Schweitzer Fachinformationen
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Laurie Moran zuckte zusammen, als es schon wieder hupte, diesmal vom Pick-up hinter ihnen.
Charlotte Pierce auf dem Fahrersitz sah in den Rückspiegel und riss genervt die Hand hoch. »Was soll das denn? Ich kann mich doch nicht in Luft auflösen.«
Laurie hielt kurz den Atem an, während der Lieferwagen vor ihnen eine schwarze Auspuffwolke ausstieß.
Es war noch nicht mal Mittag, und das an einem Mittwoch, trotzdem ging auf dem Long Island Expressway so gut wie nichts mehr voran. Die Stadtbewohner wollten den glühenden Straßenschluchten Manhattans entkommen und an den Strand. Die zweistündige Fahrt zu den Hamptons würde heute bei dem schleichenden Verkehr also eher drei Stunden dauern.
Unbeeindruckt vom Verkehrschaos, sang Charlotte fröhlich den Janis-Joplin-Song im Radio mit. »Take another little piece of my heart now, baby .«
Sie grinste zu ihrer Beifahrerin hinüber. »Aaah, nichts ist besser als der Expressway mitten im Juli!«
Charlotte hatte den Wagen - ein nagelneues Mercedes-Cabrio - erst einen Monat zuvor gekauft und freute sich immer noch am offenen Verdeck. Sie trug eine große dunkle Sonnenbrille mit runden Gläsern und hatte ihren kinnlangen Bob für die Fahrt eng hinter die Ohren gesteckt. Trotz der dunklen Gläser bemerkte Laurie, dass Charlotte den Blick auf den Wagen in der rechten Spur gerichtet hatte.
»Der Typ neben uns scheint ein Auge auf dich geworfen zu haben. Der Arme, er weiß ja nicht, dass du bald eine verheiratete Frau bist.«
Unwillkürlich drehte sich Laurie um. Der Fahrer des SUV lächelte tatsächlich in ihre Richtung. Schnell wandte sie den Kopf ab.
»Ach, der starrt uns doch bloß wegen der Musik so an. Er weiß ganz genau, dass wir beide ein Hörgerät brauchen, bis wir am Ziel sind.«
Der Kommentar veranlasste Charlotte dazu, die Lautstärke noch weiter aufzudrehen. »Take it!«, sang sie und wiegte die Schultern zur Musik. Ihr tiefes zufriedenes Lachen war ansteckend, und als der Verkehr wieder ins Rollen kam, musste Laurie unwillkürlich grinsen und stimmte mit ihrer Freundin ein.
Sie hatte tatsächlich Grund zur Freude, denn in vier Tagen würde sie Alex Buckley heiraten. Mehr als zwei Jahre hatte er kräftige Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit er endlich zu einem Teil ihres hektischen Lebens würde, das sie als Witwe und berufstätige Mutter führte. Nach einer kleinen Zeremonie in der Kirche für die beiden Familien sowie den engsten Freundeskreis und einem Empfang in einem ihrer Lieblingsrestaurants wollten sie zu zehntägigen Flitterwochen nach Italien aufbrechen. Sie hatte Alex in ihrem Leben nicht nur Platz eingeräumt; nein, sie würden zusammen ein noch besseres Leben beginnen.
Charlotte hatte Laurie die Idee von »Familien-Flitterwochen« ausgeredet, und so würde die Reise mit Alex das erste Mal sein, dass sie mehr als nur zwei Nächte von ihrem zehnjährigen Sohn Timmy getrennt wäre. Statt eines Familienurlaubs nach der Hochzeit hatten sie und Alex also einen dreitägigen Aufenthalt am östlichen Ende von Long Island geplant, damit die unmittelbaren Familienangehörigen erst Alex' vierzigsten Geburtstag feiern konnten, bevor dann die Hochzeit stattfand.
Als Treffpunkt hatten sie das direkt am Meer gelegene South Shore Resort & Spa in den Hamptons ausgesucht. Neben Laurie, Alex und Timmy würden Lauries Vater Leo sowie Alex' Bruder Andrew und dessen Frau und drei Kinder kommen; dazu natürlich Ramon, der nach wie vor darauf bestand, als Alex' Butler zu firmieren, obwohl er für alle längst zu einer Art Ersatzonkel geworden war. Für die Betreuung der Kinder hatten sie auch Timmys Lieblings-Babysitterin Kara eingeladen.
Eigentlich hatte Laurie frühmorgens mit Alex, Timmy und Ramon aufbrechen wollen, doch es war mal wieder etwas dazwischengekommen. Sie war die Produzentin von Unter Verdacht, einer Reality-TV-Serie, in der alte ungelöste Verbrechensfälle neu aufgerollt wurden. Alles war bereits vorbereitet, damit nach ihrer Rückkehr aus Italien sofort mit den Dreharbeiten für die nächste Folge begonnen werden konnte. Acht Jahre zuvor war ein Journalist namens Jonathan Brown spurlos verschwunden. Laut Browns Ehefrau Amy hatte er sich wegen betrügerischer Machenschaften in einem Pharmakonzern mit einem anonymen Informanten treffen wollen. Nachdem die Polizei keinerlei Hinweise auf ein solches Treffen fand, fiel der Verdacht - auch der der Öffentlichkeit - auf Amy. Brown wurde jedoch nie gefunden, weder tot noch lebendig, und Amy wurde daher auch nie angeklagt.
