufeinander. In diesem ersten Jahr ihrer Chronik füllt Highsmith insgesamt 450 Seiten, beinahe minutiös berichtet sie auf Englisch, Französisch und Deutsch über alles, was einer jungen Studentin wichtig scheint - üblicherweise spätabends oder frühmorgens, bevor sie zu Bett geht.
Anfang 1941 ist die 20-jährige Patricia Highsmith in ihrem dritten Jahr auf dem College. Das universitäre Pensum verlangt ihr einiges ab, zu ihrer ehrgeizigen privaten Lektüreliste kommen die Hausaufgaben, außerdem engagiert sie sich in linken Studentenverbänden, der Young Communist League (YCL) und der American Student Union (ASU). Als ihr die endlosen Sitzungstreffen zu langweilig werden, schwindet auch ihr politischer Eifer und mit ihm das Engagement. Viel wichtiger ist Highsmith die Ernennung zur Chefredakteurin des studentischen Literaturmagazins Barnard Quarterly, in dem sie auch eigene Kurzgeschichten veröffentlicht, darunter »Die Legende des Klosters von Saint Fotheringay«. Die Geschichte liest sich wie ein persönliches Manifest der jungen Highsmith zu den Themen Religion, Gender, aber auch zu ihrer Berufung als Schriftstellerin: Sie handelt von einem Waisenjungen, den Nonnen als Mädchen verkleiden und aufziehen. Der Junge hält sich für ein Genie und sprengt im Alter von dreizehn Jahren das Kloster in die Luft, um frei von Religion als Mann zu leben und zu Ruhm und Ehre zu gelangen, wie es ihm seiner Überzeugung nach vorherbestimmt ist.
Schon bald beginnen Highsmiths Collegenoten zu leiden. Daran hat neben der Zeit, die sie fürs Schreiben aufwendet, vor allem ihr reges Sozialleben Schuld. Die Highsmiths leben in einer kleinen Wohnung in der Grove Street 48, im Herzen von Greenwich Village, wo die junge Pat auf dem Bettsofa im Wohnzimmer schläft. Schon lange ist das Village als Bohemeviertel bekannt und bekommt weiter Zulauf von europäischen Emigranten wie Anaïs Nin oder Mascha Kaléko, die es als »Brutstätte der Genies« bezeichnet. (So illuster sie auch sein mögen, sind die Neuankömmlinge aber nicht allseits gern gesehen: Die amerikanische Flüchtlingspolitik ist restriktiv und Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Schichten weit verbreitet.)
Bekannt ist Greenwich Village auch für sein ausschweifendes Nachtleben, besonders für eine Vielzahl von einschlägigen Bars und Clubs, in denen Frauen in Hosen ungehindert Zärtlichkeiten austauschen können. Gleichzeitig wird Homosexualität zu der Zeit noch als Verbrechen geahndet, häufige Razzien gehören für die Szenebars (die oft von der Maf?ia »beschützt« werden) zur Tagesordnung. Patricia Highsmith geht damit für eine Zwanzigjährige beeindruckend gelassen um und schlägt sich in der MacDougal Street die Nächte um die Ohren.
Dort macht sie spannende Bekanntschaften und wird Teil einer verschworenen Gemeinschaft erfolgreicher, größtenteils lesbischer Künstlerinnen und Journalistinnen. Durch Mary Sullivan, die im Hotel Waldorf Astoria einen Buchladen führt, lernt Highsmith schon als Studentin Frauen wie die Fotografin Berenice Abbott oder die Malerin Buf?f?ie Johnson kennen. Johnson wiederum stellt ihr die britische Journalistin Rosalind Constable vor, rechte Hand des Zeitschriftenmagnaten Henry Luce, des Gründers von Time und Life, und Geliebte der Künstlerin und Kunsthändlerin Betty Parsons.2 Highsmith ist mindestens zehn Jahre jünger als all diese Frauen, vielleicht üben sie gerade deshalb einen starken Einfluss auf sie aus. Und genau das wird zu einem wiederkehrenden Streitthema zwischen Highsmith und ihren Eltern, die diesen Lebenswandel verurteilen und sogar drohen, die Zahlung der Studiengebühren einzustellen.
»The painfullest feeling is that of your own feebleness; ever as the English Milton says, to be weak is the true misery. And yet of your strength there is and can be no clear feeling, save by what you have prospered in, by what you have done. Between vague wavering capability and indubitable performance, what a dif?ference!«3
And here is my diary,
containing the body -4
6. Januar 1941 FErster Tag [nach den Ferien]. Stück über eine Frau, in dem ich einen Mann spielte. Helen5 war meine Freundin. Es lief sehr gut. +6 Heute Morgen Brief von Roger [F.]7. Er sagt, er liebt mich! Ein bisschen jung, oder?? + Abends Sitzung bei Elwyn8. Nur 5 Mädchen waren da. Wir werden was draus machen! + Bin jetzt Kassenwartin der ASU. Ich hoffe inständig, dass niemand davon erfährt! + Mutter ist mir sehr feindlich gesonnen. Vor allem, weil ich nicht feminin genug bin.FF
6.1.1941 Ein schamloser, selbstgefälliger, dekadenter, verachtenswerter, rückschrittlicher Gedanke zum heutigen Tag: Ich verlor mich in einem bodenlosen Traum, sah das Leben wie aus der Schwebe, dreidimensional, meine Freundinnen und ihr Wesen - die Leute und ihre Gesichter namenlose Platzhalter -, und jede Einzelne war da, wo man sie auch erwartet hätte, und das Bild, das wir »Leben« oder »Erfahrung« nennen, war vollständig, und ich sah mich selbst - auch genau da, wo es zu erwarten war -, und niemand sah genauso aus oder verhielt sich genauso wie ich.
Und von dieser kleinen Gruppe (die beileibe nicht die ganze Welt war) gefiel ich mir am besten, und ich fand, dass etwas grässlich fehlen würde, wenn es mich nicht gäbe.
7. Januar 1941 FHabe [Stalins] Über die Grundlagen des Leninismus gelesen. Sehr wichtig, einschließlich der Taktik.FF
9. Januar 1941 FGestern Abend [Shakespeares] Der Widerspenstigen Zähmung gelesen. Mrs. Bailey9 sehr unpünktlich und sehr charmant. Ich möchte jede Lektion aus dem Grammatikbuch abschreiben, um bei ihrer Prüfung perfekt abzuschneiden. + »Die Legende des Klosters von Saint Fotheringay« erscheint in der nächsten Ausgabe [des Barnard Quarterly]. Georgia S.10 sagte heute, es sei die beste Geschichte seit Jahren! Sturtevant11 mochte mein »Movie Date«12 vom letzten Jahr nicht, und sie gibt diesen Monat die Quarterly-Besprechung heraus! + Heute Abend kommt Arthur13. Wir werden eine Mannerheim-Linie14 haben. Mutter will ihn nicht einmal sehen! Arthur erzählte mir, dass Keller mein »House on Morton St.«15 gelesen hat und es nicht überzeugend fand. Ich hatte es befürchtet. Dass Keller merken würde, dass eine Collegestudentin es geschrieben hat. Ist das nicht schrecklich?FF
10. Januar 1941 FViolet um 9:3016 hier. Mutter wollte wissen, was sie vom Kommunismus hält - Violet zögerte: »Alle jungen Menschen interessieren sich für den Kommunismus - das ist gut - dann haben sie etwas zu tun.« (!) Bomben werfen zum Beispiel. Stimmt's?
+ Zum Schreien! Der Volleyballkurs. Ich würde gern eine Geschichte wie »Die Legende« über diesen Kurs schreiben. Die Leute! Sagenhaft! + Habe Fanny B. ein wenig in Logik geholfen. Sie gibt sich nicht viel Mühe mit ihrer Arbeit. Sie will heiraten. »Ted«, er wird Lehrer. Ihre Mutter hat kein Geld, und Fanny geht nächstes Jahr nicht zur Uni. Aber sie ist damit vollkommen zufrieden!FF
11. Januar 1941 FIch habe Karten für Lenins Gedenkfeier im Madison Square Garden17 am Montagabend gekauft. Zwei für Arthur und mich. Im Workers' Shop18 war es gestern lustig. Mother Bloor19 war da und hat ihre Bücher für die Stammgäste...
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