Nachdem Laurie ein Jahr lang versucht hatte, ehemalige Angestellte des Pharmakonzerns zu kontaktieren, konzentrierten sich ihre Recherchen auf einen Mitarbeiter der Forschungsabteilung, der eine Woche nach Browns Verschwinden bei einem Autounfall mit Fahrerflucht ums Leben gekommen war. Dessen Witwe Carrie hatte erzählt, dass ihr Mann in den Wochen vor seinem Tod wegen irgendeiner Sache in der Arbeit ziemlich nervös gewesen war. Als Laurie sie fragte, ob ihr Mann vielleicht einen Reporter namens Jonathan Brown gekannt habe, hatte sie sie nur verwirrt angesehen, bis Laurie sie daran erinnerte, dass Brown derjenige gewesen war, der eine Woche vor dem Unfall ihres Mannes spurlos verschwunden war.
Carrie war kreidebleich geworden.
»Nein«, sagte sie. »Oder, na ja, zumindest glaube ich das nicht. Aber ich weiß noch, dass er sehr erschüttert war, als in den Nachrichten dieser verschwundene Journalist erwähnt wurde. Ich habe ihn gefragt, was los ist, aber er hat bloß abgewiegelt und gesagt, es sei doch sehr traurig, wenn jemand einfach so verschwindet.«
Laurie war überzeugt, dass der tote Forschungsangestellte Browns anonymer Informant gewesen war. Ihr Plan hatte vorgesehen, mit dem, was Carrie und Amy wussten, den Pharmakonzern unter Druck zu setzen, damit er ihre anderen Fragen beantwortete.
Ein Stups gegen den linken Unterarm holte sie in die Gegenwart zurück. »Hallo? Erde an Laurie.« Die Autos setzten sich wieder in Bewegung. Charlotte machte das Radio leiser, damit sie sich wieder unterhalten konnten. »Du siehst aus, als würdest du dir Sorgen machen. Worüber? Für Alex' Geburtstag ist doch alles geplant, alles wird wie am Schnürchen laufen. Und für die Hochzeit und die Flitterwochen gilt dasselbe. Du bist in Gedanken wieder bei der Arbeit, stimmt's?«
Ja, so war es. Am Morgen, gleich nach dem Aufwachen, hatte sie die spätabendlichen Mails von Carrie und Amy vorgefunden. Sie schrieben von einem »Sinneswandel« (Carrie) und einer »Panikattacke« (Amy). Beide hatten es sich, in derselben Nacht, urplötzlich anders überlegt. Keine der beiden wollte in Unter Verdacht auftreten.
Den größten Teil des Vormittags hatte Laurie versucht, die beiden Frauen auf allen Kanälen zu erreichen. Das hatte sie eigentlich auch noch auf der Fahrt zu den Hamptons vorgehabt, aber als Ramon ihre Taschen im Kofferraum verstaute, trafen unmittelbar hintereinander zwei weitere Mails bei ihr ein. Diesmal von zwei Anwälten, die sie aufforderten, jegliche Kontaktaufnahme mit ihren jeweiligen Mandantinnen, Carrie und Amy, unverzüglich einzustellen. Ob die Frauen nun bedroht oder bestochen worden waren, die Schlussfolgerung war eindeutig: Jemand hatte sie unter Druck gesetzt. Laurie blieb nichts anderes übrig, als bei der Produktion, die nach ihrer Rückkehr aus den Flitterwochen hätte starten sollen, den Stecker zu ziehen.
So waren die anderen schon mal an den Strand vorausgefahren - sie hatte darauf bestanden -, während sie Brett Young, ihrem Boss, noch die schlechte Nachricht überbrachte. Aber auch zwei Stunden später waren sie keinen Schritt weitergekommen. Er bestand weiterhin darauf, den vorgesehenen Sendetermin einzuhalten, was für sie bedeutete, auf die Schnelle einen neuen Fall zu finden. Ihr einziger Glücksfall an diesem Vormittag war Charlotte gewesen, die in East Hampton ein Sommerhaus hatte und am Abend rausfahren wollte. Lauries missliche Lage war für Charlotte Grund genug, um früher aufzubrechen.
»Du hast alles getan, was du konntest«, versicherte ihr Charlotte. »Du kannst die beiden Männer nicht von den Toten zurückholen. Du hast alles, was du weißt, der Polizei gemeldet, mehr steht nicht in deiner Macht. Und wenn die Ehefrauen vom Pharmaunternehmen eine Art Abschlagszahlung annehmen, müssen sie das mit ihrem eigenen Gewissen ausmachen. Du kannst dich nicht immer für andere aufopfern, Laurie.«
Laurie wusste, wie recht ihre Freundin hatte, trotzdem hätte sie gern mehr unternommen. Lauries erster Mann Greg war kaltblütig erschossen worden, als Timmy erst drei Jahre alt gewesen war. Kein Geld der Welt, kein Einschüchterungsversuch hätten sie davon abhalten können, die Wahrheit über seinen Tod ans Licht zu bringen.
»Du findest einen anderen Fall«, sagte Charlotte. »Das hast du bislang immer geschafft. Aber, meine liebe Freundin, in vier Tagen wirst du heiraten. Wie geht es dir denn damit?«
»Du willst eine ehrliche Antwort?« Laurie lehnte sich gegen die Kopfstütze und genoss die Sonne auf ihrer Haut. »Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, weil ich so glücklich bin mit Alex. Hat es irgendjemand verdient, so viel Freude in seinem Leben zu haben? Es ist fast so, als würde ich - ich weiß nicht - auf die nächste Hiobsbotschaft warten.«
Charlotte lachte spöttisch auf. »Laurie, die immer schwarzsieht. Du musst dich nicht entschuldigen, wenn du glücklich bist. Du wirst drei tolle Tage mit Alex und deiner Familie am Strand erleben. Und am...
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